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Die Geschichte der heutigen „Kulturkirche Köln“ begann als Lutherkirche vor 125 Jahren – ein Rückblick

Wie war das eigentlich damals – 1881 -, als die Evangelischen in Nippes beschlossen, eine Gemeinde zu gründen? Zunächst: Nippes war eine eigenständige Stadt, die nach der Franzosenzeit einen rasanten Aufstieg erfahren hatte. Betrug die Einwohnerzahl im Jahre 1817 noch 273 Einwohner, stieg sie von 1859 auf 824 (im Jahr 1871 waren es 4621) bis zum Jahr 1880 auf 9.930. 1906 zählte man bereits 36.000 Nippeser.


„Zentral-Eisenbahn-Werkstätten“ in Nippes gebaut
Basis für den Aufschwung war natürlich die Industrialisierung. Die neuen Fabriken, die überall Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Boden schossen, brauchten Platz. Nippes vor den Toren Kölns hatte Platz. Nur zu gern verkauften die Einwohner für teuer Geld ihren Grund und Boden und zogen, nunmehr reich geworden, in die teuren Innenstadtlagen in Domnähe. Und auf Grund seiner bäuerlichen Strukturen bot sich Nippes geradezu an für die Ansiedlung von Unternehmen, da so viel Gelände zur Verfügung stand, dass auch eine spätere Ausweitung der Produktion berücksichtigt werden konnte. Größte Bedeutung für Nippes hatte die Entscheidung der Rheinischen Eisenbahngesellschaft in Köln, die „Zentral-Eisenbahn-Werkstätten“ in Nippes zu bauen.


Nippes 1888 nach Köln eingemeindet
Doch der Aufschwung ging zu schnell. Unsystematisch wurde gebaut, die Infrastruktur vernachlässigt. Zwischen Nippes und Ehrenfeld gab es zum Beispiel nur einen Verbindungsweg. Eine Kanalisation oder gar Wasserleitungen fehlten, Nippes entwickelte sich zu einem veritablen Slum. Kein Wunder also, dass dort noch 1887 Typhus ausbrach. Die Verhältnisse besserten sich, als Nippes 1888 nach Köln eingemeindet wurde. Im Übrigen war die Flora-Apotheke, die sich bis heute in Nippes am damaligen Platz befindet, Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige Apotheke zwischen Köln und Neuss. Aber Nippes blühte auf: „In Ihrefeld jeht et de Weete jot, in Neppes de Frisöre“ hieß es. Ein Frisörbesuch galt damals als Luxus, ein Kneipenbesuch eher nicht.

Einweihung der Lutherkirche an der Siebachstraße
Und die Evangelischen? Viele waren es nicht, die sich seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in Nippes trafen. Für ihre Gottesdienste stand ihnen ab 1881 ein kleiner Betsaal an der Dormagener Straße zur Verfügung. Doch mit dem Aufschwung von Nippes einher ging auch das Aufblühen der protestantischen Gemeinde. Deutlichstes Zeichen war die Einweihung der Lutherkirche an der Siebachstraße, benannt nach den Zuckerfabrikanten Sieper und Selbach, deren Fabrik an der Hartwichstraße stand. In guter protestantischer Tradition steht die Wandinschrift, die man bis heute in dem Gotteshaus findet: „Zur Erinnerung an den vierhundertjährigen Geburtstag des Dr. Martin Luther. Mit Hilfe freiwilliger Gaben erbaut 1886 – 1889. Ein feste Burg ist unser Gott“


Kirche: einmaliges Beispiel für die Baukunst der Neugotik
Finanziert wurde die Kirche durch einen Kirchenbaufonds. Auch dies ein Zeichen für den langsam wachsenden Wohlstand in Nippes. Natürlich trugen auch einige Unternehmer ihr Scherflein zum Fonds bei. Gehörten doch damals 12 Prozent der Bevölkerung Köln dem protestantischen Glauben an, allerdings 66 Prozent der Unternehmer mit den höchsten Einkommen. Gebaut wurde die Kirche nach Plänen des Kölner Baumeisters August Albes im neugotischen Stil hannoverscher Prägung. Da sie die Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt überstand, gilt sie heute in Köln als einmaliges Beispiel für die Baukunst der Neugotik und kann als eines der Wahrzeichen von Nippes gelten, passend mit ihren roten Ziegelsteinen zu den Industrieanlagen und Altbauten in der Umgebung.


Viel Prominenz in der „Kulturkirche Köln“
Einen enormen Bedeutungszuwachs hat die Lutherkirche erlangt, seit sie als „Kulturkirche Köln“ hochkarätigen Künstlern aus dem In- und Ausland einen stimmungsvollen Rahmen für Konzerte und Lesungen bietet. Welche Kontakte auf diesem Feld mittlerweile entstanden sind, bewies eindrucksvoll das Jubiläumskonzert mit den drei Geigen-Virtuosen Klaus von Wrochem (Klaus der Geiger), Mani Neumann und Christoph Broll. Sie boten zum 125-jährigen Bestehen der Gemeinde eine furiose Show und spannten den Bogen von Jazz, Folk und Kleszmer bis zum klassischen Protestsong der Straßenmusik. Gut besucht war auch das Gemeindefest zum Jubiläum. Dabei spielte sich „Pelemele“, die Band der Kinderstunksitzung, vor allem in die Herzen der jüngeren Besucher, die sich auch beim Kinderschminken oder Kistenklettern vergnügten. Die Älteren genossen Kirchenführungen und ließen sich das Kölsch schmecken.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann