Nachdem durch die Medien gegangen war, dass der Präses mit dem E-Bike auf die „Sommertheater der Hoffnung“ gegangen sei, packte ihn am Tourtag 6 (am 11. Juli) der sportliche Ehrgeiz. Am Wochenende vor der Unwetterkatastrophe absolvierte er gänzlich ohne zusätzliche Unterstützung die Flachetappen in Köln.
Weg zum Ziel
„Sozusagen als Naturalist“, wie Thorsten Latzel zu Beginn der Fahrt von der Sürther Auferstehungskirche zum Evangelischen Friedhof in Mülheim anmerkte. In Sürth hatte er sich den Pilgerweg angesehen, den die evangelische Gemeinde ausgearbeitet hat. Auf der Sommertour besucht der Präses Gemeinden, Projekte und Orte, die Hoffnung machen. Insbesondere in der Zeit nach Corona.
Hoffen war allerdings auch während der Etappen häufig ein Thema. Denn nicht immer zeigten die Routenplaner auf den je eigenen Smartphones seiner Begleiter die gleichen Strecken. Unstrittig war die Route am Rheinufer entlang über die Deutzer Brücke und durch den Rheinpark über den Auenweg nach Mülheim.
Nach minimalen Irritationen war der Friedhof schließlich gefunden. Eingerichtet wurde der Friedhof 1610 „mitten auf der grünen Wiese“. Dank der Privilegien, die Graf Adolf V. von Berg den Mülheimern zugestanden hatte, konnten sich Protestanten dort unbehelligt ansiedeln. Ihren ersten Gottesdienst feierten sie 1610. Schulen und Kirchen wurden gebaut.
Evangelischer Friedhof Köln-Mülheim
Das alles wusste Jörg Kolbenschlag, Verwalter des evangelischen Friedhofs. Er begrüßte zusammen mit Pfarrer Johannes Vorländer, Presbyter Andy Rudziewski und Friedhofsgärtner Frederic Schatz die Gruppe mit Präses. Kolbenschlag erinnerte daran, dass die große Zeit der Mülheimer Industrie zu Ende gegangen sei und der Stadtteil mit sozialen Problemen zu kämpfen habe: „Ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner lebt von Sozialhilfe.“ Schräg gegenüber vom Friedhof liegt eine Methadon-Ausgabestelle. „Das Viertel ist ein Drogenschwerpunkt“, sagte Kolbenschlag. In Sichtweite liegt die Keupstraße mit dem Friseurladen, vor dem die rechtsextreme Terrorgruppe NSU 2004 ein Nagelbombenattentat verübte.
Armut und Kriminalität
Frederic Schatz ist der Friedhofsgärtner. Er hat die Stelle von seinem Vater übernommen, berät Trauernde bei der Bepflanzung der Grabstätten und hilft ihnen bisweilen, die gesuchten zu finden. Schatz ist aber auch Sozialarbeiter. Auf dem Friedhof kann man Sozialstunden leisten, die von Gerichten auferlegt werden. „Die Delikte liegen meist im Bereich Beschaffungskriminalität von Drogenkranken“, berichtete Kolbenschlag. „Die sind oft schwierig im Umgang und manchmal schwer zu motivieren“, ergänzte Schatz. In Corona-Zeiten hätte es große Probleme mit den Sozialstunden gegeben, weil man nicht zusammen habe arbeiten können, die Gerichte aber in der Regel Fristen gesetzt hätten, bis zu denen die Stunden geleistet sein mussten. Der Friedhof war während der zurückliegenden Lock-Downs immer geöffnet für Trauernde und Passanten.
Hoffnungsgeschichte
Pfarrer Vorländer erzählte eine Hoffnungsgeschichte aus seiner Gemeinde. Darin ging es um einen Jungen, dessen Vater gestorben war, während sein Sohn Konfirmand war. Das ist einige Jahre her, und der mittlerweile junge Erwachsene ist in der Gemeinde sehr aktiv. „Wir müssen den Menschen Heimat geben“, sagte der Präses und dankte der evangelischen Gemeinde, für den Erhalt des Ortes. Er nannte den Friedhof einen Ort, den man auf den ersten Blick nicht als Ort der Hoffnung wahrnehmen würde, der aber trotzdem ein solcher sei. „Wir bieten hier Raum für Ruhe, für Geschichte und Erinnerung, für Kultur mit den verstorbenen Menschen und auch für eine Arbeit für Menschen, die nicht soviel Geld haben, die hier trauern können.“
Baum der Trauer
Latzel steckte einen Brief durch den Schlitz der Trauerbuche. Ein Astloch dient als Briefkasten für Menschen, die trauern und dort Briefe hinterlassen. „Mir geben Friedhöfe immer Mut“, fuhr der Präses fort: „Weil sie mich an die schöne Endlichkeit des eigenen Lebens erinnern.
Memento mori – bedenke, dass du sterben musst – auf dass du klug wirst. Umzugehen damit, dass wir für eine gewisse Zeit unseres Lebens blühen und Blüten tragen sollen. Aber dass es auch eine Zeit gibt, in der wir nicht mehr da sind – wenn wir in Gottes Hand ruhen werden und gleichsam unsere Blütenpracht an die nächste Generation weitergeben.“ Auf dem evangelischen Friedhof in Mülheim spüre man eine Perspektive der Ewigkeit für das eigene Leben.
Foto(s): Stefan Rahmann/APK