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Die ThomasMesse – ein „Gottesdienst für Suchende, Zweifelnde und andere gute Christen“

Ich stehe vor der Tür der Trinitatiskirche und bin gespannt. Seit 20 Jahren werden viermal im Jahr ökumenische ThomasMessen gefeiert. Bei der Jubiläums-Messe bin ich dabei. Am Eingang werde ich von einer Gruppe empfangen, die Lieder mit getragenen Melodien singt.

Mein Platz ist in Absprache mit Pfarrerin Ulrike Graupner auf der Empore. Dort kann ich alles mitbekommen, ohne mit meinem Fotoapparat und meiner „beobachtenden“ Teilnahme den Ablauf des Gottesdienstes zu stören.

„Ich kann's nicht glauben“
Benannt ist die Messe nach dem „ungläubigen Thomas“. Im Johannes-Evangelium wird erzählt, wie Jesus nach der Kreuzigung den Jüngern erschien: „Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.“

Er zweifelt, er stellt Fragen
Dr. Hans-Georg Link, der sich schon lange für die Gottesdienst-Reihe engagiert, begrüßt mit Ulrike Graupner die etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „In den 20 Jahren haben wir bei jeder Messe neue Menschen begrüßt. Und es sind auch Leute hier, die vor 20 Jahren mit dabei waren. Ich freue mich sehr über das Jubiläum“, sagt der ehemalige Ökumenepfarrer des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und fährt fort: „Unser Thomas passt nicht so recht in die Reihe der Apostel. Er zweifelt, stellt Fragen. In unseren ThomasMessen machen Menschen, die mit dem Glauben nicht so auf Du und Du sind, ganz neue Gotteserfahrungen.“

„Aus alt wird neu“
Es beginnt ein Anspiel, das das Thema der Jubiläums-Messe „Aus alt wird neu“ in Szene setzt. Mitglieder des Vorbereitungsteams nutzen Requisiten wie einen alten Schuh, der zum Blumentopf umfunktioniert wird. Nach und nach wird das Bild klar: Die alte Kirche soll neu werden. Die ThomasMesse will Exempel sein für eine sich verändernde Kirche. Den Konfessionalismus wollen die Teilnehmenden überwinden. „Bei uns in der ThomasMesse sind alle zum Abendmahl eingeladen“, sagt Link. Die ThomasMesse sei auf ihre Art zukunftsträchtig. „Unsere Verkündigung besteht aus Fragen und Zweifeln.“

„Ganz Ohr“ in Einzelgesprächen
Dann beginnt der für einen „normalen“ Gottesdienst ungewöhnlichste Teil. Die „offene Zeit mit meditativen Orten“. Vor dem Altar werden Taizé-Lieder gesungen, am Taufstein kann man persönliche Fürbitten aufschreiben, die später verlesen werden, es besteht die Möglichkeit zum meditativen Tanz, „Ganz Ohr“ heißt es in Einzelgesprächen, im Raum der Stille ist man für sich und wer möchte, wird im Vorraum gesalbt. In der Trinitatiskirche entsteht eine sehr intime Stimmung. Ich sitze auf der Empore und habe das Gefühl, dass hier und heute eine besondere, sehr spirituelle Form von Gotteserfahrung spürbar wird. Beeindruckend. 20 Minuten später werden die von den Teilnehmenden verfassten Fürbitten verlesen. Man gedenkt der Opfer des Terroranschlags vom 9. September 2001. Aber auch private Bitten sind wichtig: „Ich habe einen schwerbehinderten Sohn. Begleite ihn auf seinen nächsten Schritten. Wem kann ich vertrauen?“, hat eine Mutter aufgeschrieben.

Kleingruppen sind eines der

Köln war die dritte deutsche Stadt
Welchen Ursprung hat die Thomas-Messe? „Erfunden“ wurde sie 1988 in Helsinki, vom protestantischen Pfarrer Olli Valtonen, die erste deutsche ThomasMesse entstand 1991 in Winsen/Luhe, die zweite 1994 in Bremen – und die bundesweit Dritte gibt es seit 1996 in Köln, initiiert durch Hans-Georg Link. „Messe“ heißt eine ThomasMesse nicht, weil sie eine römisch-katholische Messfeier ist, sondern weil sie aus einer finnischen Form des Jugendgottesdienstes hervorgegangen ist, der „Volksmesse“. Ihre zweite Wurzel liegt bei der finnischen „Morgengemeinde“. Hier ging es darum, die Andacht mitten in den Alltag der Menschen zu holen – so traf sich die „Morgengemeinde“ beispielsweise in Restaurants.

Spirituell-anregende Musik
Thomas Frerichs unterdessen begleitet das anschließende Abendmahl mit spirituell-anregender Musik. Das Abendmahl wird in Kleingruppen mit jeweils zehn Teilnehmenden gefeiert. Anschließend treffen sich alle im Garten neben der Trinitatiskirche und pflanzen anlässlich des Jubiläums einen Baum der Hoffnung. Nach etwas mehr als zwei Stunden klingt die ThomasMesse mit dem Angießen des Baums aus. Gibt es ein Fazit? Na ja, wer könnte schon von sich sagen, er wöge sich immer in Sicherheit? Ich mag dieses Fragen und Zweifeln. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte: Die nächste ThomasMesse beginnt am Sonntag, 27. November, um 18 Uhr in der Antoniterkirche, Schildergasse 57.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann