Manchmal soll es ganz schnell gehen: Anfang der nächsten Woche sollte das Kind am Herzen operiert werden, am Freitagmittag kam die Mutter mit der künftigen Patin völlig aufgelöst zu Eckart Schubert in die Evangelische Kircheneintrittstelle im CityPavillon an der Antoniterkirche – die Patin wollte umgehend in die Evangelische Kirche eintreten, damit die Taufe am Wochenende noch vor der Operation vollzogen werden konnte.
„Es ist dann medizinisch Gott sei Dank alles gut gegangen, die beiden waren später mit dem Kind noch mal bei mir, und wir haben uns nett unterhalten“, erzählt der Pfarrer im Ruhestand und ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Köln-Mitte.
Keine Gewissensforschung
Ein Extremfall sicherlich, und bestimmt keine Situation, in der eine ausführliche Erörterung der persönlichen Gründe für einen Wunsch nach dem Kircheneintritt gut möglich gewesen wäre. Eine Gewissenserforschung oder die Prüfung von Kirchenwissen finde jedoch auch bei anderen Eintrittsgesprächen nicht statt: „Wir fragen ja auch niemanden, weshalb er seit seiner Taufe Mitglied unserer Kirche ist, oder wie er es denn mit bestimmten Inhalten hält“, erklärt Schubert, der im Wechsel mit einem Dutzend anderer Pfarrerinnen und Pfarrer die zentrale Eintrittsstelle des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region betreut. „Hier wird niemand in irgendeine Ecke gedrängt, es ist mir wichtig, dass das Gespräch offen bleibt und der Besucher, die Besucherin, sich angenommen fühlt.“
193 Eintritte im Jahr 2013
Selbstverständlich sei ihm auch klar, dass nicht alle Eintrittswilligen stets eine gefestigte religiöse Überzeugung mitbringen, sondern die Gründe auch ganz profan und durchaus pragmatischen Überlegungen folgen können: wenn etwa ein Job in einer Einrichtung protestantischer Trägerschaft winkt, oder wenn bestimmte Anlässe wie Heirat oder Taufe bevorstehen und der Partner oder dessen Familie das kirchliche Ritual wünschen. Diese Beobachtungen würden auch der Statistik nicht widersprechen: 193 Eintritte wurden 2013 an der Antoniterkirche vorgenommen, in 100 Fällen (mehr als 50 Prozent also) kam der Antrag von Menschen im Alter zwischen 21 und 40 Jahren – dem Zeitraum, in dem klassischerweise die genannten Lebensentscheidungen im Berufs- oder Privatleben fallen. Übertritte von anderen Konfessionen erfolgten 2013 dabei in 66 Fällen: „Heute sind die Unterschiede beispielsweise zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche vielen Menschen einfach nicht mehr so wichtig wie noch vor einigen Jahrzehnten“, meint Schubert. „Da erscheint es den Familien bisweilen sinnvoller, wenn alle Mitglieder zu einer Gemeinde, zu einer Konfession gehören.“ Und sicherlich steigerten auch in den Medien debattierte Krisen und Skandale, manchmal sogar in Wellen, die Zahl der zum konfessionellen Übertritt Entschlossenen.
Niemand wird abgewiesen
Was auch immer aber die persönlichen Gründe für einen Kircheneintritt oder -übertritt seien, abgewiesen werde im evangelischen CityPavillon kein Antragsteller. Allerdings müsse der in einer zentralen Eintrittsstelle unterschriebene Aufnahmeantrag aus rechtlichen Gründen immer noch von der zuständigen Ortsgemeinde bestätigt werden, informiert der Pfarrer. In Düsseldorf sei das tatsächlich einmal verweigert worden, weil der Aspirant dort bereits viermal zu Anlässen wie Hochzeit, Taufe oder Übernahme einer Patenschaft eingetreten – und dann unmittelbar nach der Zeremonie wieder ausgetreten war. In Köln sei das noch nicht vorgekommen.
Taufen nur in der Gemeinde
Eine Taufe kann übrigens nur in der Kirchengemeinde selbst vollzogen werden. Und die ist manchmal vor dem Kircheneintritt dann noch notwendig, wenn sich herausstellt, dass das künftige evangelische Gemeindeglied zuvor einer bestimmten Gemeinschaft oder Sekte angehört hat, in der die Taufe nicht unter Gebrauch der trinitarischen Formel „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ durchgeführt worden war. In solchen Fällen hat Eckart Schubert einen dicken Wälzer über die „Religiösen Gemeinschaften in Deutschland“ zur Hand und muss sicherheitshalber einmal nachsehen, wie es sich damals genau verhalten hat.
Eintritt ganz diskret
Im Prinzip ist jede Kirchengemeinde immer auch eine Kircheneintrittstelle. Oft aber kommen Menschen, zumeist mittleren Alters, also aus der Gruppe der 41- bis 60-Jährigen – im Jahre 2013 waren es in Köln insgesamt 68 Personen – eigens zur zentralen Eintrittstelle, und zwar aus Gründen der Diskretion: „Häufig sind sie schon länger wieder in der Frauen- oder Seniorenarbeit einer Gemeinde aktiv, und es wäre ihnen dann peinlich, den Eintritt ausgerechnet in der Gemeinde selbst zu beantragen“, berichtet Eckart Schubert.
Erkenntnisse älterer Menschen
Und dann gibt es noch jene Menschen, die aus einem wohl eher ungewöhnlichen Grund den Eintritt in die Evangelische Kirche begehren, weil sie es sich – erstmals oder wieder – finanziell leisten können, überhaupt Kirchensteuern zu zahlen“, stellt Schubert fest. „Und wenn es auch stimmt, dass junge Menschen heute möglichst unabhängig sein und die Entscheidungen über ihr Leben selbst treffen möchten, dann gibt es doch viele, die, wenn sie erst einmal älter geworden sind, merken: So ganz alleine schaffe ich es doch nicht.“
Bronze-Engel zum Abschied
Eckart Schubert kann schließlich immer darauf hoffen, dass der mit Bronze überzogene kleine Engel, der nach Unterzeichnung des knappen Formulars überreicht wird, eine Wirkung hat – denn er macht sich schon durch sein Gewicht bemerkbar. Oder dass die beigefügten Verse aus Psalm 91 Eindruck hinterlassen: „Dir begegnet kein Unheil, kein Unglück naht deinem Zelt. Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf allen deinen Wegen. Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß sich nicht an einem Stein stößt.“ Der Text passe zum Inhalt des Gesprächs, bei dem gerade auch die „emotionale Ebene“ sehr wichtig sei.
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