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Drei Fragen an Helga Blümel

Familienministerin Manuela Schwesig und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (beide SPD) starten ein Pilot-Projekt. Sie wollen Kitas fördern, die 24 Stunden geöffnet sind. Diese Kindertageseinrichtungen sollen Fördermittel in Höhe von bis zu 200.000 Euro jährlich erhalten – auch wenn die Kinder dort nicht immer 24 Stunden verbleiben sollen, die Rede ist von etwa zehn Stunden.

Das neue Bundesprogramm, das letzte Woche in Berlin vorgestellt wurde, trägt den programmatischen Namen „KitaPlus“ und möchte vor allem flexiblere Betreuungsangebote sichern, um Eltern Zeiten außerhalb der Regelbetreuung von derzeit zwischen 8 und 16 Uhr anbieten zu können.

Halten Sie es für möglich bzw. auch für notwendig, dass Väter und Mütter die Möglichkeit erhalten, ihr Kind in einen Kindergarten zu geben, der 24 Stunden geöffnet ist?

Helga Blümel: Es gibt sicherlich Bedarfe, aber ich bin auch sicher, dass sie überschätzt werden. Es gibt nur sehr wenige Mütter und Väter, die beide nachts arbeiten gehen. Ich glaube, dass es kaum Bedarfe nach einer regelmäßigen 24-Stunden-Betreuung gibt, sondern vielmehr nach einer sporadischen. Ich kenne keine Eltern, die ständig eine 24-Stunden-Betreuung benötigen. Viele haben ihren Arbeitsalltag so geregelt, dass sie keine dauerhafte 24-Stunden-Betreuung benötigen. Etwas anderes ist es am Samstag. Für Arbeitnehmer in Handel und Gewerbe wäre es die richtige Lösung.

Es gab schon solche Modelle, die nur sehr kurz getragen haben, dann sind sie eingestellt worden. Etwa Kitas für das Wochenende.

Was würde dies konkret für die Kita-Einrichtungen des Diakonischen Werks bedeuten, wenn sie 24 Stunden geöffnet wären? Lässt sich das überhaupt umsetzen?

Helga Blümel: Ein solches Modell ist ganz schwer umzusetzen und wird auch sehr teuer. Wir richten uns bei der Bezahlung nach dem BAT, da fallen in den Abend- und Nachtstunden und am Wochenende Zulagen an, die dann nicht von den Zuschussgebern übernommen werden müssen, sondern von den nutzenden Eltern. Das würde ein sehr teures Angebot werden. Auch müssten wir unsere Räume umgestalten, damit die Kinder und die Mitarbeitenden nachts schlafen können. In den meisten Fällen gibt es solche Raumressourcen nicht. Die Frage ist, was mit den 200.000 Euro der Bundesregierung abgedeckt ist und wie lange die Gelder fließen.

Gesetzt den Fall, 24-Stunden-Kitas würden zur Normalität. Was würde sich gesellschaftlich in unserem Land ändern?

Helga Blümel: Ich glaube, dass das ein Stück mehr zur Entrhythmisierung unserer Lebensumstände beitragen würde. Zum Rhythmus einer Familie gehören zum Beispiel das gemeinsame Essen, der Schulbesuch der Kinder, verbindliche Freizeitangebote, regelmäßige Arbeitszeiten der Eltern, freie Wochenenden und Gottesdienstbesuche am Sonntag. Solche verlässliche Zeiten würden dadurch nicht unterstützt werden. Durch einen Rhythmus bekommen Kinder Halt und Orientierung. Fällt er weg, wäre es nicht nur segensreich.

Text: Angelika Knapic
Foto(s): Jürgen Schulzki