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Die Kölner Reformationsfeier 2014: ein ökumenisches Ereignis

Schon im Vorfeld der Kölner Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und der vier Kölner Kirchenkreise in der Kölner Trinitatiskirche am heutigen 31. Oktober wurde die Nachricht vom Kommen des neuen Kölner Erzbischofs, Rainer Maria Kardinal Woelki, zum Medienereignis: Noch nie in der Geschichte der Evangelischen in Köln hatte bisher ein Kölner Erzbischof an einer Reformationsfeier der Protestanten in der Domstadt teilgenommen.

Und einen besseren Tag, um ein Zeichen für die Ökumene zu setzen, hätte sich Rainer Maria Kardinal Woelki wohl auch kaum aussuchen können. Seine Teilnahme am Gottesdienst in Kölns „protestantischem Dom“ und dem anschließenden Empfang nannte Woelki „ein Zeichen ökumenisch gewachsener und bewährter Verbundenheit auch in kritischen Zeiten, das mich sehr dankbar macht“. Allerdings sei der Reformationstag für Katholiken „kein Tag unbeschwerter Freude“. Schließlich sei er verbunden mit dem Zerbrechen der kirchlichen Einheit im Abendland. „Ein Zerbrechen, an dem Akteure auf allen Seiten beteiligt waren und bei dem geistliche Anliegen und die Leidenschaft für das befreiende Wort Gottes leider auch durch weltliche Interessen der politisch Mächtigen überlagert wurden.“

Umkehr der Kirche zu Christus
Der Erzbischof erinnerte an die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche vom 31. Oktober 1999 und an den ehemaligen Papst Benedikt, der die Reformation als Umkehr der Kirche zu Christus interpretiert habe. „In diesem Sinne können Katholiken des Reformationstages gedenken als eines Tages der Umkehr zu Christus und der Bitte um ein noch stärker gemeinsames Christuszeugnis aller Christen“, sagte Woelki. Es gebe einige Gemeinsamkeiten zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche. Allerdings müsse man, so der Kardinal, „nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur unsere Kirchen- und Amtsverständnisse zurzeit nicht miteinander vereinbar sind, zuweilen sogar auf beiden Seiten gegeneinander profiliert werden. Auch unsere Verständnisse zum Ziel der Ökumene und vom Weg der Ökumene sind deshalb verschieden. Während die katholische Seite sich von einer ,Rückkehr-Ökumene‘ verabschiedet hat, aber eine sichtbare Einheit nach vorheriger Lösung der klassischen Kontrovers-Themen anstrebt, wirbt die evangelische Seite inzwischen immer stärker für eine wechselseitige Anerkennung bei bleibenden Differenzen“.

 Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki während seines Grußwortes

„… auf unserem ökumenischen Weg“
Woelki sprach sich für eine aufrichtig umgesetzte Gegenseitigkeit im Bemühen beider Seiten um einen neuen Tiefgang im Glauben aus, bei der manche Blockade in gegenseitiges Vertrauen umgewandelt werden könne: „Nach menschlichem Ermessen ist der Weg zur vollen Kirchengemeinschaft, zu einer wie auch immer gefassten Einheit in Vielfalt, noch weit. Aber wir können schon jetzt die beglückende Erfahrung machen, dass wir Christus unter uns lebendig erfahren, wenn wir in seinem Namen gemeinsam beten und handeln, wenn wir als getaufte Glieder an seinem Leib und aus seiner Gnade und Barmherzigkeit leben – auch und gerade auf unserem ökumenischen Weg.“

Kirche soll sich zu politischen Grundsatzfragen äußern
Zu Beginn der zentralen Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region hatte Stadtsuperintendent Rolf Domning die Gäste in der – bis auf den letzten Stehplatz besetzten – Kölner Trinitatiskirche begrüßt. Er dankte Woelki für sein Kommen, „mit dem Sie ein Zeichen der ökumenischen Verbundenheit in der gemeinsamen Verantwortung unserer Konfessionen setzen – als Kirche Jesu Christi für die Menschen in unserer Stadt und in der Region“. Domning erläuterte das „kontroverse“ Thema „Reformation und Politik“ der Reformationsfeier, mit der das sechste Themenjahr der Lutherdekade endete. Es sei kein Zufall, dass das Themenjahr „Reformation und Politik“ mit dem Jubiläum eines weiteren wichtigen Datums in der Geschichte von Kirche und Politik zusammenfalle: Der Verlesung der Barmer Theologischen Erklärung im Jahr 1934 während des Regimes der Nationalsozialisten. Die Erklärung ordnete in fünf Thesen das Verhältnis von Kirche und Staat. „Christliches Leben hat eine politische Dimension. Getaufte nehmen – wenn sie ihr Christsein vom Evangelium her ernst nehmen – aktiv an der Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit teil“, interpretierte Domning die Erklärung für die Gegenwart. Deshalb müsse sich die Kirche auch zu politischen Grundsatzfragen äußern.

Flüchtlinge in der Stadt willkommen heißen
Kirchliche Werte eigneten sich ausgezeichnet als Leitlinien politischen Handelns. Etwa wenn es darum gehe, Flüchtlinge in der Stadt und in der Region willkommen zu heißen und würdig unterzubringen. Domning fasste zusammen: „Die Barmer Theologische Erklärung war und bleibt ein starkes Bekenntnis gegen die Vereinnahmung durch einen Terrorstaat, der damals so Viele schweigend zusahen – und gegen jedweden Terror in jeder Zeit. Sie ist zugleich ein starker Impuls zur Bildung einer persönlichen Haltung und Meinung, wo auch immer wir dazu in existenziellen, politischen Fragen heute herausgefordert sind.“ Domning dankte den Liturgen Markus Zimmermann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, und Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd, für die Leitung des Gottesdienstes sowie der Mülheimer Kantorei unter der Leitung von Christoph Spering und Barbara Mulack an der Klais-Orgel für die musikalischen Gestaltung der Bachkantate „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Stadtdechant Robert Kleine, Bürgermeisterin Elfi-Scho-Antwerpes, Stadtsuperintendent Rolf Domning, Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, Präses Manfred Rekowski, Superintendent Markus Zimmermann und Superintendent Dr. Bernhard Seiger (v.l.)
Kein kollektives Aufjauchzen „Alles gut!“
Die Barmer Theologische Erklärung und die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre waren auch Themen der Predigt, die Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, hielt. Er hatte als Predigttext Johannes 3,18 ausgewählt, an den auch die Gemeinsame Erklärung gleich zu Beginn anknüpft. Dort heißt es „Denn also hat Gott die Welt geliebt.“ Damit habe sich Luther intensiv beschäftigt. „Luther macht auch an dieser Stelle eine biblische Einsicht stark: Gott ist in seiner Liebe zu den Menschen nicht wählerisch, er stellt keine Vorbedingungen, er nimmt die Menschen unabhängig von ihren Leistungen und Fehlleistungen an. Oder ganz schlicht: Er liebt die Menschen und die Welt“, erklärte der Präses und erinnerte an die vielen Krisenherde in der Welt, angesichts derer es keinen Grund gebe für ein kollektives Aufjauchzen „Alles gut!“.

Gottes Wort als Zeitansage
Gott wolle nicht, dass die Welt zugrunde gehe, dass Menschen verlorengingen und ums Leben gebracht würden: „Ihm zu vertrauen, seine Wege zu gehen, führt uns zu den Menschen, die uns brauchen, und führt uns so zu Gott. Seine Wege sind Wege zu einem Leben in Fülle, zu einem ‚ewigen Leben‘“. Die Barmer Theologische Erklärung nannte Rekowski „Gelebte Reformation“. Wie so oft vorher und nachher hätten die Verfasser der Erklärung Gottes Wort als orientierende Zeitansage verstanden. Und seien abgewichen vom Mainstream. „Christinnen und Christen lassen sich immer wieder konfessionsübergreifend ermutigen, stellen infrage, was ist. Denn das Wort Gottes führt uns vor Augen, dass die bestehenden Verhältnisse nicht alternativlos sind. Gott will, so heißt es in biblischer Sprache, ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens.“ In der zweiten These ist die Rede vom Anspruch und Zuspruch: „Eines meiner Lieblingswortpaare der Barmer Erklärung“, sagte Rekowski: „Dabei geht es um den Zuspruch der Vergebung aller Sünden und Gottes Anspruch auf unser ganzes Leben. Glaube hat Bodenhaftung und Lebensbezug. Oder er ist frömmelnde Spinnerei. Das gilt auch für die Bereiche 'Weltverantwortung und Politik'".

Präses Manfred Rekowski während der Predigt auf der Kanzel der Kölner Trinitatiskirche
Staat muss für Recht und Frieden sorgen
Danach wandte sich der Präses der fünften These der Barmer Erklärung zu. „Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen“, heißt es da. Dem Staat wird dort keine besondere Würde zugeschrieben und er ist nicht von Gottes Gnaden. Er hat, notfalls unter Ausübung von Gewalt, für Recht und Frieden zu sorgen. „Es wird“, so der Präses, „in der noch nicht erlösten Welt nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens regiert. Das heißt, mit Fehlern, Kompromissen und Irrtümern, ohne dass Politik dadurch automatisch als schmutziges Geschäft diffamiert werden könnte.“

„Gott hat ein Herz für die Fremden
Die Kirche bringe sich in den öffentlichen, politischen Diskurs ein. „Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit“, sagte Rekowski. Gerechtigkeit sei der Stoff, aus dem eine menschliche Gesellschaft entstehe. „Die Regierenden tragen Verantwortung. Aber auch die Regierten sind auch nach dem Wahltag nicht verantwortungslos, nicht ohne Verantwortung.“ Und weiter: „Nicht die Mächtigen, sondern die zur Welt gehörenden Menschen liebt Gott. Er hat ein Herz für diejenigen, die nicht in der ersten Reihe sitzen. Er hat ein Herz für die Opfer, für die am Leben leidenden und zerbrechenden Menschen. Er hat ein Herz für die Fremden. Er hat die im Blick, die übersehen werden. Sie alle haben eine Würde, auch wenn sie noch keinen Cent zur Steigerung des Bruttosozialproduktes beigetragen haben", schloss der Präses.

Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Christoph Spering wurde die Bachkantate "Ein feste Burg ist unser Gott" durch die Mülheimer Kantorei äußerst stimmungsvoll aufgeführt
Hoher Einsatz in Kirche und Diakonie
Auch Bürgermeisterin Elfi-Scho-Antwerpes ging in ihrem Grußwort von Seiten der Stadt Köln ein auf die Frage nach gesellschaftlichem, politischem Engagement von Christen und dankte den Evangelischen für ihren hohen Einsatz in Kirche und Diakonie „für Andere und für das Gemeinwohl“. Wo Politik an Grenzen stoße, könne die Kirche Normen, Maßstäbe und Werte in die Gesellschaft einbringen: „Der freiheitlich-demokratische Staat braucht nicht nur Ordnung und Gesetze, er braucht darüber hinaus auch gemeinsame, verbindende Vorstellungen von Freiheit und Gerechtigkeit, von Menschenwürde und Toleranz, also gemeinsame Normen für den inneren Zusammenhalt. Der christliche Glaube kann da eine Orientierung geben – und die Bildung politischer Grundsätze oder Überzeugungen inspirieren, ja deren Umsetzung und Erhalt sogar ermöglichen.“

Wie stets kamen zahlreiche Gäste im Anschluss an den Gottesdienst zu einem regen Austausch zusammen bei „Gesprächen, Getränken und Gesalzenem“ im Foyer der Basilika. Die Kollekte des festlichen Reformationsgottesdienstes von insgesamt 4.517,80 Euro wurde zur Unterstützung der Arbeit des Kölner Flüchtlingsrates e.V. gesammelt.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Domradio/Anna Siggelkow