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Der Marathon zu Gott

Der Läufer und die Läuferin kennen sich schon länger. Dr. Frank Hofmann, Chefredakteur der Läuferzeitschrift „Runners world“, hat vor einigen Jahren mit der joggenden Professorin, Pfarrerin Dr. Margot Käßmann, damals noch Landesbischöfin in Hannover, ein Interview zum Thema „Laufen“ geführt. Jetzt saßen sich die beiden – auf Einladung der Melanchthon-Akademie Köln und des Gütersloher Verlagshauses – im Haus der Evangelischen Kirche wieder gegenüber. Und wieder sollte es um die mehr oder weniger leicht beschleunigte Fortbewegung zu Fuß gehen. Schließlich hat Hofmann ein Buch mit dem Titel „Marathon zu Gott“ geschrieben, das mit 42 Kapiteln so viele hat wie ein Marathon Kilometer.


Grundüberzeugungen evangelischen Glaubens
Doch dann kam erstmal alles ganz anders. Das Gespräch geriet zu einem Parforceritt durch die Grundüberzeugungen evangelischen Glaubens. Denn der Besuch des Journalisten in Hannover hatte bei ihm Spuren hinterlassen. „Ich habe danach viele theologische Bücher gelesen“, berichtete Hofmann. Beim täglichen, einstündigen Lauf habe er darüber nachgedacht und so einen „rationalen Zugang zum Christentum gefunden, der auch möglich ist“. In der Tat gleiche sein Weg zum christlichen Glauben einem Marathon. „Nach ein paar Kilometern hat man den Rhythmus gefunden, alles läuft super. Dann erfolge eine Stoffwechselumstellung, und plötzlich befalle einen das Gefühl: „Das schaffe ich doch nicht.“ Dann müsse man aber trotzdem weiterlaufen. „Ich habe auch gezweifelt“, erklärte Käßmann: „Aber ich habe nie den Faden verloren.“ Das Studium hat sie „eher weggebracht vom Glauben. Der Kinderglaube in mir ist sehr stark. Dieses Vertrauen trägt bei Brüchen im Leben.“ Und die habe es bei ihr weiß Gott gegeben. Aber die Frage lautet für Käßmann nicht „Wie konnte Gott das zulassen? Gott gibt mir Kraft, solche Brüche auszuhalten.“ Natürlich gebe es in jedem Leben die Suche nach Sinn, die Frage nach dem „Woher“ und „Wohin“. „Untersuchungen besagen, dass jeder 75-Jährige zwölf Jahre seines Lebens vor dem Fernseher verbracht hat. Wer möchte am Ende nach dem ,Warum‘ fragen und keine Antwort finden?“ Es gelte, sein Gewissen an der Bibel zu schärfen und daraus eine eigene Ethik zu entwickeln.

Marathon zu Gott
Die Begegnung mit Gott gleiche der Anbahnung einer Freundschaft im Leben. „Man trifft sich auf einen Kaffee. Man trifft sich öfter, es entsteht eine vielleicht sehr tiefe Vertrauensbeziehung. So kann man sich auch Gott schrittweise annähern.“ Es sei aber falsch, darauf zu hoffen, „dass Gott einem beim Joggen irgendwo auf dem Waldweg begegnet“. Die evangelische Variante und auch Luther selbst stünden für den „gebildeten Glauben“. Schließlich habe Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt, damit jeder nachlesen konnte, was darin steht.
Auch zu aktuellen Fragen äußerte sich die Pfarrerin. Zum Beispiel zur Präimplantationsdiagnostik (PID). Dabei handele es sich um eine Entscheidung, in der die evangelische Kirche keine klare Meinung vertrete. Für die Zulassung und das Verbot der PID gebe es aus christlicher Sicht gute Argumente.

Disziplin und Rhythmus
Dann ging es zurück zum Thema des Abends. „Kirche und Sport könnten viel mehr miteinander machen“, sagte die offizielle Repräsentantin der EKD für das Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Laufen und Beten verbinde zweierlei: Disziplin und Rhythmus. Laufen beinhalte darüber hinaus starke Elemente von Meditation. Zum Meditieren sei sie während ihrer Teilnahme an den auch von der evangelischen Kirche organisierten „Nordseeläufen“ allerdings nicht gekommen. „Da war immer jemand neben mir, der mit mir reden wollte. Oft hat man zu mir gesagt: ,Frau Käßmann, wenn sie weniger reden würden, könnten sie auch schneller laufen‘.“ Laufen habe aber auch eine spirituelle Ebene. „Der Geist wird frei zur Begegnung mit Gott, wenn man in einem anderen Rhythmus atmet. Das ist auch eine alte Pilgererfahrung. Das ist anders als am Schreibtisch.“ Und wer das Joggen nicht mag, bleibt dennoch nicht außen vor, denn Professorin Käßmann kennt eine Alternative: „Lerne Tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen.“

Das Buch
Marathon zu Gott. Ein spiritueller Trainingsplan. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, 17,99 Euro. ISBN 978-3-579-06570-0.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann