Herr Sparbier-Conradus, Sie sind Synodalbeauftragter für Umweltfragen im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch und sind derzeit in Vorbereitungen für die Begleitung des „Ökumenischen Pilgerweges für Klimagerechtigkeit“, der am 28. Oktober durch das Kölner Stadtgebiet führen wird. Warum ist Klimapolitik ein Top-Thema für die Kirchen – kümmern sich denn nicht schon Greenpeace und zahlreiche andere Natur- und Umweltschutzorganisationen kompetent und lautstark darum?
Hanno Sparbier-Conradus: Wir leben erstmals in einem Zeitalter, in dem die technischen Mittel so machtvoll sind, dass ethisches Versagen der Besitzenden und Entscheidungsträger die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstören können. Menschen, Mitgeschöpfe, Energie, Nahrungsmittel, Wasser und Rohstoffe sind zu bloßen Objekten im globalisierten Kräftemessen geworden. „The winner takes it all“: um den Preis von Ausbeutung und Raubbau, Kriegen und Migration. Christinnen und Christen haben daher aus gutem Grund stets das ethische „Gesamtpaket“ aus Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im Blick. Etliche Teilaspekte aus diesem Paket sind Gegenstand von Klimapolitik, in der die Kirchen dann ja auch mit Natur- und Umweltschutzorganisationen gemeinsam unterwegs sind.
Nachgefragt, was genau haben denn die beiden Kirchen, sagen wir es salopp: dem Klima und den Menschen, die das Klima retten wollen, an Unterstützung und Anregung zu bieten, die sie so woanders nicht finden? Wo sehen Sie inhaltlich den genuin „christlichen Impuls“?
Hanno Sparbier-Conradus: Alle Aktivitäten, das Klima vor irreversiblen Schäden zu retten, unterliegen stetigen Angriffen und Zweifeln, ob es denn nötig sei oder nicht ohnehin zu spät. Christinnen und Christen handeln aus einer anderen Perspektive: Sie stehen mit Gott im Bund und lieben und bewundern seine Schöpfung. Sie haben die Zusage, dass Gott das Werk seiner Hände nicht preisgeben wird – ein starker Impuls, aus dem Kraft und Verantwortung erwachsen.
Ganz konkret und praktisch, was macht das besondere Angebot aus? Sie haben ja kürzlich den Klimapilgerweg als „einen einzigen langgezogenen Kirchentag“ bezeichnet. Was erwartet denn da die müden Wanderer: Papphocker am Wegesrand, Musik, Event, Gottesdienst und jede Menge Diskussion?!
Hanno Sparbier-Conradus: Zwar hoffen alle Akteure auf ruhiges Herbstwetter, aber Papphocker könnten Ende Oktober schnell vom Winde verweht werden. Ansonsten werden sie in der Tat viele Elemente eines Kirchentags vorfinden wie spirituelle Impulse, Informationen, Aktionen und Kommunikation im öffentlichen Raum. Wichtig ist die Botschaft an die Politiker der UN-Klimakonferenz in Paris, dem Ziel des Pilgerwegs: Kein weiteres Aussitzen, keine taktischen Blockaden und gegenseitigen Schuldzuweisungen mehr! Ein rechtlich verbindliches und faires Klimaabkommen – jetzt!
Gehen wir noch ein Stück tiefer ins Detail, in der Konzeption des Ökumenischen Pilgerweges für Klimagerechtigkeit ist von „Kraftpunkten“ und „Schmerzpunkten“ die Rede, die entlang des Weges besucht werden. Das klingt schon irgendwie spirituell – hinter den Begriffen verbergen sich dann Orte wie ein Fernwärmetunnel, eine nach ökologischen Gesichtspunkten geplante Kirche oder ein Chemiewerk… Was hat es damit auf sich?
Hanno Sparbier-Conradus: An Kraftpunkten sind Beispiele zu erleben, die den richtigen Weg zum nachhaltigen Handeln zeigen, ganz nach dem Motto des Pilgerwegs „Geht doch!“. So steht etwa ein Fernwärmetunnel für ein hocheffizientes Konzept, bei dem Strom im Verbund mit Wärme erzeugt wird. An Schmerzpunkten erfahren wir die Baustellen im Sinne von „Geht noch nicht“. So wird uns zum Beispiel in Leverkusen die „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ berichten, was im Sinne ihres Mottos „Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze – weltweit!“ zu tun ist. Selbst Kraftpunkte wie die gerade erst 2013 errichtete, ökologisch geplante Holzkirche in Köln-Stammheim bleiben aber immer der Veränderung ausgesetzt. Aufgrund der rasanten Entwicklung auf dem LED-Sektor bietet sich dort bereits jetzt eine Überprüfung an, ab wann eine energieeffizientere Beleuchtung sinnvoll ist.
Pfiffig finde ich ja die Idee, an einer Station, dem Paracelsusplatz in Köln-Flittard, an die Bedeutung des Golfstroms für unser Weltklima zu erinnern, indem sich die Pilger bewusst werden, dass Sie hier gerade auf demselben Breitengrad wie Städte in Kanada oder in Sibirien Station machen – da kommt das Globale mit dem Lokalen originell zusammen: Gibt es da weitere Beispiele?
Hanno Sparbier-Conradus: Dazu bietet das Internet eine Fülle von Informationen. Meist liegt der Aha-Effekt darin, dass Ortsnamen für uns mit keiner genauen Vorstellung von ihrer geografischen Lage verbunden sind. Wer außer italienischen Auswanderern käme schon auf die Idee, New York auf demselben Breitengrad wie Neapel zu suchen?
Herr Sparbier-Conradus, eine persönliche Schlussfrage: Seit Jahrzehnten nun engagieren Sie sich ehrenamtlich in Ihrer Kirche, mit ungezählten Stunden Ihrer kostbaren Lebenszeit: Was treibt Sie als Mensch an, was gibt Ihnen selbst das eigene großzügige Zeit-Geschenk, das Sie „Kirche & Umwelt“ so ausdauernd machen?
Hanno Sparbier-Conradus: Es gibt – ich glaube, vom früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber – eine prägnante Definition, was einen guten Gottesdienst ausmacht: Spiritualität, Gemeinschaft, Lebenssinn. All das erlebe ich zusammen mit anderen „Kirchen-Ökos“ aus nah und fern immer wieder auch im Alltag und kann dieses Engagement daher nur weiterempfehlen!
Herr Sparbier-Conradus, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Die Fragen stellte Günter A. Menne, Leiter des Amtes für Presse und Kommunikation des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region.
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