„Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung und Magnificat“. Ein wenig Pathos schwingt mit, wenn im Turm der Epiphaniaskirche ab sofort die Glocken läuten. Die eingangs erwähnten Begriffe sind die Namen der vier Glocken, die aus der Mauenheimer Philipp-Nicolai-Kirche den Weg nach Bickendorf gefunden haben und nun laut und deutlich unter anderem zum Gottesdienst rufen. Die Philipp-Nicolai-Kirche wird entwidmet, die Mauenheimer Protestantinnen und Protestanten besuchen in Zukunft die Gottesdienst in der neuen Erlöserkirche in Weidenpesch.
2015 begann der Glocken-Umzug. Damals wurde die kleine Magnificat-Glocke in den neuen Turm gehängt. Bis dahin hatte die Epiphaniaskirche keinen Turm. Der Turmbau war Teil der Erweiterung des alten Kirchbaus durch das Architekturbüro Lepel und Lepel. Nachdem die kleine Magnificat also sieben Jahre allein ihr Läutwerk verrichtet hat, ist sie nun in bester Gesellschaft. Pfarrerin Uta Walger erläuterte im Gottesdienst zum Empfang der Glocken das weitere Vorgehen. Alle vier Glocken zusammen wird man nicht so oft hören. Auf jeden Fall an hohen Festen. Man wolle einen Läuteplan aufstellen, sagte Walger. Sie räumte ein, dass das Geläut für den einen oder anderen Nachbarn noch gewöhnungsbedürftig sei. „Einer ist zu mir gekommen und hat gesagt, dass ich aufhören könne. Ich wüsste doch, dass er sowieso nicht kommt.“
Morgens werde man auf das Läuten verzichten, um die Langschläfer zu schonen. Walger erinnerte auch daran, dass es den Grundschulkindern großen Spaß bereitet habe, am Seil der Magnificat-Glocke zu ziehen. Das werde in Zukunft nicht mehr nötig sein, weil es automatisch geschehe. Pfarrerin Susanne Zimmermann, die aus Mauenheim gekommen war, erinnerte an die besondere Beziehung ihrer Gemeinde zu den Glocke. Sie wurde vor 30 Jahren bei der Firma Rincker im Westerwald gegossen. Etliche Gemeindeglieder seien damals dabei gewesen und hätten während des Gießens ein Gebet gesprochen. Uta Walger lud alle Mauenheimer und Mauenheimerinnen ein, sonntags die Epiphaniaskirche zu besuchen und vorher die Glocken zu hören.
Kirchenglocken rufen zum Gebet
Pfarrer Nico Buschmann fragte die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zu Beginn seiner Predigt, was sie im Leben störe. Geräusche, Situationen, Nachbarn? „Ich habe einen Nachbarn, der jeden Tag bohrt. Seit zwei Jahren. Die Wohnung muss aussehen wie ein Schweizer Käse.“ Ob Kirchenglocken stören, wollte Buschmann wissen. Das eben sei doch ihr Zweck. Sie sollen den Alltag stören und zum Gebet rufen. Er erinnerte an zahlreiche Glockenlieder. Sein liebstes ist das später als „Carol of the bells“ bekannte Stück von Mykola Dmytrovych Leontovych, das der als Hoffnungsstück in düsterer Zeit mitten im Ersten Weltkrieg geschrieben habe.
Buschmann ging auch ein auf das Magnificat, das Marienlied. „Preise dem Herrn meine Seele“, heiße es darin. „Ja, Gott war und ist nahbar. Nichts und niemand kann Gottes Liebe zu uns nehmen. Wir sind wunderbar gestaltet. Wir sollten uns betrachten mit den Augen Gottes. Dann werden unsere Probleme gleich ein bisschen kleiner. Und wir gehen etwas beschwingter durch unser Veedel.“ Buschmann verwies auch auf die Inschriften der drei neuen Glocken. „Es braucht die Erkenntnis der Liebe Gottes, dass wir uns für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen können. Dafür sollen die Glocken stören.“
„Glaube ist keine Privatsache“
Der Ukraine-Konflikt, das Sterben der Flüchtenden auf dem Mittelmeer, die Naturkatastrophen: Immer sollten die Glocken stören, „damit wir uns zurückbesinnen auf unsere Aufgaben als Christinnen und Christen. Glaube ist keine Privatsache. Wir wollen Christen nicht nur im Herzen sein, sondern auch in den Taten in dieser Welt.“ Die Glocken sollten an das Heilige erinnern, das immer da sei: „Wie mein Nachbar, der mit seinem Bohren anzeigt, dass er auch noch da ist.“
Foto(s): Stefan Rahmann