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Eine bemerkenswerte Publikation von Barbara Becker-Jákli: Das „Israelitische Asyl“ in Köln.

Das 1869 eingeweihte jüdische Krankenhaus gehörte zu den modernsten Anstalten seiner Zeit in Köln. Zunächst im Severinsviertel zwischen Silvan- und Annostraße gelegen, genoss das jüdisch gestiftete, aber überkonfessionell ausgerichtete „Israelitische Asyl für Kranke und Alterschwache“ eine große Wertschätzung auch bei Nichtjuden. Sie machten um die Jahrhundertwende rund achtzig Prozent der Patienten aus. Nachdem trotz zweimaliger Erweiterung die Gebäude mehr als ausgelastet waren, ging man in den 1890er Jahren an die Konzeption eines Neubaus. Nach einer wiederum großzügigen Schenkung 1908 auf einem weitläufigen Areal an der Ottostraße im Stadtteil Ehrenfeld eröffnet, entsprachen dessen Einrichtungen laut dem langjährigen leitenden Arzt Dr. Benjamin Auerbach „den höchsten Anforderungen der zeitgenössischen Medizin an Technik und Hygiene“. Zudem blieb das Asyl mit seinem Kranken- und Infektionshaus, Alters- und Schwesternheim sowie Wirtschafts- und anderen Gebäuden „wichtigste Instanz jüdischer Selbsthilfe in Köln“. Bis zum 1. Juni 1942, wo es von den städtischen Behörden beschlagnahmt und geräumt wurde. Das jüdische Personal, jüdische, teils schwerkranke Patienten und betagte Bewohner inhaftierte man zunächst im Lager Müngersdorf. Von dort wurden sie deportiert. Fast niemand überlebte.

Barbara Becker-Jákli hat die Geschichte der einst bedeutendsten Sozialeinrichtung der jüdischen Gemeinde in Köln nun erstmals in diesem Umfang dargestellt. Dass ihre Studie relativ ausführlich ausfällt – darauf konnte die promovierte Historikerin zu Beginn der Recherchen nicht hoffen. Zu dürftig schien nach der wohl 1942 erfolgten Vernichtung des Asylarchivs und dem Verlust des einstigen jüdischen Gemeindearchivs die Quellenlage. Doch die wissenschaftliche Mitarbeiterin im städtischen NS-Dokumentationszentrum, die bereits grundlegende Werke zur protestantischen wie jüdischen Geschichte Kölns publiziert hat, machte nach und nach andere aussagekräftige Unterlagen ausfindig. Sie wertete Dokumente in deutschen wie internationalen Archiven aus, Zeitzeugenberichte, private Bestände und Nachlässe. Darunter auch Fotografien von Hans Schiff, einem Schüler von August Sander, sowie umfangreiches Bild- und Schriftmaterial aus dem Besitz der 1939 emigrierten und 1972 verstorbenen Krankenschwester Rosa Rauner.

Die immense Fülle an Informationen ist übersichtlich gegliedert und anschaulich aufbereitet. Dazu trägt unter anderem bei, dass Becker-Jákli zahlreiche Passagen aus Schriften, Akten und Berichten im Wortlaut einbaut, die Quellen selbst „sprechen“ lässt. Ihr ist zu danken, dass sie die spannende Entwicklung und Tätigkeit des Asyls, dessen „Innenleben“, Wirken und Schicksal der Ärzte und Medizinerinnen, Krankenschwestern und -pfleger nicht isoliert betrachtet. Vielmehr stellt sie die Einrichtung, wo möglich, in einen zeitgenössischen, thematischen Kontext. Sie ordnet ein, zieht Vergleiche etwa zu anderen Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege. Damit leistet die Historikerin nicht nur einen weiteren wichtigen Beitrag zur lokalen und regionalen jüdischen Geschichte, sondern ebenso zur Erforschung des Gesundheitswesens, der Armen- und Krankenversorgung in Köln und dessen Umland.

Becker-Jákli versäumt es nicht, abschließend auf die Nutzung des historischen Ortes an der Ottostraße seit Kriegsende einzugehen. Nach der gewaltsamen Räumung des Asyls 1942 hatte die Stadt dort das „Hilfskrankenhaus Köln-Ehrenfeld“ für „deutsche Kranke“ eröffnet. In den nicht durch Bombentreffern zerstörten Gebäuden richtete die neu konstituierte jüdische Gemeinde Ende Mai 1945 für einige Jahre ihre Verwaltung, einen Betsaal und Quartiere für jüdische Überlebende und Flüchtlinge ein. Anfang der 1950er beschlagnahmte die britische Militärregierung einen Teil des Geländes mit dem Hauptgebäude für ein „belgisches Standortlazarett“, das 1995 mit Abzug der belgischen Truppen aufgegeben wurde. Kurz darauf unterbreitete die Synagogen-Gemeinde erste Vorschläge für eine weitere Nutzung des Areals. Nach langen Jahren der Planung befindet sich dort heute das Jüdische Wohlfahrtszentrum mit Verwaltung und Sozialabteilung der Gemeinde, mit Elternheim, Grundschule, Kindertagesstätte und einer Synagoge.

Barbara Becker-Jákli: Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelistischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869-1945, Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Band 11, geb., 530 Seiten mit 260 Abb., Emons Verlag, 28,50 Euro, ISBN 3-89705-350-0.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich