You are currently viewing Ehrenamtstag im Kirchenkreis Köln-Nord mit „Soundtrack des Lebens“

Ehrenamtstag im Kirchenkreis Köln-Nord mit „Soundtrack des Lebens“

Keine Chance für schlechte Laune an diesem Samstagvormittag. Da mussten die rund 35 Ehrenamtlichen in der Erlöserkirche in Köln-Weidenpesch einfach mitgehen, mitsingen. Und das taten sie erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass nur wenige von ihnen in Chören aktiv sind.

Singgemeinschaft: Unkompliziert und doch anspruchsvoll
Mit seiner natürlichen Fröhlichkeit steckte Kantor und Organist Jens Peter Enk die größere Runde förmlich an. Sein begeisterndes Sprechen über ausgewählte geistliche Lieder, sein behutsames, verständliches Heranführen zu deren Noten und Texten, sein Reflektieren über Eigenschaften einzelner Stücke fand offene Ohren. Spielerisch, unkompliziert und dabei doch anspruchsvoll gelang es dem Leiter der Arbeitsstelle Kirchenmusik der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), angesiedelt im Theologischen Zentrum Wuppertal, die Teilnehmenden zu einer weitgehend harmonischen (temporären) Singgemeinschaft zusammenzuführen.

„Die Reformation war eine Singbewegung“
Mit Enks Workshop startete der Ehrenamtstag des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord. Er stand unter dem Motto „Singen befreit!“. Die Organisation für diesen „Tag rund um den Gesang im Alltag und in der Gemeinde“ hatten die Synodalbeauftragten für das Ehrenamt inne, die Pfarrerinnen Sybille Noack-Mündemann und Susanne Zimmermann sowie Presbyterin und Prädikantin Margit Seimel. Im Namen der drei begrüßte federführend Susanne Zimmermann, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mauenheim-Weidenpesch, Frauen und Männer aus den 15 Gemeinden des Kirchenkreises. „Singen macht glücklich“, stellte sie fest. Es vermittle ein besonderes Lebensgefühl und könne auch vorbeugend gegen Krankheiten wirken. Und, wesentlich: „Das Singen ist ein Kennzeichen der Protestanten. Die Reformation war eine Singbewegung.“

Lieder als Protest und Gassenhauer
Die evangelische Kirchenmusik, deren Lieder die Botschaft von der Freiheit des Evangeliums vermittelten, sei aber nicht nur als Protest zu verstehen, sondern beinhalte auch Gassenhauer, so Zimmermann. Dass Deutschland als Land der Singenden und Chöre gelte, habe sehr viel mit der Reformation zu tun. So zähle man allein in der Evangelischen Kirche in Deutschland über 20.000 Kirchenchöre. Sie zitierte den ehemaligen Präses Nikolaus Schneider, nach dem alles gewonnen sei, „wenn Menschen zusammen sind und dem Herrn ein neues Lied singen“. Die Reformation sei eine Protestbewegung durch das Singen, und Protestanten seien an ihrem Gesang erkennbar gewesen. „Das wollen wir wiederbeleben“, betonte die Pfarrerin. Im Vorbereitungskreis habe man mit Blick auf das Jahr der Kirchenmusik 2012, in dem die EKiR eine kirchenmusikalische Stafette durch ihre Kirchenkreise initiiert hatte, gedacht: „Das kann doch jetzt nicht zu Ende sein.“ Vielmehr wolle man im Kirchenkreis Köln-Nord, wo die letztjährige Stafette eine gute Resonanz erfahren habe, das Interesse am geistlichen Gesang wach halten und weiter fördern.

Vom Tag „noch lange ein Lied singen“
Superintendent Markus Zimmermann – auch er hatte als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mauenheim-Weidenpesch ein „Heimspiel“ – hieß die Gäste im Namen des Kirchenkreises Köln-Nord willkommen. „Heute sollen Sie singen und auch fröhlich sein.“ Er hoffe, dass sie ermutigt und gestärkt würden für die ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde. „Sie tragen die Kirche, Sie sind der größte Schatz, den wir in der Kirche haben.“ Deshalb freue er sich, wenn sie „von diesem Tag noch lange ein Lied singen können“.

Luther: Musik ist eine Gabe Gottes
Pfarrer Jörg Heimbach setzte an den Beginn seines theologischen Impulses ein Zitat des Jesuiten Adam Contzen. 1620 behauptete dieser aus katholisch-gegnerischer Position: „Luthers Lieder haben mehr Seelen verdorben, als alle seine Schriften und Predigten.“ Nach Luther, so Heimbach, sei Musik eine Gabe Gottes. Sie vertreibe den Teufel und mache die Menschen glücklich. Dem Reformator sei die Bezeichnung „Wittenberger Nachtigall“ zuteil geworden, weil er das Evangelium als singende Verkündigung verstanden habe. Luther habe gesagt: „Die Noten erst machen den Text lebendig, die Musik verjagt den Geist der Traurigkeit.“

Bachs Musik als Überlebenskunst
Gemeinsam mit Pfarrer Dr. Martin Bock leitete Heimbach am Nachmittag den Workshop „Zur Freiheit befreit“. Darin galt es, „dem Soundtrack des Lebens nachzugehen“, wie Bock formulierte. Der Leiter der Melanchthon-Akademie und Heimbach widmeten sich unter anderem Personen aus der Kirchengeschichte und deren Beziehung zur Musik. Martin Luther etwa, und auch dem „strengen“ Johannes Calvin, der spätestens bei der Musik angefangen habe zu lachen. Johann Sebastian Bachs Musik wurde als Überlebenskunst vorgestellt. So jedenfalls sieht es die Nervenärztin und Psychoanalytikerin Luise Reddemann. Durch seine Kompositionen habe er schwierige Lebensumstände meistern können, so die Trauma-Therapeutin.

Musik lässt Kräfge wachsen
Laut Bock sei Bach ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Musik von Herzensleid zu Herzensfreud führen könne. In ihr liege ein großes Trost-Potenzial auch für Zuhörende. Sie könne in schwierigen Situationen Selbstheilungskräfte aktivieren und Widerstandskräfte wachsen lassen. „Was das Singen mit Bekenntnis und Widerstand zu tun hat“, machten die beiden Referenten anhand des Ehepaars Freya und Helmuth James von Moltke deutlich: Für den inhaftierten, am 23. Januar 1945 in Berlin hingerichteten Widerstandskämpfer, seien die Gesangbuchlieder eine wahre Kraftquelle gewesen. Ein Born für seinen Widerstand. Für seine Frau sei es ein freudiges Zuhören und Lernen gewesen. Schließlich waren die Teilnehmenden aufgefordert, über eigene Erfahrungen zu sprechen, in denen sie eine Befreiung durch Musik erlebt hatten.

Zehn ausgewählte Lieder des Gesangbuchs
„Wir kennen das Evangelische Gesangbuch (EG) zu schlecht“, meinte Kreiskantor Thomas Pehlken. Um dem entgegen zu wirken, lud er in seinem Workshop zum Heben der „Schätze des EG“ ein: „Zur Entdeckung der Kraft der Freiheit im protestantischen und ökumenischen Liedgut“. Im EG sieht er eine lange, in der Antike wurzelnde Tradition versammelt. Anhand von zehn ausgewählten Liedern ab dem vierten Jahrhundert bis heute, zeigte Pehlken, „was man kennen muss“. Jeweils spannend ergänzt um die hinter den Stücken stehenden Geschichten. Beispielsweise gehe Luthers Choral „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ von 1524 (EG Nr. 126) wohl zurück auf einen Hymnus aus dem Jahr 809 des Benediktiners Hrabanus Maurus.

Jugend Gotteslob“ und „Klangfülle“
„Singen hat auch immer etwas mit Bewegung zu tun. Stehen Sie ruhig auf“, bat Enk in seinem Workshop „Ein Segen sein – Singen mit allen Sinnen“. Später bildeten die Gäste einen Kreis um den Referenten. Der saß oder stand am Flügel, ging umher und unterstützte seine Äußerungen mit sparsam eingesetzter Gestik. Die Lieder zum Mitmachen entnahm Enk zwei Büchern. Einerseits griff er zum „in weiten Teilen ökumenisch angelegten“, neu erschienenen „Jugend Gotteslob“. Andererseits stellte er Beiträge aus dem zum bevorstehenden Kirchentag in Hamburg veröffentlichten Liederbuch „Klangfülle“ vor.

Ein Wolken verhangener Jubel
„Das ist aber noch ein Wolken verhangener Jubel“, ermunterte der Kirchenmusiker etwa bei einem „Jubilate“-Stück, die Stimme noch mehr zu heben. Überhaupt beeindruckten seine Erläuterungen und prägnanten Analysen, konstruktiven Kommentare und fein verpackten Korrekturen. „Die Pausen sind wichtig“, lautete ein Hinweis hier. Dort lenkte er die Aufmerksamkeit auf den „persönlichen Soundtrack“ oder die „Klangfülle“ eines meditativen Stückes. Bei einem „etwas rockigeren“ „Gloria“ stellte Enk fest: „Das Lied lädt dazu ein, zu tanzen. Was hält die Gemeinde nicht mehr auf den Sitzen? Es sind der Rhythmus und die harmonische Wendung vor dem Refrain.“ Das Lied steigere sich immer weiter. Und „viel Text auf schnellen Noten“ stelle durchaus ein Problem dar. „Man muss Ihnen ansehen, was Sie singen“, riet er zur Konzentration, zum Hineinfühlen. „Ein Halleluja muss stark klingen.“

Geschenk an die Gemeinden
Zum Abschluss wurde den „Delegierten“ für jede der 15 Gemeinden im Kirchenkreis Köln-Nord ein Exemplar des „Jugend Gotteslob“ mitgegeben.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich