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Echo-Klassik für Christoph Spering

Wenn am 2. Oktober im Konzerthaus in Berlin der Echo-Klassik, ein Musikpreis der Deutschen Phono-Akademie, vergeben wird, gehört auch ein Kölner Kirchenmusiker zu den Geehrten: Christoph Spering, Kirchenmusikdirektor und Leiter der Mülheimer Kantorei/Chorus Musicus, erhält den „Echo Klassik“ in der Kategorie „Chorwerk-Einspielung des 18. /19. Jahrhunderts“ für seine Einspielung von Felix Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Elias“ durch den Chorus Musicus und das Neue Orchester. Auch hier folgte Spering seinem Prinzip einer Orientierung an der historischen Aufführungspraxis.

Herzlichen Glückwunsch, wie verlief Ihr Weg bis zu dieser Ehrung?
Spering: Ich bin seit 1983 in Mülheim als Kantor angestellt und habe den Chor „von Null“ aufgebaut. Die jetzige Mülheimer Kantorei/Chorus Musicus ist erwachsen aus dem damaligen Gemeindechor, das Niveau schraubte sich nach oben, es kamen immer mehr Musikstudenten dazu. Heute ist es ein Chor, der Projekte in Kürze erarbeiten kann.

Wie haben Sie von der Ehrung erfahren?
Spering:
Das Label schlägt einen wegen herausragender Kritiken vor und eine Jury entscheidet. Ich bekam keine Benachrichtigung, das wurde online veröffentlicht. Abgesehen davon wird der Echo in rund 50 verschiedenen Kategorien vergeben.

Was freut Sie besonders?
Spering: Ich freue mich besonders über den Preis, weil es ein Schlüsselwerk der evangelischen Kirchenmusik ist, das jetzt ausgezeichnet wurde. Deshalb sehe ich es nicht als Würdigung meiner Arbeit, sondern für Felix Mendelssohn-Bartholdy , der immer noch zu Unrecht zu wenig in den Konzertsälen vertreten ist, eine Nachwirkung des Verbots durch die Nazis. Dabei hat er eines der großartigsten Oratorien überhaupt geschrieben. Heute sind seine Oratorien bekannt, aber bis auf ein paar „Hits“ („Hebe Deine Augen auf“) im Konzertbetrieb nicht wirklich verankert.

Woran könnte das liegen?
Spering:
Die Leute begeben sich wohl nicht so gerne auf eine Zeitreise in so ein für sie unbekanntes Oratorium. „Der Messias“ oder das „Weihnachtsoratorium“ von Händel, vielleicht noch das Mozart- und Brahms-Requiem, die sind im schlechtesten Sinne populär und werden oft sogar als musikalische Folien im Internet benutzt.

Wie meinen Sie das?
Spering:
Heute morgen beispielsweise finden Sie unter meinem Namen 383 Einträge bei you tube, die wurden alle von Menschen eingestellt, die anderen etwas mitteilen oder zeigen wollen – gerade meine Aufnahme des Mozart-Requiems, das ich vor Jahren aufgenommen habe, wird einfach als Filmmusik für Privatvideos genutzt. Schauen Sie mal rein, zum Beispiel bei „i like to eat rice“. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, aber es ist wichtig zu verstehen, das ist der Umgang mit Musik heutzutage.

Wie kam es zur Einspielung?
Spering:
Die erste Aufführung fand zum Beethovenfest in Bonn 2009 statt, die Einspielung haben wir in der Philharmonie in Essen gemacht. Man braucht für dieses Werk große Säle, im Chor sind schon 90 Personen. Ich habe es bewusst groß besetzt, wie zu Felix-Mendelssohn-Bartholdys Zeiten. Auch sonst habe ich versucht, seine Vorgaben genau zu befolgen, vielleicht hat das zur Nominierung geführt.

Was war bisher anders?
Spering:
Wir benutzen Instrumente aus Felix Mendelssohn-Bartholdys Zeit. Die klingen extremer, also weicher und schroffer. Es galt außerdem, einige Tempi zu reformieren, also manches langsamer, manches schneller zu spielen.

Warum hat man das nicht schon früher gemacht?
Spering:
Ich denke, das kommt aus der Dirigententradition. Manche Dirigenten stellen ihre Person in den Mittelpunkt, wie es Wilhelm Furtwängler begründet hat, andere stellen sich in den Dienst des Werkes.

Hatten Sie bei der Einspielung schon das Gefühl, dass es preiswürdig sein könnte?
Spering:
Ich fand es ganz annehmbar, aber ein Künstler darf nie zufrieden sein.

Letztlich ist es also das Ergebnis von 20 bis 30 Jahren Arbeit?
Spering:
Ja, es ist schön, dass das möglich war, wenn es auch zwischendurch Durststrecken gab. Allgemein ist es selten, dass Ensembles in der protestantischen Kirchenmusik auf einem solchen Niveau arbeiten können, dass so ein Preis möglich wird. Das geht nur, wenn man in der Gemeinde unterstützt wird und in Ruhe etwas aufbauen kann. Aber eigentlich hatte die Kirchenmusik ja bei Luther einen hohen Stellenwert. Ich zitiere den Katholiken Max Reger (Organist und Komponist, frühes 20. Jahrhundert). Der sagte: „Die Protestanten wissen gar nicht, was sie an ihren Chorälen haben“. Die katholische Kirche hat ja sogar protestantische Lieder übernommen. Ich wundere mich immer wieder, auf welch lächerlichem Niveau bei katholischen Großereignissen, zum Beispiel beim Papstbesuch, Musik gemacht wird.

Planen Sie auch eine Aufführung in der Gemeinde?
Spering:
Nein, wir denken schon an die nächsten Projekte, außerdem gibt es die Räume dafür nicht. Aber allgemein ist die Friedenskirche ein Anziehungspunkt für Kulturinteressierte geworden.

Gibt es Werke, die noch auf Ihrer Wunschliste stehen?
Spering:
Ich habe schon alles gespielt, was ich spielen wollte, aber wenn schon, denn schon, würde ich gerne Wagners „Parsifal“ aufführen. Außerdem freue ich mich auf das nächste Gesprächskonzert für Jugendliche am 4. November im Lutherturm in Köln-Mülheim, und am 5. November im Börsensaal in der Stadtmitte. Da erkläre ich sozusagen die Urfassung von Mozarts Requiem.

Sie beschäftigen sich gerne mit weniger bekannten Werken. Was war ihre schönste Entdeckung?
Spering:
Da gibt es kein „Schönstes“. Für bedeutend halte ich die Aufführung der Matthäus-Passion in der Fassung Mendelssohn-Bartholdys.

Wie war die Reaktion in der Gemeinde auf den Preis?
Spering:
Es gab eine tolle Reaktion, mehr als ich erwartet hatte, was mich sehr gefreut hat. Es bringt uns mehr Öffentlichkeit. Last but not least war es eine tolle Leistung von Chor und Orchester, also immerhin 140 Leuten, die auf der Bühne stehen, denen ich hiermit noch einmal danken möchte. Etwa zehn Leute arbeiten außerdem in der Organisation eines solchen Großprojektes mit, aber vor allem die Unterstützung durch die Pfarrer war immer da. Es gab einen Pfarrer, der sang sogar selbst und die Pfarrerin, die nun leider die Gemeinde verlassen hat, versuchte uns wirklich in allen Belangen unter die Arme zu greifen. Also, Sie sehen, ein solcher Erfolg ist vielschichtig und am wenigsten mein Verdienst.

www.musikforum2web.de – Informationen zu Christoph Spering, Chorus Musicus und dem „Neuen Orchester“.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Emil Zander