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Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Stromnetze

„Der ein oder andere wird sich vielleicht fragen, warum eine Kirchengemeinde so eine Veranstaltung ausrichtet“, wandte sich Pfarrer Jörg Schmidt zu Beginn an das versammelte Auditorium im Gottesdienstraum des Herkenrather Gemeindezentrums während der Diskussionsveranstaltung „Zur Zukunft der Stromnetze“.

Bibel mit Bild der Schöpfung
„Wer sich damit beschäftigt weiß, dass wir als Kirche an solchen Themen schon immer nah dran waren“, erklärte Schmidt. Die Bibel gebe bereits ein bestimmtes Bild von der Schöpfung vor. „Egal, ob wir das erste Kapitel des Buches Genesis nehmen, in dem es heißt, ‚die Erde ist gut geschaffen und sie ist dem Menschen untertan‘ oder in das Buch Mose schauen, in dem steht, ‚Gott bildet den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden, damit er sich macht die Erde untertan'“. Beides impliziere, dass der Mensch dem Schöpfer gegenüber verantwortlich sei, mit dessen Werk schonend umzugehen, führte der Theologe aus.

Arbeitskreis „Umwelt“ mit dabei
„Warum also so eine Veranstaltung? Weil wir seit Jahrtausenden in unserem Glauben in dieses Thema gestellt sind“, stellte der Pfarrer den inhaltlichen Zusammenhang her. Zu der Diskussionsveranstaltung hatten das Presbyterium und der Arbeitskreis „Umwelt“ der Evangelischen Kirchengemeinde Bensberg ins Gemeindezentrum eingeladen.

Folgen der neuen Energien
Welche Konsequenzen hat die ausgerufene „Energiewende“ hin zu den erneuerbaren Energien? Inwieweit muss unser Stromnetz in Deutschland um- oder ausgebaut werden? Und welche Folgen hat das wiederum für die Umwelt? Über diese Fragen diskutierte eine Expertenrunde, bestehend aus Dr. Adolf Müller-Hellmann, Professor für Elektrotechnik an der RWTH Aachen, Ingenieur Dr. Wolfgang Nick von der „Rheinischen NetzGesellschaft mbh“ und Pfarrer Jörg Schmidt. Moderiert wurde die Diskussion vor dem Altar von Diplom-Ingenieur Jörg Beste vom Kölner Stadtplanungs- und Kulturbüro „Synergon“. Fragen aus dem Publikum waren ausdrücklich erwünscht.

Energiesystem ohne CO²
Man sei auf der Welt aktuell mit zwei entscheidenden Entwicklungen konfrontiert, konstatierte Dr. Adolf Müller-Hellmann. Einerseits mit einer Explosion der Weltbevölkerung, die bis zum Jahr 2050 auf 9,5 Milliarden Menschen anwachsen werde, und anderseits mit einer beunruhigenden Entwicklung des Klimas. „All diese Menschen haben Anspruch auf Glück, Mobilität und Energie. Wenn die Erde diese bereitstellen soll, dann ist das eine Riesenaufgabe. Wir müssen mit Energie sorgfältig umgehen“, appellierte Müller-Hellmann an seine Zuhörer. Gleichzeitig müssten die CO²-Emissionen von vier Tonnen pro Kopf und Jahr bis zum Jahr 2050 auf eine Tonne pro Kopf und Jahr gesenkt werden. „Wir werden 2050 fast zehn Milliarden Menschen sein. Der Herr sei uns gnädig, wenn wir das schaffen wollen“, seufzte der Experte, der in diesem Zusammenhang kritisierte, die Deutschen hätten die Neigung, zunehmend große Geländewagen, sogenannte „SUV“, zu fahren. Zu Hause Energiesparlampen einzudrehen, reiche nicht aus. Die Welt blicke in Sachen Energiewende auf Deutschland. „Energiesparen ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen ein Energiesystem schaffen ohne CO² zu produzieren. Wenn uns das gelingt, haben wir unheimlich viel für die Welt getan“, betonte der Professor.

„Gewaltige Aufgabe vor uns“
Vor allem im erforderlichen Netzausbau, verbunden mit dem Bau neuer Stromtrassen, gelte es Opfer zu bringen, argumentierte Dr. Wolfgang Nick. Auch viele Befürworter würden immer noch nach der Haltung „Aber nicht in meinem Garten“ verfahren. Hässliche Leitungen und Windräder in der unmittelbaren Nachbarschaft wolle man nicht. „Wir müssen überlegen, was man akzeptieren muss, um das zu erreichen. Wir haben eine gewaltige Aufgabe vor uns. Als Ingenieur bin ich optimistisch, dass wir das technisch schaffen“, erklärte Nick, der sich gegen eine dezentrale Stromerzeugung durch kleinere Einheiten aussprach, da dies einen höheren Bedarf an neuen Stromspeichern nach sich ziehen würde. Je größer das Netz, je weniger Speicherkapazität wäre vonnöten.

Windräder aufs Meer
„Bräuchten Sie nicht eigentlich eine Public-Relations-Abteilung, um solche Veranstaltungen wir diese hier zu organisieren, um den Menschen die Sache schmackhaft zu machen?“ empfahl Moderator Beste mit einem Augenzwinkern dem Vertreter der Netzgesellschaft , die die Netze sämtlicher örtlicher Versorger in der Region etwa die von Belkaw und Rhein-Energie betreibt. Man brauche neue Netze, um die Energie vom Ort der Erzeugung dahin zu bringen, wo sie gebraucht werde. Doch gebe es in Deutschland das Problem, dass dort, wo etwas gebaut werden solle, sich sofort Bürgerinitiativen dagegen bildeten, resümierte Müller-Hellmann.
Er sieht die Lösung in „Offshore-Windparks“. „Wenn die Bürger sagen, ich will die „Verspargelung“ der Landschaft nicht akzeptieren, dann lautet die Konsequenz daraus, die Windräder dorthin zu stellen, wo sie nicht stören und effizient sind, nämlich aufs Meer. Aber weil wir in Deutschland der Ansicht sind, dass Badegäste auf Borkum gleich erblinden, wenn sie mal ein Windrad sehen, müssen wir damit hinter den Horizont gehen“, scherzte der Elektrotechnikexperte.

Kein Schaden für die Gesundheit
Pfarrer Schmidt sprach sich in einem Plädoyer ebenfall nachhaltig für die Nutzung regenerativer Energien wie Sonne und Wind aus und verwies auf das Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen 1990 im koreanischen Seoul, in dessen Grundsatzformulierung unter Punkt acht zu lesen sei: „Wir bekräftigen, dass die Erde Gott gehört. Der Mensch soll den Boden und die Gewässer so nutzen, dass die Erde ihre Leben spendende Kraft immer wieder erneuern kann. Land darf nicht als bloße Ware behandelt werden“. „Ich sehe in den Windrädern ein Stück weit die Zukunft, die man aber sensibel einsetzen muss, ohne dass Menschen an ihrer Gesundheit Schaden nehmen“, erklärte Schmidt.

Wanderausstellung im Foyer
Einen Überblick über die Themen Stromnetze, Energiewende und Naturschutz bot die vom Forum „Netzintegration Erneuerbare Energien“ der Deutschen Umwelthilfe initiierte Wanderausstellung, die im Foyer des Herkenrather Gemeindezentrum zu sehen war.

Text: Markus Frey
Foto(s): Markus Frey