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Diskussionsabend WiederSprechen: „Wieder anpacken – wie Corona das Ehrenamt verändert hat“

Ob Freiwillige Feuerwehr, diakonische Dienste, Tafeln oder Breitensport: unsere Gesellschaft lebt vom millionenfachen Engagement im Ehrenamt. Corona hat auch hier vieles ausgebremst. Manche Strukturen sind brüchig geworden. Ein „Weiter so“ wie vor der Pandemie reicht nicht aus. Dieser Herausforderung müssen sich Vereine, Initiativen und Stadtgesellschaft gemeinsam stellen. Das zupackende Handeln ungezählter Ehrenamtlicher in den Hochwassergebieten zeigt aber auch: Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist ungebrochen. „Wenn etwas unsere Gesellschaft lebenswert macht, ist es das Ehrenamt. Corona hat vieles besonders an die Oberfläche gebracht oder Probleme geschaffen“, sagt Moderator Arnd Henze in der Christuskirche Dellbrück. „Wo hat sich das Ehrenamt als besonders resilient erwiesen – aber wo hat es auch Brüche und Risse gegeben?“ Darum ging es bei dem Diskussionsabend „WiederSprechen“ Mitte September mit dem Thema „Wieder anpacken – wie Corona das Ehrenamt verändert hat“. Die Veranstaltungsreihe der Melanchton-Akademie will für die so unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen mit der Pandemie einen öffentlichen Raum schaffen – und diese Erfahrungen mit Verantwortlichen in der Stadtgesellschaft ins Gespräch bringen.

Vieles habe sich dauerhaft stark verändert

„Wir als Tafel haben in der Pandemie nie aufgehört zu arbeiten. Wir waren gestützt durch Ehrenamtler, die aus dem Berufsleben ausgeschieden waren. Diese sind uns zwar zu großen Teilen weggebrochen. Das war vielen zu gefährlich“, berichtet Karin Fürhaupter, Erste Vorsitzende der Tafel Köln e. V. „Auf der anderen Seite haben wir aber einen Ansturm von Helfern bekommen. Es haben sich unheimlich viele gemeldet, die gesagt haben, wir haben eingeschränktes Home-Office oder Kurzarbeit, wir haben momentan Zeit. Wir haben alle Verabredungen einhalten können. Nur die Lebensmittelausgabestellen, da haben 30 Prozent geschlossen und wir haben sie dann nach und nach wie hochgefahren und haben weitergearbeitet – nur mit einer anderen Altersstruktur.“ Vieles habe sich dauerhaft stark verändert, alle haben positiv dazu gelernt. „Wir haben gemerkt, dass es sich lohnt, jüngere Menschen einzubeziehen, auch wenn sie nach einer gewissen Zeit wieder ausscheiden. Diese Menschen sind sehr willkommen bei uns. Auch das sind Träger unserer Arbeit, die uns durchaus helfen können.“ Man müsse sie zwar einarbeiten, auch wenn sie schnell wieder weg sind, aber es ändere auch das Klima, wenn verschieden alte Menschen zusammen arbeiten. „Die jüngeren Menschen bringen auch frischen Wind mit rein.“ Sie wünscht sich, dass Menschen, die die Möglichkeit dazu haben, sich ehrenamtlich engagieren – sie seien eine Bereicherung für die Gesellschaft.

Auch Gabi Klein, Forum für Willkommenskultur, Kölner Freiwilligen Agentur e. V., sagt: „Wir haben unheimlich viele Menschen gehabt, die sich neu gemeldet haben. Viele haben gemerkt, was ihnen wirklich wichtig ist, und wollten sich sozial engagieren. Wir haben viel Zulauf gehabt, was uns sehr gefreut hat. Ein großer Bereich, in dem Ehrenamtler sich engagieren, ist die Begleitung von Flüchtenden zu Ämtern. Der Bereich ist größer geworden, weil der Zugang zu Ämtern auch erschwert wurde. Viele Ältere haben gesagt, dass sie Geld in der Pandemie gespart haben und haben dann dieses Geld sogar gespendet.“ Ein Manko für sie: „Wir haben viel Zoom-Erfahrungen machen können, aber irgendwann reicht es auch.“ Sie bestätigte die Erfahrungen von Karin Fürhaupter: „Viele jüngere Menschen engagieren sich, aber nur für einen kürzeren Zeitraum.“

Hohe Austrittszahlen

Die Pandemie hatte auch große Auswirkungen auf Sportvereine: „Vereine kommen da in Schwierigkeiten. Denn man muss sagen, dass bei vielen Menschen auch gerade am Anfang der Pandemie der Solidaritätsgedanke noch sehr stark vorhanden war, dass sie zwar die Sachen nicht nutzen konnten, aber trotzdem noch im Verein geblieben sind“, erzählt Peter Helmut Schaefer, Vorsitzender der Sportjugend Köln. „Aber danach sind die Austrittszahlen sehr stark angestiegen. Man kündigt ja immer zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da ist immer eine Wellenbewegung.“ Was ihn freut: „Der Drang war und ist nach wie vor sehr groß, wieder einzutreten. Aber gerade für die kleineren und auch mittleren Vereine, da ist der Aufwand, Hygienekonzepte für Veranstaltungen in Hallen zu gestalten, sehr hoch. Größere Vereine können das einfacher stemmen.“

Viele Menschen hatten während der Pandemie sehr kreative Ideen, aber in manchen Bereichen reiche das nicht aus: „Wenn ich als Schwimmverein nicht ins Schwimmbad reinkomme, kann ich keinen Schwimmunterricht machen – das ist einfach so.“ Peter Helmut Schaefer sagt, dass man davon ausgehe, dass viele Fünf- bis 17-Jährige aus dem Sport raus seien und auch keine Motivation hätten, wieder rein zu gehen, „quasi eine verlorene Generation“: „Manche haben auch Angst, dass etwas passieren kann.“ Der Sport lebe trotz der vielen digitalen Angebote aber auch von der persönlichen Begegnung. Von daher wünsche er sich ein Stückweit, wieder zu dem Zustand der Zeit vor der Pandemie zurück zu kehren. Im Verein könne man Demokratie lernen – unter anderem deswegen seien Vereine so wichtig. Man müsse den Nachwuchs weiterhin für Verein begeistern, so sein Wunsch.

Text: APK
Foto(s): APK