You are currently viewing „Die Kirche im Dorf lassen.“ Diskussion über die Zukunft unserer Kirchen, Moscheen und Synagogen

„Die Kirche im Dorf lassen.“ Diskussion über die Zukunft unserer Kirchen, Moscheen und Synagogen

Die Brisanz des Themas war zu jedem Zeitpunkt der Diskussion zu spüren. „Die Kirche im Dorf lassen. Über die Zukunft unserer Kirchen. Kirche – Moschee – Synagoge“ hieß der Titel der Veranstaltung, zu der das Architektur-Forum Rheinland ins Domforum eingeladen hatte. Vor vollem Haus debattierten Ernst Fey, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, der katholische Stadtdechant Johannes Bastgen, Bekir Alboga von der DITIB, dem muslimischen Verband, der in Köln-Ehrenfeld die Moschee bauen möchte, und Sonja Güntner von der liberalen jüdischen Gemeinde Kölns über die Zukunft der Gebetsstätten.


„Die Moschee ist Gemeindezentrum und wird nicht eingeweiht“
Am Anfang der Diskussion stand die Frage, wie die Religionen ihre jeweiligen Kirchen, Moscheen und Synagogen definieren. „Für die Juden ist die Synagoge ein Versammlungsort. Sie ist nicht in erster Linie ein sakraler Raum, sondern eher ein Gemeindezentrum“, erläuterte Sonja Güntner. Ob der Gebetsraum ein sakraler Ort ist, sei je nach rabbinischer Lehrmeinung umstritten. Im Zentrum des jüdischen Gottesdienst steht die Thora. „Das ist der einzige sakrale Gegenstand in der Synagoge. Vielleicht noch der Thoraschrank.“ Wichtig für eine Synagoge sei darüber hinaus die Ausrichtung nach Jerusalem. Sonja Güntner wies darauf hin, dass in Nordrhein-Westfalen mehr Christen leben als weltweit Juden. Deren Gemeinden seien sehr klein und würden in der Diaspora im „schlimmsten Fall“ ihre Gottesdienste in einem Wohnzimmer feiern. Alboga überraschte das Publikum: „Was unsere Moscheen angeht, fühle ich mich von Sonja Güntners Erläuterungen zu Synagogen sehr gut beschrieben.“ Kennzeichnend für die Moschee sei die Kanzel für die Freitagspredigt, auf der das Wort Gottes rezitiert und ausgelegt werde, und das Minarett, von dem zum Gebet gerufen werde. „Die Moschee ist Gemeindezentrum und wird nicht eingeweiht.“ Sie muss zwingend nach Mekka ausgerichtet sein, „denn Mekka ist wegen der Kaaba der Nabel der Welt“, so Alboga.

Basilika bedeutet Versammlungsraum und Markthalle
Die Muslime kennen keine Priesterschaft. „Gott sagt: Ich bin meinem Diener näher als die Halsschlagader“, zitierte Alboga. Sakral werde die Moschee als Raum allenfalls durch die Auslegung des Wortes Gottes, die dort stattfinde. Ebenfalls mit einem Zitat wartete Bastgen auf: „Sie brachen in ihren Häusern das Brot“, heiße es in der Apostelgeschichte. Im fünften Jahrhundert hätten die Christen ihre ersten Kirchen errichtet. Das griechische Wort „Basilika“ stehe für Versammlungsraum, aber auch für Markthalle. “ Für uns ist der Kirchraum sakral wegen der Anwesenheit Gottes“, verdeutlichte Bastgen den Unterschied zu Alboga und Güntner. Im Tabernakel sei Christus selbst im Sakrament des Altars anwesend. Die Gemeinde sei allerdings nicht an ihre Kirche gebunden. Während der Zeit, als in Osteuropa Christen verfolgt wurden, hätte man auch an anderen Orten Messen gefeiert. „Dieses Haus soll für ewig Dir gehören“ heiße es bei der Einweihung einer katholischen Kirche. Damit sei sie für immer Gott gewidmet und stehe für eine profane Nutzung nicht mehr zur Verfügung.

Die Bibel auf dem Altar als Symbol protestantischen Glaubens
„Für uns ist Kirche dort, wo das Wort Gottes recht verkündet und die Sakramente recht verteilt werden“, erklärte Fey das Grundverständnis der Protestanten. Luther habe gesagt, wenn es nach ihm ginge, könnten Gottesdienste auch im „Saustall“ stattfinden. Die Bibel auf dem Altar sei das Symbol für das Zentrum protestantischen Glaubens. Bei der Kirchweihe bitten die Evangelischen um Gottes Segen für das Haus, aber vor allem für die Menschen. Damit hatten die Diskussionsteilnehmer ihre Pflöcke eingeschlagen.
Nun ging es ans Eingemachte.

Ein christliches Haus sollte nicht zur Moschee werden
In der Erzdiözese Köln und im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region gibt es Kirchen, die in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werden. Können die anderen Religionen übertragen werden? „Sehr schwierig“, erklärte Fey und erinnerte an ein Beispiel: „1980 haben wir die Markuskirche in Ehrenfeld an die christliche arabisch-orthodoxe Gemeinde übergeben.“ Da habe es heftige Proteste gegeben, weil viele gedacht hätten, es handele sich nun um eine Moschee. Da gebe es in der evangelischen Kirche eine klare Rechtslage: Ein evangelisches Gotteshaus sei nun einmal keine Moschee, eine solche Nutzung würde sich von selbst verbieten. Ähnlich äußerte sich Bastgen. Er erinnerte an die katholische Kirche Alt-St.-Heribert, die man der griechisch-orthodoxen Gemeinde überlassen habe, und an St. Johann-Baptist, die zum Teil als Jugendzentrum genutzt werde. „Wir können das im Übrigen auch mal eine Generation aushalten, wenn eine Kirche nicht genutzt wird.“ Dass aus einer katholische Kirche eine Moschee werden könnte, ist für Bastgen unvorstellbar. „Eine muslimische ,Übernahme‘ würde die Islamphobie nur verstärken.“ Auch ein Supermarkt sei undenkbar. Schon bei einer Profanisierung einer Kirche etwa zu einer Kunsthalle kämen in den Gemeinden regelrecht Aggressionen hoch. Die Menschen vor Ort identifizierten sich sehr mit der Kirche, in der sie getauft wurden, die erste heilige Kommunion empfangen und geheiratet hätten.

Liberale jüdische Gemeinde bald in Buchforst?
Die liberale jüdische Gemeinde Köln ist in einem Raum der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Niehl, der Kreuzkapelle, untergekommen. Dort feiert sie Gottesdienste in einem Raum, der heute Gemeindezentrum ist und früher Kirche war. Sonja Güntner nannte eine Bewerbung ihrer Gemeinde für die evangelische Kirche in Buchforst denkbar. Der Erwerb einer Kirche sei immer billiger als ein Neubau. Fey zeigte sich skeptisch angesichts des Presbyteriums in Buchforst, das darüber zu entscheiden habe.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann