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Eine „herausragende Reihe“ geht zu Ende: das Forum Paul-Gerhardt-Kirche

Zum Abschluss stellte Volker Neuhaus, emeritierter Professor für Neuere Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Uni Köln, dem „Forum Paul-Gerhardt-Kirche“ ein ausgezeichnetes Zeugnis aus.

Moderne Kunst und Religion
Eine „herausragende Reihe“ gehe nun zu Ende, sagte er im Rahmen seines Vortrags vor rund 50 Besucherinnen und Besuchern im Gotteshaus am Lindenthalgürtel. Das Forum habe geholfen, eine Leerstelle der evangelischen Kirche in Köln und Region zu füllen. Denn wenn es um den Dialog zwischen moderner Kunst und Religion gehe, habe die nichts zu bieten, was der Bedeutung entsprechender Veranstaltungen in der katholischen Karl-Rahner-Akademie oder der Kunststation St. Peter nahe komme.

Gründung im Jahr 1995
Eine Leerstelle, meinte Neuhaus, der neben Germanistik auch evangelische Theologie studiert hatte, die um so unbegreiflicher sei, als Kunst und Religion insofern eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, als jedes auf seine Art auf der Voraussetzung gründe, dass „wir uns auf der Erde nicht zuhause fühlen“, wie Heinrich Böll einst gesagt hatte. „Bitte wann? bitte wo? bitte wie?“ lautete deshalb der Untertitel von Neuhaus’ Vortrag, in dem die Sorge um die Fortsetzung des Programms „Kirche trifft Kultur“ zum Ausdruck kam. „Kirche trifft Kultur“ war nicht nur der eigentliche Titel seiner Rede, sondern schon das Motto des „Forums Paul-Gerhardt-Kirche“ bei seiner Gründung im Jahre 1995.

"Erwachsenenbildung in evangelischer Verantwortung"
Damals hatte Neuhaus, der nebenher eine Galerie leitete, dem Forum bei den ersten Ausstellungen noch beratend zur Seite gestanden. Zur Eröffnung der 58. und wohl letzten, in der fotografierte „Menschenbilder“ von Christel Plöthner und Ciro Pascale zu sehen sind, fand mit dem Schirmherrn Manfred Kock, ehemaliger Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, ein weiterer Begleiter der ersten Stunde lobende Worte für das Forum. Dessen Arbeit, sagte Kock in einer Ansprache, sei ein „Beispiel gelungener Erwachsenenbildung in evangelischer Verantwortung:“ Das Forum habe stets einen Bildungsbegriff vertreten, der von christlich-humanen Werten geprägt war und Bildung eben nicht lediglich als Grundlage für materiellen Wohlstand ansah.

Ludwigs: "Man muss viel Zeit investieren"
Mit der Finissage der „Menschenbilder“ am 4. Juli, der insgesamt 300. Veranstaltung des Forums, soll nun Schluss sein. „Der vierköpfige Vorstand wird am Tag danach den Vorschlag machen, den Verein aufzulösen, und ich gehe davon aus, dass die Mitglieder diesem Vorschlag folgen werden“, sagte Walter Ludwigs, Vorsitzender des Fördervereins Forum Paul-Gerhardt-Kirche. Der Grund ist einfach: Ludwigs, unbestritten maßgeblicher Motor, Ideengeber und Organisator des Forums, feierte am Pfingstsonntag seinen 75. Geburtstag und hat damit auch die Altersgrenze für sein Amt als Presbyter der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal erreicht. „Ich glaube nicht, dass jemand anders meine Arbeit für das Forum übernehmen möchte, dafür muss man viel Zeit investieren“, so Ludwigs. „Der Bindungswille hat in letzter Zeit doch allgemein sehr nachgelassen.“

"Eine der vielen Illusionen"
Das Forum baute auf einem Diskussionskreis in der Gemeinde auf und wurde gegründet, um Mittel für den Um- und Ausbau der Paul-Gerhardt Kirche zu akquirieren, unter anderem mit kulturellen Veranstaltungen aller Art, die nicht zuletzt den Dialog zwischen Kirchen- und Bürgergemeinde voranbringen sollten. Zu den finanziellen Vorstellungen im Jahre 1995 sagt Walter Ludwigs heute lächelnd: „Das war eine der vielen Illusionen, die man braucht, um so etwas anzugehen.“ Knapp 80.000 Euro habe der Verein in den vergangenen 19 Jahren erwirtschaftet, während der Um- und Ausbau des Gotteshauses – eine „Notkirche“ aus dem Jahre 1951 – auf 2 Millionen Mark veranschlagt war. Der konnte mit Mitteln des Kirchenverbandes und aus anderen Töpfen der Kirchengemeinde bewerkstelligt werden. Nun leuchtet die Kirche auf Wunsch der Lindenthaler Bürger wieder im Rot des ursprünglichen Backstein-Baus, unter anderem wurden die Räume hinter dem Chor und der Eingangsbereich erneuert, die Inneneinrichtung freundlicher und zweckmäßiger gestaltet. Zusätzlich schuf Professor Werner Pokorny neue Prinzipalstücke und die 2011 eingeweihte Kreienbrink-Orgel ist auch schon fast abbezahlt. Dafür sei man, selbstverständlich unter Mitwirkung des Forums, so Ludwigs, „kötten“ gegangen.

1997: Ausstellung mit Transsexuellen
Allerdings sei die Durchführung kirchenfüllender – und damit finanziell ertragreicher – „Events“ auch nie die Absicht des Forums gewesen, erklärt Walter Ludwigs. Stattdessen bescheinigte Manfred Kock den Lindenthalern, dass sie mit Theater-Aufführungen, Lesungen, Vorträgen, Ausstellungen und Konzerten regelmäßig „konkrete gesellschaftliche Herausforderungen“ thematisiert hatten, ob es sich nun um wissenschaftlichen Machbarkeitswahn, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt, eine veränderte Medienlandschaft oder den interreligiösen Dialog gehandelt habe. Doch auch mit „sperrigen“ Themen konnte das Forum hin und wieder eine größere Zahl von Besuchern anlocken, wie Ludwigs berichtete. Eine Ausstellung mit Fotos von 25 Transsexuellen im Jahre 1997 etwa wollten in drei Wochen mehr als 2.700 Menschen sehen. Lebhaft ging es in der Kirche natürlich auch zu, wenn Walter Ludwigs wieder einmal Kunstpädagogen der umliegenden Schulen angesprochen hatte und die Schüler ihre persönliche Sicht von Begriffen wie „Vergänglichkeit“ ausstellten.

Noch zwei Termine im Juni und Juli
Nun stehen noch zwei Termine an. Die Lesung am Montag, 30, Juni, wenn Bernd Hahn ab 20 Uhr Auszüge aus „Der Steile Pfad zum Himmel“ von Andrzej Szczypiorski vorträgt, ist eine Wiederaufnahme der ersten Veranstaltung vom 3. Oktober 1995, als der polnische Autor selbst zugegen war. Und am Freitag, 4. Juli, öffnet das Forum mit der Finissage zu den „Menschenbildern“ ab 18 Uhr zum letzten Mal seine Pforten.

Text: Hans-Willi Hermanns
Foto(s): Hans-Willi Hermanns