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Beim touristischen Rundgang stehen die Orte im Mittelpunkt. Beim Stadtpilgern geht es um den Weg selbst.

Ein spiritueller Weg durch Köln – Stadtpilgern

Die Stadt als Erlebnisraum des Glaubens zu erschließen und dabei der Christusgegenwart auf die Spur zu kommen: Das ist das Ziel des Projekts Stadtpilgern in Köln. Der Leiter der Arbeitsgruppe, Martin Horstmann, beschreibt im Interview, wie das Pilgern durch die Kölner City funktioniert.

Dr. Martin Horstmann ist Studienleiter der Melanchthon-Akademie in Köln.

Herr Horstmann, Sie haben einen Pilgerweg durch die Kölner Innenstadt ausgearbeitet. Wer pilgert, will doch mal aus dem Alltag aussteigen, sucht bewusst Ruhe und Kontemplation in der Natur. Wie geht das in der Kölner City?

Ja, man geht zum Pilgern normalerweise in die Natur. Oft haben Sie dazu erst mal eine Anfahrt, benötigen einen oder mehrere Tage für eine Pilgertour. Das ist im Alltag aber nicht immer möglich. Wir wollen es deshalb bewusst kurz machen und da anbieten, wo die Menschen schon sind. Innere Einkehr und Besinnung sind auch bei einem Gang durch die Stadt möglich. Das ist die Grundidee.

Der Stadtpilgerweg führt zu elf Stationen, darunter die Antoniterkirche, aber auch die Hohenzollernbrücke und die Nord-Süd-Fahrt. Was macht solche Orte zu spirituellen Zielen?

Wenn Sie in der Natur pilgern, gehen Sie nicht von Kirche zu Kirche, sondern nehmen das auf, was gerade am Weg liegt – ein Baum, eine Wegkreuzung. Genau das machen wir hier auch. Der Stadtpilgerweg führt zu Orten, die eine spirituelle Topographie haben, die für etwas Bestimmtes stehen: die Brücke, der Brunnen, der Innenhof. Das sind fast schon archaische Bilder, die in den Menschen etwas auslösen. Damit haben wir gearbeitet.

Wie findet man den spirituellen Blick in der City, wenn um einen herum der Verkehr tobt und viele Menschen unterwegs sind?

Wir haben in unserem Pilgerführer zu jeder der elf Stationen drei kleine Impulstexte geschrieben. Der dritte, Einladung genannt, ist jeweils mit einer Frage oder kleinen Übung verbunden. Zum Beispiel: „Wie ist dein Tempo im Vergleich zur Fließgeschwindigkeit des Rheins? Mit welchem Tempo fließt deine Lebenszeit zurzeit?“ Unsere Idee ist, dass Pilgernde über diese Fragen zu spirituellen Erkenntnissen  kommen. Wir möchten den Blick auf diese Einladungsakzente lenken. Es ist eine Achtsamkeitsübung unter erschwerten Bedingungen, wenn um einen herum Leute wuseln und Verkehr lärmt. Aber davon muss man sich ja nicht abhalten lassen, innerlich einer Frage nachzugehen. Es ist vielleicht ein bisschen schwieriger als in der Natur, wo man leichter zu einer kontemplativen Haltung findet. Aber das heißt nicht, dass es in der Stadt nicht geht.

Was unterscheidet Stadtpilgern von einem touristischen Rundgang zu interessanten Orten in Köln?

Beim touristischen Rundgang stehen die Orte im Mittelpunkt. Beim Stadtpilgern geht es um den Weg selbst. Wir haben Stationen ausgewählt, die sich deutlich von einer Touristenführung unterscheiden. Wer sich darauf einlässt, kann sehr viel mitnehmen von dem, was Köln ist. Der Stadtpilgerweg führt zum Beispiel bewusst am Dom vorbei. Wir lenken den Blick auf die Erde, auf den Taubenbrunnen vor dem Dom. Der ist unscheinbar aber sehr schön gestaltet. Oder die Marienkapelle „Madonna in den Trümmern“ im Museum Kolumba. Dort wird das spirituelle Thema der Stadt Köln deutlich: Zerstörung und Bewahrung. Die Marienfigur ist bei den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg heil geblieben. Das war ein Hoffnungszeichen für die Kölner. Viele kennen diese Kapelle gar nicht.

Wen soll das Stadtpilgern ansprechen?

Zum einen Besucher und Touristen, die Köln mal anders sehen wollen. Zum anderen die Menschen, die hier wohnen und die Lust haben, eine andere Spur zu gehen. Denn hier gibt es viele spirituelle Punkte – zu entdecken oft erst auf den zweiten Blick.

Wie lange dauert der Pilgerweg durch Köln? Wieviel Zeit muss man mitbringen?

Ich empfehle etwa zwei Stunden. Sie können dann in gemächlichem Tempo gehen, immer wieder an den Stationen innehalten, den dazugehörigen Text im Pilgerführer lesen und darüber nachsinnen. Sie können auch schneller oder langsamer gehen oder nach fünf Stationen aufhören. Das ist völlig frei.

Wie entstand die Idee zu dem Stadtpilgerweg?

Das ging von Landespfarrer Christoph Nötzel vom Zentrum für Gemeinde und Kirchenentwicklung der Evangelischen Kirche im Rheinland aus. Er hatte in norddeutschen Städten solche Pilgerwege entdeckt. Wir wollten mal sehen, ob das Stadtpilgern auch in Köln funktioniert. Und vielleicht vervielfältigt sich die Idee ja noch in anderen Städten.

Wo gibt es konkrete Angebote zum Stadtpilgern?

Wir planen regelmäßige liturgische Angebote in der Antoniterkirche, dort können sich Pilgernde treffen und über ihre Erfahrungen austauschen. Wer daran Interesse hat, kann sich schon mal bei uns melden: anmeldung@melanchthon-akademie.de. Sie bekommen dann die Infos für die Veranstaltung und die Broschüre „Stadtpilgern“. Die Broschüren liegen auch in der Antoniter Citykirche und der Melanchthon-Akademie aus.


Die Broschüre „Stadtpilgern in Köln“ wird herausgegeben vom Evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte. Erarbeitet wurde sie von einem Redaktionskreis in Kooperation mit der Melanchthon-Akademie, der Antoniter Citykirche und dem Zentrum für Gemeinde und Kirchenentwicklung der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Text: ekir.de / Ulrike Klös
Foto(s): Evangelischer Kirchenkreis Köln-Mitte, Melanchthon-Akademie