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Ein Kölner als Pfarrer in Südafrika: Das Büchlein von Kurt Werner, Pfarrer i.R., jetzt im Internet

Thomas Werner ist seit 1992 Pfarrer an der evangelischen Gnadenkirche in Bergisch Gladbach. Geboren wurde er 1957 in Vanderbijlpark/Südafrika.

Vanderbijlpark?! Ja, denn sein Vater Kurt – 1927 in Köln geboren und ebenfalls evangelischer Pfarrer – wurde 1956 zum ersten Pfarrer des südafrikanischen Ortes gewählt. Und darüber hat Kurt Werner ein Büchlein geschrieben „Als Pfarrer in Südafrika“, in dem er von seiner Arbeit in Südafrika (Vanderbijlpark, Sasolburg, Vereeniging, Potchefstroom und Groenvlei) von 1956 bis 1964 berichtet.

Fundgrube für Unterricht oder Gemeindeabend
Dieses 31 Seiten schmale Büchlein wurde nun von seinem Sohn mit vielen Bildern ins Internet gestellt, außerdem gibt es, wie Thomas Werner sagt, „noch viele Dias und Bilder sowie kleine Filme aus der Zeit“ – das Thema und seine umfangreiche Dokumentation könnte also eine Fundgrube für Gemeindeabende, Schulveranstaltungen oder auch im Konfirmationsunterricht sein.

Die Aufarbeitung  vermittelt ein lebendiges Bild von der Arbeit eines „Kolonialpfarrers“, vor allem ist sie unterhaltsam: „Von der Ankunft in Vanderbjilpark, die gegen ein Uhr in der Nacht stattfand, waren wir sehr enttäuscht. Niemand schien uns erwartet zu haben, nichts war vorbereitet worden.“ (…) Angesichts der „verworrenen und katastrophalen Situation sah ich meine erste Aufgabe darin, die Dame und die drei Herren, die mein Berufungsschreiben unterzeichnet hatten, aufzusuchen und in die Pflicht der Mitarbeit zu nehmen. Nach anfänglichem Zögern und dem Argument: ‚Wir haben doch jetzt einen Pfarrer, der sich um alles kümmern muss‘, willigten sie ein. Sogleich kam aber die Frage, ob ich Geld aus Deutschland mitgebracht habe, denn sie hätten keines, um mein Gehalt zu zahlen. Ich erklärte ihnen, ich hätte 500 DM in der Tasche, die ich durch den Verkauf des Klaviers meiner Mutter erworben hätte. ‚Dann haben Sie ja vorerst genug zum Leben‘, stellten meine Gemeindemitglieder erleichtert fest.“

Ein Stück Zeitgeschichte
Manche von Kurt Werners Anfangs-Schwierigkeiten in seiner neuen Stelle lassen sich leicht nachvollziehen, etwa dieses: „Besonders erschwerend für die Gemeindearbeit war, dass es in meinem Wirkungsbereich kein Einwohnermeldeamt gab, das mir darüber Auskunft hätte geben können, wo und wieviele Deutschstämmige mit welcher Konfession in den Städten Vanderbijlpark, Vereenigung und Sasolburg, also in meinem Pfarrsprengel lebten. So war ich darauf angewiesen, durch fortwährende Besuche bei meinen Pfarrkindern aufgrund vom ‚Hören – Sagen‘ und in mühsamer Kleinarbeit mir die notwendigen Informationen zu verschaffen.“
Andere seiner Beschreibungen sind Zeitgeschichte pur, wie etwa diese Passage, in der er die Situation seiner neuen Gemeindeglieder beschreibt: “ Die unzähligen Gespräche, die ich mit den Menschen dort führte, machten mir ihre Bewusstseinslage, ihren geistigen Standort und ihre persönlichen Probleme verständlich. Nahezu alle waren dem Lockruf, der nach dem 2. Weltkrieg aufstrebenden südafrikanischen Industrie, dem Versprechen guter Entlohnung und bereitgestelltem Wohnraum gefolgt. Sie hofften fern ihrer oftmals verlorenen und zerstörten Heimat eine neue Hoffnung und Existenz zu finden. Die meisten von ihnen waren qualifizierte Facharbeiter, technische Zeichner, Chemiker und Ingenieure, die zum großen Teil auch ihre Frauen und Kinder mitgebracht hatten. Ihr Durchschnittsalter belief sich auf 35 bis 45 Jahre. Ihre Arbeitsverträge waren zunächst auf drei bis fünf Jahre befristet. Sie konnten aber normalerweise nach Ablauf dieser Zeit verlängert werden. Nach den mehr als mageren und trüben Jahren in Deutschland erhofften sie nun – dort unten am Kap der Guten Hoffnung – fette Jahre. Viele träumten davon, dass sie nach zehn oder fünfzehn Jahren harter Arbeit als relativ reiche Leute wieder nach Deutschland zurückkehren könnten. Daher verstanden viele von ihnen ihr Leben in Südafrika, insbesondere zu Anfang ihres dortigen Aufenthalts, nur als eine Zwischenstation. Allein schon aus diesem Grund betrachteten viele von Ihnen die Mitgliedschaft in einer christlichen Gemeinde vor Ort als unnötige und überflüssige Zeit- und Geldverschwendung. Nicht selten hörte ich daher auch das Argument: ‚Wir gehören zur evangelischen Kirche in Deutschland, und das genügt uns.'“ 

Der Apartheid – der damals herrschenden, absoluten Trennung von schwarzen und weissen Menschen in allen Lebensbereichen – hat Kurt Werner ein eigenes Kapitel gewidmet. Wenn er zwar selbst wenig Verständnis für die Heilrituale der Schwarzen aufbrachte, sah er doch, dass sich „Spannungen zwischen den einzelnen Volksgruppen“ anbahnten – ein Problem allerdings, das ihn kaum berührte: „Nie haben meine Familie oder ich böse oder harte Worte im Umgang mit den Schwarzen gehört“, „man war voll damit beschäftigt, hart zu arbeiten und sich eine gesicherte Existenz aufzubauen.“ Auch dies ist Zeitgeschichte, „Eine ‚Antiapartheidsbewegung‘ im eigentlichen Sinn war – so muss man redlicherweise notieren – in meinen Gemeinden damals nicht festzustellen“, schreibt er.
Kurt Werner hatte mit anderen Problemen zu kämpfen, etwa dass er „wenn ich sonntags in allen drei Gemeinden Gottesdienst halten wollte, ca. 300 km zum Teil auf Feldstraßen zurücklegen musste“.

Sein Fazit: „Die acht Jahre im südlichen Afrika haben unsere ganze Familie sehr geprägt. Ein starkes Selbstbewußtsein ist in uns gewachsen. (…) Das erste Gebot der erfolgreichen Gemeindearbeit lautet: Selber mit anpacken, nicht nur reden, keine Angst vor der Arbeit haben, auch nicht vor der körperlichen. Daneben ist für eine erfolgreiche Tätigkeit aber auch die Freundlichkeit gegen jedermann, besonders im täglichen Umgang, unerlässlich.“

Wer Kurt Werners Büchlein nicht nur am Bildschirm verfolgen möchte, kann sich die 31 Seiten hier aus einer pdf-Datei ausdrucken lassen.

Text: Al-Mana
Foto(s): Werner