Der eine ist ein Ur-Kölner, der andere ein „gefühlter“ Imi aus Dortmund. „Rheinländer und Westfalen, das ist furchtbar, aber es geht“, meinte einmal der Kabarettist Jürgen Becker. Dass es keineswegs furchtbar ist, sogar, wenn man zusammen geht, das zeigten nun Stadtführer Günter Leitner und Gerd Krebber bei ihrem amüsanten Zwiegespräch während einer Stadtteilführung in der Reihe „Wie ich Köln sehe“.
Krebber zeigt „sein Sülz“
Auf Einladung der AntoniterCityTours zeigen Prominente die Veedel, in denen sie wohnen. Der gebürtige Dortmunder Krebber lebt seit einigen Jahren an der Gerolsteiner Straße und zeigte „sein Sülz“. Krebber hat sich in vielen WDR-Fernsehbeiträgen, etwa über Kneipen in Köln und im Umland, einen Namen gemacht. Darin zeigt er sich des rheinischen Dialekts – trotz westfälischer Herkunft – durchaus mächtig: „Das ist wie im Ausland. Da freuen sich die Leute doch auch, wenn man ein bisschen ihre Sprache spricht.“ Die rund zweistündige Führung startete vor der Kirche St. Karl Borromäus an der Redwitzstraße. Die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Dominikus Böhm erbaute Kirche ist ein für jene Jahre typischer Ziegelbau. Die Fenster schuf Georg Meistermann in schlichten grauen Tönen. Eines zeigt den Heiligen Laurentius, der als Märtyrer auf einem Rost über einem Feuer zu Tode kam. „Der wird heute von einigen dubiosen Grillfreunden als Schutzpatron des Barbecue verehrt“, merkte Leitner mit einem süffisanten Lächeln an.
Angeln, Lakritz und Mieder
Nachdem Sülz lange Zeit im toten Winkel der Geschichte gelegen hatte, erlebte das Viertel dank der Investitionen des Unternehmers Heinrich Wagner Mitte des 19. Jahrhunderts einen ersten Aufschwung, berichtete Leitner. In dieser ersten Entwicklungsstufe ab 1845 siedelten sich zunächst kleine Gewerbebetriebe und Fabriken im Bereich zwischen Sülzburg- und Ägidiusstraße an, daraus folgte ein enormer Bevölkerungszuzug. In Sülz gab es Maschinenfabriken und Spinnereien; es wurden Fahrräder, Motorräder, Autos und Tabakverarbeitungsmaschinen gebaut, Goldleisten, Buchdruckerschwärze, Möbel, Bogenlampen, Bürsten, Lacke, Lakritz, Zigarren, Angeln und Mieder hergestellt und Brot gebacken. Auf diese Weise entstand die seinerzeit für Sülz typische Mischung aus Wohnen und Arbeiten. Die Gebäude vieler Betriebsstätten sind heute noch erhalten. Nach diesen einleitenden Worten in der angenehm temperierten Kirche ging es hinaus auf die Straßen von Sülz, die übrigens nach der Eingemeindung durch Köln 1888 allesamt umbenannt wurden. „Eine Kaiserstraße hatte man in Köln ja schon“, erklärte Krebber.
„Ring frei, jetzt komme ich!“
Vor einem dunkellila gestrichenen Haus an der Palanter Straße mit einem prächtig blühenden Hibiskus hielt die Gruppe an. „Das war das Geburts- und Wohnhaus von Peter Müller. Der Boxer wurde aber von allen nur ,Müllers Aap‘ genannt“, sagte Krebber und stimmte mit Leitner einen Schlager an, mit dem sich „de Aap“ in den Charts versucht hatte: „Ring frei zur nächsten Runde, Ring frei, jetzt komme ich.“ Leitner erzählte eine Anekdote, die er persönlich mit dem Boxer erlebt hat. „Ich bin mal auf dem Weg zur Uni bei Rot über eine Straße geradelt. Ein Mercedes-Fahrer hupte wie verrückt, und ich habe ihn angemeckert. Daraufhin ist mir der gefolgt und wollte mich schneiden. Am Kartäuserwall konnte ich mich in eine Einbahnstraße retten. Da stieg Peter Müller aus dem Mercedes und rief mir nach: ,Du Feigling!'“
Die frühe Autoindustrie
Nach der ehrfurchtsvollen Betrachtung des Altarraums von St. Nikolaus zog die Gruppe ganz irdisch zum mittlerweile aufgegebenen Geschäft „Eisenwaren Bosen“, gegründet 1875. „Hier konnte man noch Nägel und Schrauben einzeln kaufen“, erinnerte sich Krebber. Und überhaupt die Wirtschaft in Sülz. Hier gab es beispielsweise auch eine Autoindustrie. Gebaut wurde der berühmte Priamus. Und an der Lotharstraße wurden in dem Gebäude, in dem heute die Volkshochschule untergebracht ist, in großem Stil Strohhüte produziert. Regelrecht in Rage gerieten die Herren auf der Sülzburgstraße. Dort hat der Arbeiter Samariter Bund in bester Wohnlage eine Häuserzeile in Büros verwandelt. „Das ist Wohnraumverschwendung pur“, schimpften Krebber und Leitner gemeinsam.
Fassade des Tersteegenhauses
Vor dem evangelischen Tersteegenhaus erklärte Leitner die Fassade, die im oberen Teil konkav geschwungen ist. „Konkav?“ fragte Krebber. „Dass das hohl heißt, müsstest gerade Du doch eigentlich wissen“, entgegnete Leiter mit einem breiten Grinsen. Rheinländer und Westfale – das passt schon.
Foto(s): Stefan Rahmann