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„Die Werte der Kirche müssen in die komplexe Wirklichkeit übersetzt werden“

Stadtsuperintendent Rolf Domning hielt die bewegende Predigt des ökumenischen Gottesdienstes am 26. Juli in der Antoniterkirche zum Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des ewigen Lebens geben“, dieses Zitat aus der Johannesapokalypse thematisierte Domning aus verschiedenen Blickwinkeln. In vielen Kirchen, auch ehemals in der Antoniterkirche, habe es Gedenktafeln gegeben, die an dieses Bibelwort gemahnten.

Wieder Kriege in der Welt
In seiner Predigt erinnerte der Stadtsuperintendent daran, dass solche Praxis der Kirchen, zu Kriegsbeginn an die Opferbereitschaft der Menschen zu appellieren, von einer – sich ihrer historischen Verantwortung stellenden – Kirche heute selbstkritisch gesehen werden müsse. Domning betonte, dass sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges nun zu einem Zeitpunkt jähre, an welchem wieder Kriege in der Welt geführt würden: „Die Kirche steht in dieser Zeit vor der Herausforderung, die eigenen Werte in eine Wirklichkeit übersetzen zu müssen, deren Komplexität sich oft nicht mehr überblicken lässt“, so der Stadtsuperintendent. Er sprach sich dafür aus, dass Kirche die Diskussion, ob es denn einen gerechten Krieg oder einen gerechten Frieden geben könne, auf Augenhöhe mit der Politik und in der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte führe müsse.

Aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte
Das Gedenken in Köln und Region an den Ersten Weltkrieg war bereits einige Tage vorher mit einem ökumenischen Studientag der Melanchthon-Akademie (in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen [ACK] und dem Katholischen Bildungswerk Köln) zum Thema "Weltkriegs-Theologie – Religion Protestantismus – Kirchen im Ersten Weltkrieg" und einem Vortrag von Professor Günter Brakelmann thematisiert worden. Zeitgleich waren in der Woche vor dem Gottesdienst einige Gäste aus Liverpool in Köln zu Besuchen eingetroffen, die sich ebenfalls intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. „Nachdem wir unter anderem nach Lüttich gefahren waren, ist mir persönlich die Zerstörungskraft des Krieges erneut sehr deutlich geworden. Ich bin regelrecht erschrocken, als ich wieder nach Deutschland kam, wie wenig hier die Erinnerung an den Krieg präsent ist“, berichtete Pfarrer Dr. Martin Bock, Ökumenebeauftragter des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und Leiter der Melanchthon-Akademie, von seinen Eindrücken. „Es war auch der ausdrückliche Wunsch unserer Gäste aus Liverpool, mit uns über das Ausmaß der Geschehnisse und der heutigen Friedensarbeit zu sprechen. Gemeinsam besuchten wir heute auch einen Soldatenfriedhof und haben dort eine Kranzniederlegung zelebriert“, berichtete Bock. Rainer Will, katholischer Vorsitzender der ACK, begleitete die Woche ebenfalls. Seit 60 Jahren bereits besteht die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Liverpool, von Beginn an gab es auch eine intensive ökumenische Beteiligung. Im letzten Jahr waren die Kölnerinnen und Kölner in Liverpool, diesmal waren die Liverpooler Frauen und Männer in Köln. Stets stehen die gegenseitigen Besuche unter einem bestimmten Themenaspekt, diesmal war es der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.

Anschließendes Sommerfest mit Gästen aus Liverpool
Auch auf dem Sommerfest des Gemeindebezirks an der Antoniterkirche schauten die Gäste dann noch vorbei: Nach dem gut besuchten Gedenkgottesdienst – geleitet von Citypfarrer Markus Herzberg – waren etwa hundert Gäste in den Innenhof des evangelischen Gemeindehauses gewechselt, wo in manchen Gesprächen die Worte der Predigt noch nachklangen – das gesellige Beisammensein sollte gerade auch für solche Nachdenklichkeit Raum und Gelegenheit bieten, wie Stadtsuperintendent Domning zum Ausklang des Gottesdienstes in seiner Einladung der Besucher bemerkt hatte. Für Verköstigung war gesorgt, und das Pepe Joma-Kwartett, welches von Kantor Johannes Quack geleitet wurde, erfreute mit Jazz-Standards: Die Band probt seit etwa anderthalb Jahren und gab nun ihr Debüt.

Text: Judith Tausendfreund
Foto(s): Judith Tausendfreund