Kann man als Naturwissenschaftlerin gläubig sein? Oder muss man es am Ende sogar? Heike Henneken entlockt die Frage ein Lächeln. „Die Bibel ist ja kein naturwissenschaftliches Buch“, sagt die Geschäftsführerin des Departments für Chemie an der Universität zu Köln. „Die Bibel ist ein Buch über die Beziehungen zwischen Menschen. Und über die Beziehung der Menschen zu Gott“, fährt die promovierte Physikerin fort. Bis ins Mittelalter habe man versucht, alles, was wissenschaftlich nicht erklärbar gewesen sei, mit Gott zu erklären. Darüber sei man längst hinaus. Und Leute wie Kepler und Galilei hätten ja in erster Linie Probleme bekommen, weil sie sich der herrschenden Kirchenmeinung nicht untergeordnet hätten. Mit der Bibel habe das eigentlich nichts zu tun gehabt.
Dr. Heike Henneken weiß, wovon sie redet. Sie wurde kürzlich von Superintendentin Susanne Beuth in einem Gottesdienst in der Lindenthaler Paul-Gerhard-Kirche zur Prädikantin ordiniert. Prädikantinnen und Prädikanten arbeiten ehrenamtlich in den Kirchengemeinden als Laienpredigerinnen und -prediger. Sie sind berechtigt, Gottesdienste zu leiten und Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen vorzunehmen.
„Es war eine Entscheidung für die Menschen“
Heike Henneken wird dies zukünftig in der Lindenthaler Gemeinde tun. Auch wenn sie dort nicht wohnt. Aber fast. „Meine Familie und ich leben in der Nähe des Zülpicher Platzes. Also sozusagen auf der Gemeindegrenze.“ Als sie 2007 nach Köln gezogen ist, hatte sie eigentlich einen Willkommensbrief der Ortsgemeinde erwartet. Der kam aber nicht. Also hat sich die Neu-Kölnerin umgesehen und wurde schnell auf die Lindenthaler Gemeinde aufmerksam. Auch durch Kontakte der Kinder. „Wir haben uns dort sofort wohl gefühlt. Es war eine Entscheidung für die Menschen, für die Art, wie dort Gottesdienste gefeiert werden“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin.
Über „evangelische Erfahrung“ verfügte sie schon damals reichlich. In Berlin war sie schon in jungen Jahren Gemeindekirchenrätin. Dieses Amt entspricht den rheinischen Presbyterinnen und Presbytern. Und mit noch nicht mal 18 Jahren war sie bereits „Ersatzälteste“ in der Landessynode, der sie später als Vollmitglied angehörte. Natürlich hat sie sich auch als Teamerin in der Konfi-Arbeit engagiert. Spannende Zeiten seien das damals gewesen, als die Mauer fiel. „Berlin und Brandenburg waren ja immer eine Landeskirche. Und der damalige Bischof Kurt Scharf hat sich sehr darum bemüht, die Zusammengehörigkeit über die Ost-West-Grenze zu pflegen“, erzählt Heike Henneken. Dass er dann irgendwann nicht mehr in die DDR einreisen durfte, habe Scharfs Bemühungen natürlich stark eingeschränkt. „Nach dem Mauerfall verschmolzen ja nicht nur die Bundesrepublik und die DDR. Auch die evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg wurde neu geordnet.
„Naturwissenschaftlicher Stallgeruch“
Ins Rheinland hat es die Familie Henneken verschlagen, als Heikes Mann einen Ruf der Universität Duisburg erhielt. Dort arbeitet er als Professor für Physik. Dass seine Frau als studierte Physikerin eine Stelle an der chemischen Fakultät in Köln erhielt, war alles andere als Zufall. „Die suchten jemanden mit naturwissenschaftlichem Stallgeruch. Ich bin ja hier im Wissenschaftsmanagement tätig und nicht mehr in der Forschung.“ Aber natürlich gebe es viele Anknüpfungspunkte zwischen der Physik und der Chemie. „Nicht zuletzt ist bei uns ja auch die physikalische Chemie angesiedelt.“ Dass die Naturwissenschaften immer noch Männerdomänen sind, kann Heike Henneken nicht bestätigen. „In der Chemie ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. In der Physik sind es aber immer noch mehr Männer.“
Voll des Lobes ist Heike Henneken über einen Mann. Der Lindenthaler Pfarrer Armin Beuscher war während der Zurüstungszeit ihr Mentor. „Das war ein großes Geschenk. Er hat mich super begleitet. Und ich habe so viel von ihm gelernt.“ Dafür hatte sie deutlich mehr Zeit als andere, denn die Zurüstung dauerte wegen Corona deutlich länger als normal.
Beuscher gibt das Lob gern zurück: „Ihre Heimatprofession ist die Physik und ihr jetziger Arbeitsbereich der Fachbereich Chemie. Dass Frau Henneken in der Schnittstelle zwischen Theologie und modernen wissenschaftlichen Fragestellungen steht, dass sie sowohl im Berufsleben als auch im Familienleben ihre Frau steht, dass sie ehrenamtlich schon als junge Frau in kirchlichen Strukturen zu Hause war, all das ist ein reicher Segen für unsere Gemeinde und die Kirche.“
Foto(s): Stefan Rahmann