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Ein Ort für die Jugend – 50 Jahre übergemeindliche Jugendarbeit

Der 19. Oktober 2011 war der große Tag, an dem „50 Jahre übergemeindliche Jugendarbeit“ in Köln und Umgebung gefeiert wurde, ein halbes Jahrhundert lang geleistet von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Evangelischen Jugendpfarramts und all den Menschen, die in dieser Zeit als Jugendpfarrer, Jugendreferent oder Jugendleiter für die vier Kirchenkreise und direkt vor Ort, in den Gemeinden, den Jugendtreffs und Jugendclubs gearbeitet haben, immer tatkräftig unterstützt von zahlreichen ehrenamtlich Engagierten. An diesem Tag ging es zunächst eher wissenschaftlich-wortreich – aber mit klarem Blick auf die Zukunft – zu: „Wie sieht evangelische Kinder- und Jugendarbeit künftig aus, und was wird ihre Rolle sein angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen, die wir derzeit beobachten?“ war eine der Fragen, die der Fachkongress „Forever Young – Jugendarbeit am Puls der Zeit“ vor- und nachmittags beantworten helfen wollte. Etwa in der Diskussion über und mit dem Vortrag von Dr. Gudrun Quenzel, Soziologin und Co-Autorin der Shell-Jugendstudie 2010: „Prädikat: Besonders wertvoll“. Oder mit Prof. Dr. Klaus Kocks, Kommunikationswissenschaftler und Inhaber der Cato-Sozietät, der einen Blick auf die Veränderungen im Kommunikationsverhalten Jugendlicher warf und daraus Konsequenzen für eine erfolgreiche Jugendarbeit ableitete. Am Abend luden die Verantwortlichen zum großen Festakt mit Laudatoren wie Prof. Klaus Schäfer, Staatsekretär im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW oder Hans-Werner Bartsch, Bürgermeister der Stadt Köln. In einer Talkrunde zwischen dem ehemaligen Jugendpfarrer und späteren EKD-Ratsvorsitzenden, dem Pfarrer im Ruhestand Manfred Kock, und der Diplom-Psychologin Regina Kullak, ehemals Jugendreferentin im Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch, konnten die Gäste einen Rückblick auf die bewegte Geschichte der Evangelischen Jugend in Köln und Umgebung werfen.


Es wartet noch viel Spaß auf Kinder und Jugendliche
Es war der ausdrückliche Wunsch von Jugendpfarramts-Leiter Pfarrer Werner Völker, nicht nur „offizielle“ Feier-Programmpunkte zu absolvieren: Unbedingt sollten zu dieser 50-Jahr-Feier auch attraktive Angebote an die eigentliche „Kundschaft“ gemacht werden: die Kinder und Jugendlichen. Die kommen noch die ganze Jubiläumswoche über auf ihre Kosten: mit einem Jugendtalent-Tag, einem „KölnerKonfiKrimi“ als Stadtspiel mit Martin Luther in der Südstadt, der Aufführung eines Jugendmusicals im Zirkuszelt mitten auf der Wiese vor dem Jugendpfarramt in der Kölner Südstadt und einer ganzen Herbstferienwoche voll Spiel und Spaß für Kinder rund um eben dieses Zirkuszelt.

Raum, um Fragen zu stellen
„Junge Menschen müssen und wollen herausfinden, wer sie sind, was ihnen gut tut, was sie glücklich macht im Leben. Und all das ist heute vielleicht sogar schwieriger als in vergangenen Jahrzehnten. Weil die Welt komplexer geworden ist, die Möglichkeiten vielfältiger, weil die Zeit bis zum Erwachsenwerden effektiver genutzt werden muss“, sagte Stadtsuperintendent Rolf Domning in seinem Grußwort zur Eröffnung des Festakts. Und er fuhr fort: „Die Evangelische Jugendarbeit in Köln und Umgebung gibt jungen Menschen seit 50 Jahren den Raum, diese Fragen zu stellen. Sie ermöglicht es, mit anderen Jugendlichen zusammen zu treffen und zu diskutieren, sich zu engagieren für ein friedvolles Miteinander, eine gerechte Gesellschaft oder auch einfach nur, um mal zu chillen, in Urlaub zu fahren oder Sport zu machen.“ Domnings Grußwort kann hier nachgelesen werden.

„Wer in der Jugendarbeit groß geworden ist, ist für die Demokratie eine treibende Kraft“
Seit im Oktober 1961 das „Haus der Jugend“ am Kartäuserwall eröffnet wurde, hat sich so manches geändert. An dem hohen Stellenwert, den Jugendarbeit in gesellschaftlicher Hinsicht wie im Hinblick auf viele persönliche Biografien hat, hat sich allerdings nichts geändert. Das zeigte unter anderem die „Prominenz“, die es sich nicht nehmen ließ, beim Festakt zu erscheinen: Neben Stadtsuperintendent Rolf Domning, Superintendent Dr. Bernhard Seiger und Superintendentin Andrea Vogel erschienen unter anderem Professor Klaus Schäfer und der Kölner Bürgermeister Hans-Werner Bartsch, der unter den vielen Aktivitäten und Projekten des Jugendpfarramts das girlspace, ein Internetcafé für Mädchen und junge Frauen, heraushob. „Heimlich“ sei er aus dem Plenum geflüchtet, um hier ein Grußwort sprechen zu können, verriet Schäfer zu Beginn seiner kurzen Rede, in der er auch Grüße von Ministerin Ute Schäfer überbrachte. „Jugendarbeit ist kein Luxus, sondern notwendig“, betonte er nachdrücklich: „Wer in der Jugendarbeit groß geworden ist, ist für die Demokratie eine treibende Kraft. Sie ist Bildungsarbeit und Prävention“. Schäfer verwies auf die besonderen Herausforderungen, mit denen Jugendarbeit gerade heute zu kämpfen zu habe. So sei es einmalig in der deutschen Geschichte, dass die Jugend in der Minderheit sei. „Es ist heute eine besondere Herausforderung für junge Menschen, sich Zukunft zu erstreiten.“ Schäfer verwies auf einen Prozess, in dem ältere Menschen gerichtlich gegen den Krach eines Kindergartens vorgehen wollten. Dies sei nur ein Symptom für eine neue Situation: Dass bei sinkender Geburtenrate immer mehr Menschen in ihrem Leben gar nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen konfrontiert seien. Deshalb sei die Arbeit des Evangelischen Jugendpfarramts auch heute so besonders wichtig: „Wir müssen Orte haben, wo Kinder sich austauschen können und wo Pädagogen als Berater zur Verfügung stehen“.

Und wie war es früher?
„Wir hatten ein Büro mit zwei Festnetzanschlüssen. Die Protokolle wurden mit der Hand geschrieben, anschließend abgetippt und dann in die Druckerei gebracht. Ich frage mich heute, wie wir das gemacht haben. Trotzdem haben wir ein irres Programm geschafft“. So erinnerte sich Diplom-Psychologin Regina Kullak an die Zeit in den 1980er Jahren, als sie im evangelischen Jugendpfarramt gearbeitet hat und an die Projekte, die immer „alle Sinne ansprachen“. Ein besonderer Gast war Altpräses Manfred Kock. Der spätere Stadtsuperintendent, EKiR-Präses und EKD-Ratsvorsitzende hat seine Kölner Karriere 1970 als erster hauptamtlicher Jugendpfarrer im Verband begonnen und betonte im Interview mit Völker, dem heutigen Leiter des Jugendpfarramts, wie wichtig für ihn die Jahre als Jugendpfarrer gewesen seien. Zentrales Thema zu seiner Zeit? „Die wachsende Drogenproblematik“, meinte Kock: „Deshalb haben wir eine Drogenhilfe gegründet, später als Verein, um freier arbeiten zu können.“ Er erzählte auch von späteren Begegnungen mit Menschen, denen er damals geholfen habe. Wichtig sei außerdem immer gewesen, die Talente der Menschen richtig einzusetzen: „Wir hatten schon damals ein Team hochqualifizierter Fachleute.“ Unnötig zu sagen: Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Begeisterten mit Sketchen und Gesang: Vier jewinnt. In der Mitte: Susanne Hermanns, Jugendreferentin des Kirchenkreises Köln-Nord.

Musik, Kabarett und Fachkongress
Der Abend wurde abgerundet duch mehrere, vom Publikum umjubelte Auftritte von Gospel-Sängerin Adrienne Morgan-Hammond und ihrem Ehemann sowie der Kabarett-Gruppe „Vier jewinnt“. Der Festakt war jedoch weder Beginn noch Endpunkt der Feierlichkeiten aus Anlass des Jubiläums. So wartete der Fachkongress „Forever Young – Jugendarbeit am Puls der Zeit“ bereits zuvor mit 70 ausgewiesenen Fachleuten auf, die aktuelle Fragen evangelischer Kinder- und Jugendarbeit diskutierten. „Einen Kongress von der Größe haben wir hier nicht alle Tage“, meinte Völker, um nach kurzem Innehalten sofort zu ergänzen: „Eigentlich noch nie.“ Den Kongress erlebte er als großen Erfolg: „Er brachte eine Menge Anregungen für Fachkräfte in Gemeinden und an anderen Stellen.“ Er persönlich möchte aber noch nicht sagen, was für ihn dabei herausragte: „Das muss ich erst einmal sacken lassen.“

Noch zu sehen: Fundstücke aus 50 Jahren Jugendarbeit
Es gibt auch eine Ausstellung, zu der – nach einem Aufruf in mehreren Zeitungen von Köln und Region – viele „Ehemalige“, Besucherinnen und Besucher wie Mitarbeitende, begeistert beigetragen haben. Die „Fundstücke aus 50 Jahren Jugendarbeit“ sind noch bis zum 23. Dezember im Evangelischen Jugendpfarramt Köln, Kartäuserwall 24b, zu sehen. Über 200 Exponate aus der langen Geschichte der Evangelischen Jugend in Köln und Umgebung, verteilt auf die drei Etagen des Hauses erzählen hier Geschichten der evangelischen Jugendarbeit in Köln und Umgebung. Die Ausstellung ist montags bis freitags ganztägig zu besichtigen. An den Wochenenden ist das Haus nur unregelmäßig geöffnet.

Pfarrer Werner Völker vor einer Tafel der Ausstellung

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer, AL