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Die Arbeit der evangelischen Beratungsstellen: eine gute und eine schlechte Nachricht

Die gute Nachricht ist: Die Arbeit der Familienberatungsstellen in Köln ist zurzeit nicht existenziell gefährdet. Die Kürzungen der Landesfördermittel fielen deutlich geringer aus als geplant, so die Leiterin der evangelischen Beratungsstelle, Dr. Juliane Arnold (Foto):  „Die Landespolitik hat der Bedeutung der niedrig schwelligen und präventiven Arbeit Rechnung getragen.“

Statt bei 37,5 Prozent lägen die Kürzungen der Personalkosten-Zuschüsse nun bei zehn Prozent, erklärte Arnold. Demnach stehen den rund 300 Beratungsstellen in NRW 20,1 Millionen Euro in den Jahren 2004 und 2005 zur Verfügung. Für die drei evangelischen Einrichtungen in Köln, Bensberg und Frechen bedeuteten die Kürzungen eine Haushaltslücke von 30.000 Euro, erläuterte Arnold. Trotz des positiven Signals der Landesregierung könne ein solcher Betrag nicht vollständig aufgefangen werden. Eine Personalstelle im Bereich der Eheberatung werde nicht wiederbesetzt, erkläret Arnold laut epd-Meldung.

Rund 8.200 Familien in Köln wandten sich den Angaben nach im letzten Jahr an die neun Beratungsstellen in kirchlicher oder kommunaler Trägerschaft. Im Bereich der Erziehungsberatung stand das Thema Trennung mit 26 Prozent an oberster Stelle, gefolgt von Beziehungsproblemen (25 Prozent) und Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern (19 Prozent). Die beratenden Hilfen für Kinder und Eltern mit Migrationserfahrung haben deutlich zugenommen. Das unbürokratische Angebot habe diese Bevölkerungsgruppe erreicht, und es sei eine Vertrauensbasis entstanden.


Die schlechte Nachricht findet sich auf den Internetseiten der Rheinischen Landeskirche: Rund 1,6 Millionen Euro müssen Familien- und Lebensberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen sparen. Das sieht der Ende Januar verabschiedete NRW-Doppelhaushalt 2004/2005 vor. Schließungen und Stellenabbau drohen den Beratungsstellen der rheinischen Kirche.

Der Pfarrer und Diplom-Psychologe Edwin Jabs leitet seit elf Jahren die Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung der EKiR. Mit ihm sprach Petra Anna Siebert für die Landeskirche, hier das Interview in voller Länge, nachzulesen auch hier

Was bedeutet die Sparmaßnahmen für die Beratungsstellen?

Die 1,6 Millionen Euro sind für uns schwer zu verkraften, aber dennoch eine gewisse Erleichterung, weil wir ursprünglich von 5,8 Millionen Euro Einsparungen ausgegangen sind. Mit den 1,6 Millionen verbunden ist eine Konzentration auf die Erziehungsberatung, besonders auf die Beratung Alleinerziehender, Familien in Trennung und Migranten. Aber wir haben unter unseren Klienten schon einen hohen Anteil zumindest an den ersten beiden Gruppen, so dass das wohl kein Problem für uns ist. Außerdem ist eine engere Kooperation mit anderen Institutionen, mit Jugendämtern, Schulen und Kindergärten vorgesehen. Das läuft auch oft schon, soll aber verbindlicher werden.

Aber wie wirken sich die Einsparungen konkret aus?

Die ursprünglich geplanten Einsparungen hätten drastischen Personalabbau und wohl auch Stellenschließungen bedeutet. Auch jetzt sind Stellen gefährdet, es drohen weitere Zusammenlegungen von Beratungsstellen. Schon Anfang Januar wurden in Krefeld zwei Beratungsstellen zusammengelegt, in Essen werden die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstellen Ende September geschlossen. Die Einsparungen des Landes sind für uns immer noch dramatisch, weil auch kircheneigene Mittel zurückgehen.

Dann sind nicht nur sinkende Landesmittel das Problem?

Da kommen mehrere Dinge zusammen, Sparmaßnahmen im Land, in den Kommunen und bei der Kirche. Und an manchen Orten gibt es weniger Geld von Land, Kirche und Kommune.

Erschwert diese Situation nicht die Arbeit in den Beratungsstellen?

Ja. Für die Beraterinnen und Berater ist das eine schwierige Situation, verunsichernd und psychisch sehr belastend. Dabei müssen sie ja gerade in ihrer Arbeit Menschen in sehr schwierigen Lebenslagen Halt und Stabilität geben. Sie leisten zurzeit wirklich einen emotionalen Spagat, das bedarf großer Professionalität.

Es muss gespart werden, aber jeder sagt, seine Sache sei wichtig. Warum soll gerade bei den Beratungsstellen nicht gespart werden?

Ich möchte andere Arbeitsbereiche nicht geringer achten. Beratungsstellen sind notwendig, weil hier Menschen in Krisensituationen fachliche Hilfe erhalten. Daran können sich Biographien entscheiden. Es geht in unserer Arbeit darum, bei existentiellen Problemen frühzeitig und niedrigschwellig Hilfe anzubieten. So werden Probleme nicht chronisch, was auch gesellschaftlich viel teurer wäre. Ist beispielsweise ein Erziehungsproblem gut gelöst, wirkt sich das positiv auf Eltern und Kinder aus und auch auf die ganze Umgebung, die Schule oder den Kindergarten.

Was wünschen Sie sich für die Beratungsstellen?

Dass die hohe Wertschätzung durch die Klienten, das große Vertrauen dieser Menschen auch von den Entscheidungsträgern im Land, bei der Kirche und in den Kommunen wahrgenommen und geteilt wird.

 

Text: epd/ekir/AL
Foto(s): Stadtkirchenverband Köln