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Dr. Ulrich Höver bereitet seine Predigten auch in der Bahn vor

Dr. Ulrich Höver beginnt das Gespräch mit einem flotten Treppenlauf in den fünften Stock des Bürgeramtes im Herzen von Köln. „Man hat ja sonst kaum Bewegung“, meint der drahtige Anfangfünfziger, ohne unterwegs aus der Puste zu kommen. Charmant nimmt er in seinem hellen Büro mit Domblick die Jacke seines Gastes entgegen und bietet Kaffee an.

Ulrich Höver weiß, wie man seinem Gegenüber das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein. Als Bürgeramtsleiter gestaltet er die Kölner Willkommenskultur aktiv mit, beispielsweise indem er – vielen Hürden zum Trotz – einem jungen Mann aus Eritrea ein Praktikum im Haus ermöglichte. Jetzt wurde Höver in einem Gottesdienst in der Petrikirche der Evangelischen Kirchengemeinde Quadrath-Ichendorf in sein Amt als Prädikant eingeführt

Aus Erfahrung zuversichtlich
Kurz nach der Wiedervereinigung fand Höver eine Stelle in Dresden. Dort lernte er seine Frau kennen, gründete eine Familie und gewann eine Zuversicht, weil er dort besonders intensiv erlebt habe, „wie Glaube, Optimismus und Gottvertrauen hilft.“ Obwohl die Gemeinde damals weder Geld noch bauliches Know-How hatte, sondern nur ein Grundstück, sei es ihr beispielsweise gelungen, ein Gemeindehaus zu bauen.

Erster "Wessi"
Ebenso erlebte Höver den Wiederaufbau der Frauenkirche als starkes Symbol. „Das hat mich definitiv geprägt. Man denkt nicht in jeder Lebenslage daran, aber diese Erfahrungen schenken mir immer wieder Zuversicht“ lächelt er und ergänzt: “Ich fühle mich bei Jesus Christus geborgen und von ihm geführt.“ Dieses Lebensgefühl wurzelt bereits in seiner Jugend beim CVJM, die geprägt war von Spiel, Spaß, Andachten, Liedern aus der Mundorgel und älteren Jugendlichen, die er als beeindruckende Vorbilder erlebte. Von hier aus war es „eine organische Entwicklung“ vom Mitglied im Kirchenvorstand der Dresdner Kreuzkirche als erster "Wessi" über das Liturgenamt zum Prädikanten.

Feierlich Ordination
Am 17. Januar wurde Dr. Ulrich Höver in einem feierlichen Gottesdienst durch den Superintendenten des Kirchenkreises Köln-Nord, Markus Zimmermann, ordiniert. Ein Prädikant darf im Gottesdienst predigen sowie Gemeindeglieder taufen, trauen und beerdigen und trägt dabei den Talar. Auf das Predigen freut Ulrich Höver sich besonders, weil es ihm große Freude bereitet, seinen Glauben weiter zu sagen. Dabei begeistert den promovierten Historiker nicht nur das Predigen selbst, sondern auch die Vorbereitung, „weil ich sehr gerne mit Texten arbeite“.

Notizen auf kleinen Zetteln
Ihm komme zugute, dass er nur ab und zu predige und dies lange im voraus wisse. So entstehe jede Predigt über einen längeren Zeitraum. „Ich lese den Text in unterschiedlichen Übersetzungen, meditiere darüber und bete. Während ich beispielsweise in der Bahn sitze, fällt mir immer wieder etwas dazu ein. Das schreibe ich auf kleine Zettel, die ich anschließend sortiere. Dabei frage ich mich: Was ist die Hauptaussage, der Funke, der überspringen soll?“

Herzliche Unterstützung der Gemeinde
Gerne verbindet Höver praktische Erfahrung mit biblischen Einsichten, und er scheut auch vor schweren Themen wie „Burnout“ nicht zurück. Unter Anleitung seines Mentors, Pfarrer Jürgen Manderla, stand er bereits gut ein Dutzend Mal während seiner zweijährigen „Zurüstung“ zum Prädikanten auf der Kanzel. Natürlich sei das Predigen jedes Mal mit Lampenfieber verbunden, aber die herzliche Unterstützung der Gemeinde mache es ihm leicht, das Predigen zu genießen.

Glaube, Solidarität, offene Fragen
An der Gemeinde Quadrath-Ichendorf schätzt Höver neben dieser Herzlichkeit, mit der er und seine Familie vom ersten Tag an aufgenommen wurden, vor allem ihr ernsthaftes Interesse am Glauben. Dieser Glaube wird aktuell durch die gesellschaftlichen Veränderungen herausgefordert. „Ja, sicher erwarten die Menschen 2016 etwas anderes von einem Prädikanten als noch vor einem Jahr“, meint er. „Selbstverständlich stehen wir als Kirche an der Seite der Flüchtlinge“, stellt er klar. Zugleich könne er die Silvesternacht nicht ignorieren. Ulrich Hövers Blick schweift aus dem Fenster zum Dom, als er die große Frage formuliert: „Wie können wir ein Zusammenleben organisieren und, aus unterschiedlichen Kulturen kommend, friedlich miteinander leben?“

Text: Kirsten Andrä
Foto(s): Kirsten Andrä