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„Die Totenasche von Menschen ist unantastbar …“

Im Krematorium auf dem Kölner Westfriedhof werden der Asche von Verstorbenen Metalle wie Gold und Implantate entnommen. Diese in der Friedhofssatzung formulierte Praxis wird vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region sowie dem Katholikenausschuss in der Stadt Köln stark kritisiert. Dazu veranstalteten beide im Haus der Evangelischen Kirche in der Südstadt eine Podiumsdiskussion.

„Die Totenasche von Menschen ist unantastbar…"
Unter dem fordernden Titel „Die Totenasche von Menschen ist unantastbar…" tauschten sich neben Stadtsuperintendent Rolf Domning und Hannelore Bartscherer (Vorsitzende des Katholikenausschusses) der Kölner Stadtdirektor Dr. Stephan Keller und SPD-Landtagsabgeordnete Jochen Ott, die Ratsfrau Katharina Welcker (CDU) sowie der Diplom-Theologe und Bestatter Brian Müschenborn aus.

Anregender Einstieg
In einem kurzen Impulsvortrag stellte Müschenborn fest, dass katholischen Christen bis in die 1960er Jahre eine Feuerbestattung untersagt war. Heute würden in Köln nahezu siebzig Prozent aller Verstorbenen eingeäschert. Der Theologe dachte laut etwa über die Einheit von Leib und Seele nach, darüber, ob amputierte Glieder „vorbestattet“ werden sollten, und was eigentlich zu einem Menschen gehört. Keiner dürfe einem Leichnam einen Goldzahn ziehen. Weshalb aber werde Totenasche auseinandergesiebt und manuell durchstöbert. Christen sollten das Recht einfordern, mit dem bestattet zu werden, „was zu mir gehört“.

Die Stadt hat ökonomische und pragmatische Gründe
Moderator Dr. Guido Schlimbach wandte sich zunächst an Dr. Keller. Der Stadtdirektor nannte ökonomische und pragmatische Gründe für die Entnahme und Veräußerung der Metalle. Zum einen senke dies die Einäscherungskosten. Zum anderen könnten keine Diebe die sonst mitbestatteten Dinge stehlen.

Bewusstsein schaffen
Stadtsuperintendent Rolf Domning betonte, offensiv ein Bewusstsein für diese uns sehr an- und nahegehende Thematik schaffen zu wollen. Mit dieser stark verbunden sei die Frage nach der Identität eines Menschen. Den Leichnam wolle er niemals hinsichtlich seiner Wertigkeit betrachtet wissen. Ebenso schrecke ihn die Vorstellung ab, dass die Asche ohne vorheriges Gespräch mit den Angehörigen sortiert werde. „Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, Implantate durch entsprechend fachkundiges oder medizinisches Personal vor der Verbrennung entfernen zu lassen“, zitierte Domning aus dem Infoflyer der Kommune über das Krematorium. „Das ist für mich so absurd, fern jeglicher Trauerarbeit“, kritisierte der Stadtsuperintendent.

Ethisch wie religiös „nicht hinnehmbare“ Praxis
Wie für Domning ist für Bartscherer dieser Umgang mit der Totenasche ethisch wie religiös „nicht hinnehmbar“: „Wir entnehmen auch nicht Dinge aus einem Sarg.“ Man habe sich im Katholikenausschuss den Ablauf zunächst gar nicht vorstellen können, plädierte sie dafür, die Kremierungskosten um 50 Euro anzuheben, damit man nichts herausklauben müsse, das noch dazu teilweise mit Totenasche verbacken sei. Man könne sich nicht darauf verständigen, dass die Angehörigen aufgrund der Satzung und ihnen vorgelegten Papiere von dieser Praxis wissen müssten.

Änderung der Friedhofssatzung notwendig
Welcker informierte über die Notwendigkeit, Dinge aus der Totenasche zu separieren, um die eingesetzte Knochenmühle nicht zu beschädigen. Natürlich könne man am Ende alles wieder zusammenführen, wenn denn die Urnengröße stimme. Nicht nur sie bedauerte, dass trotz Beschluss des Rates über die Neuorganisation durch eine Teilprivatisierung des Kölner Krematoriums die Vorlage der Verwaltung auf sich warten lasse. Dr. Keller schlug vor, zu schauen, wo es hake und wie lange es noch dauere, um dann eine Entscheidung zu treffen. Der Forderung unter anderem von Bartscherer und Domning nach sofortiger Einstellung der aktuellen Praxis verpasste der Stadtdirektor einen Dämpfer: Zuvor müsse die Friedhofssatzung geändert werden.

Großer Konsens
Menschen müssten wissen, was mit einem Leichnam bei einer Kremierung passiere, zeigten sich die Podiumsmitglieder einig über die Bedeutung der Selbstbestimmung. Sie müssten aufgeklärt sein und über eine Entscheidungsmöglichkeit verfügen. „Wer bestimmt eigentlich die Urnengröße?“ Aus diesem Grund schlug Ott zum Beispiel Kindersärge vor, die nach einer Einäscherung sämtliche Teile aufnehmen könnten. Die Kommune weiche vertretbaren Alternativen aus, rügte Müschenborn. „Technisch ist das alles machbar.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich