You are currently viewing Die Kraft der „Stille“ – Weihnachtspredigt von Stadtsuperintendent Rolf Domning
In der Kölner Kartäuserkirche feierte Stadtsuperintendent Rolf Domning am Heilig Abend Gottesdienst

Die Kraft der „Stille“ – Weihnachtspredigt von Stadtsuperintendent Rolf Domning

„Stille“ war das Thema der Weihnachtspredigt von Pfarrer Rolf Domning, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, in seinem Gottesdienst an Heiligabend in der Kölner Kartäuserkirche. „Weihnachten ist ein geheimnisvolles Fest“, begann Domning seine Predigt vor den vielen Besucherinnen und Besuchern in der Kirche und erinnerte an die „Dramaturgie des Advents, die nach und nach Licht ins Dunkel bringt, bis dann an Heiligabend der ganze Raum erhellt ist“. Doch an vielen Orten sei von der eigentlichen „Stillen Nacht“ nichts zu erleben. Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern, volle Straßen machten die Tage vor Weihnachten oft zu einer eher „lauten“ Zeit.

„Wir brauchen diese Stille, damit der Glanz der Weihnacht in uns entstehen kann. Damit wir die Chance bekommen in uns hineinzuhören. Entscheidend ist doch, was übrig bleibt von diesem göttlichen Ereignis vor 2.000 Jahren. Es bleibt die Erkenntnis, dass das Wunder des Glaubens in seinem Kern ein alltägliches Wunder ist. Eines, das sich in unserem Alltag bewähren muss. Also nicht dann, wenn wir in Festtagsstimmung sind, sondern dann, wenn wir übernächtigt oder überarbeitet sind, wenn wir Angst vor dem Morgen haben und nicht weiterwissen“, fuhr Domning in seiner Predigt fort.

Dann lud der Stadtsuperintendent die Besucherinnen und Besucher zu einem ganz besonderen Moment der Stille ein. Er zeigte Bilder mit dem Blick auf die Erde, den Astronaut Alexander Gerst die letzten Monate immer von der internationalen Raumstation ISS hatte. „Mich hat sehr berührt, was der deutsche Kommandant auf der Internationalen Raumstation, Alexander Gerst, vor seiner Rückkehr letzte Woche aus der Raumstation gesendet hat. In einer sehr emotionalen Botschaft wendet er sich an seine zukünftigen Enkelkinder“, sagte Domning und zitierte aus der Rede von Gerst an seine noch nicht geborenen Enkelkinder: „Liebe Enkelkinder, ihr seid noch nicht auf der Welt und ich weiß nicht, ob ich euch jemals treffen werde. Deswegen habe ich beschlossen, euch diese Nachricht hier aufzuzeichnen. Ich befinde mich gerade auf der Internationalen Raumstation im ‚Cupola‘-Aussichtsmodul und schaue auf euren wunderschönen Planeten runter. Obwohl ich bis jetzt fast ein Jahr im All verbracht habe und an jedem einzelnen Tag da runter geschaut hab’, kann ich mich einfach nicht daran sattsehen. […] Und wenn ich so auf den Planeten runterschaue, dann denke ich, dass ich mich bei euch wohl leider entschuldigen muss. Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden.“ Den Menschen sei klar, dass sie „im Moment“ den Planeten mit Kohlendioxid „verpesten“, das Klima zum Kippen bringen, Wälder roden, die Meere mit Müll verschmutzen und die limitierten Ressourcen viel zu schnell verbrauchen würden. „Ich würde mir wünschen, dass wir nicht bei euch als die Generation in Erinnerung bleiben, die eure Lebensgrundlage egoistisch und rücksichtslos zerstört hat. […] Ich wünschte mir, ich könnte durch eure Augen in die Zukunft schauen. In eure Welt und wie ihr sie seht. Das geht leider nicht und deswegen ist das Einzige, was mir bleibt, zu versuchen, eure Zukunft möglich zu machen. Und zwar die beste, die ich mir vorstellen kann.“

„Und das ist vielleicht die wichtigste Bedeutung der stillen Nacht: Wo es still ist, entsteht Raum für Gottes Wirken“, fuhr Rolf Domning in seiner Predigt fort und verwies von der Krippe im Stall von Bethlehem auf den Neuanfang, den Gott in diesem Moment gemacht hatte. „Diese Sehnsucht tragen wir in uns, wenn wir frisch gebadet und ausgehfein im Weihnachtsgottesdienst sitzen, um mit leuchtenden Augen die Geschichte von einem kleinen Kind zu hören, das die Welt rettet. Die Sehnsucht nach dem Neubeginn ist ein zutiefst menschlicher Impuls, wir begegnen ihm im Kleinen genauso wie auf der politischen Weltbühne, wenn es um das Weltklima geht, wenn es um Gerechtigkeit zwischen Nordhalbkugel und Südhalbkugel geht, wenn es um das nackte Überleben der Millionen Flüchtlinge weltweit geht“, sagte der Stadtsuperintendent. „Und die gute Nachricht ist: Wir dürfen darauf hoffen, dass der Neustart gelingt“, fuhr er fort. An Weihnachten könne jeder erleben und verstehen, dass das Gute im Kleinen anfange – als kleines Licht in der Dunkelheit, als kleines Kind in der Krippe,  als kleine Handlung im großen Ganzen.

„Und wenn Gott das Kleine gut macht, wird er auch das Große gut machen.“ Die schlechte Nachricht sei hingegen, dass es nicht ohne den Menschen gehe. Die Frage, was denn der Einzelne zur Weltrettung beitragen könne, wäre oft eine Selbstlüge und rechtfertige in vielen Fällen das Nichtstun. „Wir haben es begriffen. Jetzt brauchen wir radikalere Schritte – von jedem“, schloss Stadtsuperintendent Rolf Domning seine Weihnachtspredigt. „Und wer in der Stille in sich hineinhorcht und zum Beispiel die wunderbaren Bilder aus dem Weltall auf unsere Erde in sich wachruft, der lässt sich auch von diesem göttlichen Funken entflammen, der hält seine Sehnsucht auf eine bessere Zukunft wach – auch für eine bessere Zukunft unserer Urenkel – und ist lebendig und ist voller Tatendrang.“

 

Die ganze Predigt können Sie hier nachlesen.

Text: APK
Foto(s): APK