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„Eine Live-Übertragung im Fernsehen ist doch noch einmal etwas anderes“

Noch zwei Minuten, noch eine – die Kameras sind mittig auf den Altar gerichtet, ein letztes Husten, danach läuft alles wie am Schnürchen. Seite an Seite schreiten Pfarrerin Christiane Birgden und Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler an diesem ersten Fastensonntag zum Altar. Die Martin-Luther-King-Kirche in Hürth ist bis auf den letzten Platz besetzt. Viele der rund 300 Besucher sind extra angereist.
Die Pfarrerin erinnert zu Beginn an die ausgelassene Karnevalszeit im Rheinland. Nun, nach Aschermittwoch, sei es in den kommenden sieben Wochen an der Zeit auszumisten und aufzuräumen mit falschen Gewissheiten.

Anfrage kam im Herbst
Rund sechs Monate hatte die Gemeindepfarrerin mit ihrem Team an der Gestaltung des Eröffnungsgottesdienstes gearbeitet, der am 9. März live als ZDF-Fernsehgottesdienst übertragen wurde. Schon zwei Tage vorher hatten die Mainzer Übertragungswagen an der Hürther Kirche für großes Aufsehen gesorgt. Zu der ganztägigen Generalprobe hatten sich alle Beteiligten eingefunden. Da wurde noch an den letzten Worten gefeilt, Liedstrophen gekürzt, entschieden, wann die Gemeinde sitzen oder stehen soll.

Perfektes Timing
Genau 45 Minuten lang ging es dann um falsche Gewissheiten, darum, selber zu denken, den Kopf einzuschalten und lieb gewonnene Gewohnheiten zu hinterfragen. „Eigentlich halte ich mich für eine Selberdenkerin“, sagte Pfarrerin Birgden, räumte jedoch an einem Beispiel aus der Gemeindearbeit ein: „Aber dann merke ich oft, wie sehr ich von der Meinung anderer abhängig bin.“

Die Freiheit den Sabbat zu genießen
Zur Eröffnung der Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ war Susanne Breit-Keßler als Vorsitzende des Kuratoriums aus München angereist. Mit den Worten: „Wow, was für ein Bibelwort“, nahm sie Bezug auf die Lesung von Markus 2, 23-27, wo Jesus die gestrengen Pharisäer zurechtweist: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbat willen.“ Die Aufklärung im 18. Jahrhundert habe die Menschen aufgerüttelt, den eigenen Verstand zu gebrauchen und in diesem Geist sei es an der Zeit, neue Wege einzuschlagen. Ganz im Sinne des Namensgebers der Kirche, des Bürgerrechtlers Martin Luther King, ermunterte sie die Kirchenbesucher, alte Sicherheiten anzustoßen, um Raum für Neues zu schaffen.
Ermunternde Impulse zur Fastenaktion kamen auch von Chrismon-Chefredakteur Arnd Brummer. „Lassen Sie falsche Gewissheiten hinter sich, schauen Sie auf die Rückseite, wechseln Sie die Perspektive“, so sein Aufruf, sieben Wochen lang einmal zu zweifeln, Bewährtes in Frage zu stellen und die Freiheit des Christenmenschen zu entdecken.

Gelungener Auftakt
Zum Abschluss des Gottesdienstes richtete sich Pfarrerin Birgden mit einem Dank an die Gemeinde: „Schön, dass Sie sich mit uns auf den Weg machen!“ Und dann gab es strahlende Gesichter und Glückwünsche von allen Seiten. Der lange Planungsaufwand hatte sich ausgezahlt. Trotz ihrer zehnjährigen Radioerfahrung zeigte sich Christiane Birgden sichtlich erleichtert, dass alles so gut geklappt hat, denn: „Eine Live-Übertragung im Fernsehen ist doch noch einmal etwas anderes als das Radio“.

Den ganzen Gottesdienst finden sie hier: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/348#/beitrag/video/2104904/Evangelischer-Gottesdienst-aus-Hürth

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz