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Die Osterpredigt 2003 des Stadtsuperintendenten

Text: Markus 16,1-8


Liebe Gemeinde!


Ein Lied gibt den Ton an, fasst zusammen , was zu Ostern gesagt werden kann oder muss. „Wir wollen alle fröhlich sein, in dieser österlichen Zeit……“

Das Leben triumphiert über den Tod. Christus ist auferstanden, um Leid und Tod zu überwinden, so sagen es die Texte der Bibel. Der Tod hat nicht das letzte Wort, bei Jesus nicht und bei uns Menschen auch nicht.

Eine gewagte Aussage, bei der wir schnell einhaken und unsere berechtigten Fragen anbringen können. Lehrt uns nicht ein Blick in unsere Welt das Gegenteil von dem , was wir Ostern bekennen? Bleibt uns nicht die Freude und Fröhlichkeit versagt angesichts der Ereignisse in dieser Welt?
Haben die Recht, die sagen: Über Nacht ist alles anders geworden für eine Gesellschaft, die sich anschickte über ungebremsten Optimismus Weltgestaltung leisten zu können – eine Gesellschaft, die alles den Gesetzen der Ökonomie, der Wirtschaftlichkeit unterwarf? Freiheit und Reichtum, Kreativität und Machtstreben, Worte, die gegen Enttäuschung und Traurigkeit standen, gegen die Sorgen der Arbeitslosigkeit und der zunehmenden Gewalt. Wir werden schon alles irgendwie in den Griff bekommen.

Doch die Nächte dieser Welt zeigen Anderes. Am helllichten Tag, im stahlblauen Himmel, die Morgensonne war aufgegangen, bricht am 11. September durch einen unglaublichen Terroranschlag das Symbol weltweiter Wirtschaftsmacht zusammen. Ein heller Vormittag wurde für Schüler und Lehrer am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt zu Stunden des Entsetzens: ein hilfloses Plakat am Fenster, die Ermordung von 17 Menschen. Tom und Sonja aus Eschweiler – tot, warum? Auch zu zweit bist du nicht sicher! Die Toten im Wüstensand und in den Straßen der eroberten Städte im Irak. Soldaten und unschuldige Mütter und Kinder. Chaos! Bringt das Leben? Wir kennen die Triumphe des Bösen. Wir erleben den Schock nach der Tötung, wir kennen Gefühle die uns sagen, nichts mehr tun zu können. Es bleibt die Sorge danach, begleitende Hilfe, Gesten, Blumen, Fragen.

Wir verbinden Wunden und stellen fest, dass der Sieg des Todes seinen Ort gefunden hat. Keine Idylle, kein Osterspaziergang im Sinne Goethes: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche …“ Das war es damals mit den drei Frauen, den ersten Zeugen der Auferstehung, auch nicht. Bei Sonnenaufgang machten sie sich auf den Weg. Ein letzter Liebesdienst, Salböl für den, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt hatten. Jesus, den sie bewunderten , mit dem sie im täglichen Leben so gute Erfahrungen machten, wie er den Menschen begegnete, manche heilte, liebevolle Worte fand, für Gerechtigkeit und Frieden eintrat, dieser Jesus war tot. Hinter einem schweren Stein begraben, als Unterstreichung der Unerreichbarkeit. Karfreitag war auf Golgatha über Nacht alles anders geworden.

Und jetzt wird über Nacht erneut alles anders. Das Grab ist offen, Jesus nicht da, ein Jüngling sagt: „Der Gekreuzigte ist auferstanden.“ Und er sagt noch etwas :“Geht hin, und sagt es den anderen Jüngern!“
Doch die Frauen schweigen, sie können gar nichts sagen, denn sie sind entsetzt und fürchten sich. Wo ist der Osterjubel, der über die Gräber schallt? Wie offen ist diese Geschichte, wie ehrlich? Kein Grund denen Recht zu geben, die ständig von der Erfindung Gottes und seinen Geschichten reden! Jemand, der so erzählt, kann diese Geschichte nicht erfunden haben.

Ostern spielt sich im Konfliktfeld zwischen Leben und Tod ab. Ostern trifft dort auf Menschen mit ihren Erfahrungen und Hoffnungen. Aber diese Osterbotschaft, dass Jesus lebt, durchkreuzt alle unsere menschlichen Pläne und Vorstellungen. Das mussten die Frauen am Grab schon erfahren. Ostern erzählt von einer anderen Welt, der Welt Gottes, in welcher der Tod nicht das letzte Wort hat, eine Welt, in der Gottes Liebe andere Maßstäbe setzt.

Die Frauen als Zeuginnen werden am Grab Jesu herausgerissen aus allem, was sie glauben, das nach menschlichen Maßstäben in ihrem Leben klar sei. Nichts gilt mehr, nichts ist mehr, wie es war, auch der Tod nicht. Diese Erfahrung verschlägt den Frauen die Sprache. Es bleibt ein geheimnisvolles Geschehen: die Auferstehung – oft verlacht, zerredet, als absurd abgetan.

Was stellen Sie sich am ehesten unter „Auferstehung von den Toten“ vor? Eine Umfrage; wir erfragen ja alles und rechnen hoch. Erschließen wir daraus die Wahrheit auch über Ostern?
41% sprechen von einer reinen Wunschvorstellung, 30% glauben, dass die Seele weiterlebt, 15% sehen „Auferstehung“ nur als ein Symbol für „Hoffnung“.

Verschlägt es uns angesichts solcher Aussagen auch die Sprache? Vielleicht sind wir mit den Frauen von damals ja einig, dass wir als Christen auch zu oft schweigen, alltags die Dinge nicht beim Namen nennen, die der Gekreuzigte und Auferstandene zum Leben für alle Menschen gesagt und gelebt hat?

Ihr sollt leben, wie ich lebe. Ihr sollt teilhaben an meiner Kraft, die Todesmächte zu überwinden. Ostern feiern wir Christen den Sieg des Lebens über den Tod. Und das heißt für uns, von dieser Hoffnung in der Welt gegen all die Hoffnungslosigkeit zu erzählen, das heißt: Gegen die Menschen verachtende Gewalt aufzustehen, Zeichen der Liebe und des Friedens zu benennen. Denn das können Boten der Auferstehung sein. Und wir wissen, dass wir nicht ohne Boten für Hoffnung leben werden.

Und doch wissen wir, dass die endgültige Hoffnung, die Auferstehung der Toten , noch unerreichbar vor uns liegt. Jetzt suchen wir Spuren in unserem Leben, Wege der Hoffnung, die aus den Todeswegen menschlicher Planung herausführen.

Ostern erinnert daran, dass Gott die Welt verändert hat. In der Auferstehung Jesu verspricht er uns gegen all die dunklen Erfahrungen menschlichen Lebens: Nichts bleibt bei Gott , wie es war. Jesus verspricht uns Leben.

Ein Lied gibt den Ton an, gegen die Töne der Welt :“Wir wollen alle fröhlich sein, in dieser österlichen Zeit..“ Es ist nicht der Mensch, sondern Gott, der über den Tod siegt. Amen.

Text: Stadtsuperintendent Pfr. Ernst Fey
Foto(s): ran