You are currently viewing Eine „mustergültige Kooperation“: Poststelle der evangelischen Förderinitiative „Mensch&Arbeit“ rettet Elternservice in Bergisch Gladbach

Eine „mustergültige Kooperation“: Poststelle der evangelischen Förderinitiative „Mensch&Arbeit“ rettet Elternservice in Bergisch Gladbach

Briefe in Fächern, wohlsortiert. Briefe in gelben Post-Kisten, gestapelt. Die Poststelle im Erdgeschoss des Hauses Quirlsberg 1 in Bergisch Gladbach sieht aus wie eine ganz normale Poststelle, und doch ist einiges an ihr ungewöhnlich: zum Beispiel, dass durch ihre Hilfe die Elternbriefe, ein gedruckter Informations-Service für Eltern in der Stadt, gerettet werden konnten. Oder dass hier nicht ein gewerblicher Postbetrieb Hausherr ist, sondern die Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach.



Ein weiteres Tätigkeitsfeld für Langzeitarbeitslose
Josef Weissenberger, 52 und gelernter Bautechniker, zeigt gerne sein Post-Reich. Er wurde in der Bauwirtschaftskrise 2001 arbeitslos und gehört derzeit zu den 143 Förderjoblern, die bei „Mensch&Arbeit – Förderinitiative RheinBerg“ mitarbeiten. Das Förderprojekt ist räumlich im Q1 Jugend-Kulturzentrum auf dem Quirlsberg angesiedelt und deshalb befindet sich diese Poststelle unweit von Kickern und Jugendcafé, unweit der evangelischen Gnadenkirche. Diese Poststelle wurde gegründet, um den Langzeitarbeitslosen, die zum Projekt gehören, ein weiteres Tätigkeitsfeld zu erschließen. „Damals waren gerade zwei Postboten darunter“, erinnert sich Thomas Maria Icking an die Anfänge. Er hat mit Elke Hauptmeier die Projektleitung inne.

Gemeindebriefe, Handzettel, Terminankündigungen, Plakate…
Anfangs stapelten sich in dem kleinen Raum, an dessen Tür der Vermerk „Poststelle“ prangt, lediglich die kirchlichen Gemeindebriefe, die vierteljährlich an evangelische Haushalte verteilt werden. Eine Aufgabe, die zuvor Gemeindemitglieder ehrenamtlich erledigt hatten und für die es immer schwerer wurde, Nachwuchs zu finden. Doch mit der Zeit wuchs der Zustellungsberg. Heute koordiniert Weissenberger, der die Poststelle eigenverantwortlich führt, Botengänge verschiedenster Art: Für die Kirchengemeinde werden Handzettel, Terminankündigungen und Plakate verteilt, für das Q1 Jugend-Kulturzentrum Veranstaltungen plakatiert sowie für das städtische Jugendamt interne Schreiben zu Schulen und Kindergärten befördert. Diese Aufträge erledige er im Team, berichtet der 52-Jährige. Mal seien sie zu viert, mal zu fünft.

… und seit 2005 auch Elternbriefe
Einen Schub bekam die Poststelle (manchen sagen, sie sei in diesem Moment erst richtig gegründet worden), als sie im Mai 2005 auch die Zustellung der Elternbriefe übernahm. Diese Info-Schreiben erhalten Eltern von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr ihres Kindes kostenlos – mit wertvollen Tipps und Hinweisen, die das Heranwachsen begleiten. Die Stadt Bergisch Gladbach bekommt die Elternbriefe kostenlos vom Bundesministerium und muss nur für ihre Zustellung sorgen. Doch die dafür nötigen 9000 Euro konnte die Stadt bereits 2004 nicht mehr aufbringen, weshalb damals der örtliche Verein „Bürger für uns Pänz“ den Batzen zahlte. „Ich hätte es sehr schade gefunden, wenn es den Elternbrief nicht mehr gibt“, begründet Vorsitzende Sylvia Zanders, selbst begeisterte Mutter und Großmutter. „Aber es war von Anfang an klar, dass wir die Kosten nur für ein Jahr übernehmen.“ Als so 2005 erneut das Aus für den Elternbrief drohte, gelang in letzter Minute die dauerhafte Rettung durch eine mustergültige Kooperation von Stadt, dem Verein „Bürger für uns Pänz“, der Förderinitiative Mensch&Arbeit und den Behinderten-Werkstätten: Die Stadt liefert die Adressen, die Behinderten kuvertieren und adressieren die Elternbriefe, „Mensch&Arbeit“ stellt sie den Familien zu und „Bürger für uns Pänz“ finanziert die Fahrtkosten mit dem Pkw.

„Eine Bereicherung für unser Projekt“
Die Elternbriefe seien „ein großes, kalkulierbares und sinnvolles Arbeitsaufkommen“, lobt Thomas Maria Icking. Seine Kollegin fügt an: „Eine Bereicherung für unser Projekt.“ Sie gehen jeden Monat an über 1.800 Bergisch Gladbacher Haushalte. Die Zustellrouten haben die Projektleiter gemeinsam mit Josef Weissenberger ausgearbeitet. In großflächigen Gebieten wie Herkenrath und Herrenstrunden bringen die Förderjobler die Elternbriefe mit dem Kirchenauto ins Haus, pro Monat summiert sich das auf etwa 450 Kilometer. Doch die meisten Strecken erledigen sie zu Fuß, die Briefe meistens im privaten Rucksack geschultert. Dreieinhalb bis vier Stunden dauere so eine Strecke, sagt der 52-Jährige, der sich darüber freut, dass er oft angesprochen wird. „Ich dachte, ehrlich gesagt, dass die Leute die Briefe in den Papierkorb werfen.“ Aber er sei eines Besseren belehrt worden. „Das wird wirklich gelesen.“ Als im Sommer eine Zeitlang der Nachschub aus Berlin stockte, sei er sogar nach Dienstschluss auf seinen Strecken öfters angesprochen worden, wo denn die Briefe blieben. „Die wurden vermisst.“ Trotzdem wollen alle Beteiligten es genau wissen. Deshalb gibt es in diesem Jahr eine Umfrage, die klären soll, ob die Elternbriefe immer noch willkommen sind.

Text: Ute Glaser
Foto(s): Glaser