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Der Kantor, Komponist, Pianist, Organist Professor Henning Frederichs ist tot. Was bleibt?

„Was bleibt?“ – mit dieser (in tiefer Lage gesprochenen) Frage endet die 1996 entstandene Motette „Gleichnis vom Säemann“ für gemischten Chor. Henning Frederichs, in Königsberg geboren, lebte nach dem Krieg in Göttingen, studierte in Hamburg (Orgel, Kapellmeister und Komposition) und Köln (Kirchenmusik), wirkte als junger Kapellmeister in Braunschweig, als Kantor, Kirchenmusikdirektor und Universitätsmusikdirektor in Bochum, wo er auch promovierte Bis zu seiner Pensionierung war er Professor für Chorleitung und Dirigieren an der Abteilung Kirchenmusik der Musikhochschule Köln, evangelische Gemeinden – vor allem im Bergischen (beispielsweise Altenberg, Bergisch Gladbach) – haben seine Werke erfolgreich aufgeführt.

Nun starb er, für die Familie und alle Freunde und Verehrer völlig überraschend, an einer schweren Infektion Ende 2003 in seinem letzten Wohnort Wuppertal.
Henning Frederichs war ausübender Musiker (Klavier/Orgel), leidenschaftlicher Pädagoge, Musikwissenschaftler, Chorleiter- vor allem aber Komponist. Viele neue Werke sollten in den nächsten Jahren noch realisiert werden, unter anderem ein Barlach-Stück für Remscheids Teo-Otto-Theater (die Person des Bildhausers und Dramatikers Barlach beschäftigte ihn in den letzten Jahren sehr).

Er hinterläßt dennoch ein reiches und vielfältiges Oeuvre. Sein Werkverzeichnis umfaßt eine Fülle von Orgel- und Kammermusik, Chor- und Orchesterwerken, Kantaten, die großen Oratorien „Petrus“, „Die Passionserzählung der Maria Magdalena“ und „Hiob“, sowie die „Missa in pacem“, die 2000 zum Christusjahr als Auftrag der Evangelischen Kirche im Rheinland entstand. Das Orchesterstück „Stimmen der Nacht“ wurde im September 2003 von den Bergischen Symphonikern, die es in Auftrag gaben, in Solingen und Remscheid uraufgeführt (GMD Romely Pfund).

Musik braucht – wie jedes Kunstwerk – Schichten tieferer Bedeutung, die man beim ersten Hören nur bedingt wahrnehmen kann. So waren ihm lange Phasen des Nachdenkens vor der Niederschrift eines Stückes und der „geistliche Aspekt“ – in umfassendem Sinn, nicht nur liturgisch verstanden – bei all seinen Werken wichtig und unverzichtbar. Seine Tonsprache ist avanciert und vielschichtig. Sie fußt auf der Tradition, was sich vor allem an der „altmeisterlichen“ Beherrschung von Strukturen und Formen zeigt. Die Reihentechnik nutzt er als Material, das ihm Freiraum gibt, eigene „Formeln“ für seine Musik zu erfinden. Dabei sind ihm Cantabilität und Expressivität die wichtigsten Kriterien (darum liebte er die Musiksprache der Romantik besonders). Der Übergang vom Geräusch zur Sprache und von dort zum Klang hat ihn immer wieder fasziniert. Die Interpreten seiner technisch und inhaltlich anspruchsvollen Werke werden als fantasievolle und innerlich engagierte „Übersetzer“ einer oft verschlüsselten „Sinnlichkeit“ gefordert. Immer wieder haben Aufführungen seiner Werke die Hörer tief ergriffen! „Höret zu“ flüstert der Chor am Beginn der oben genannten Motette vom Säemann.

Wenn wir uns vornehmen, dies in unserer lauten und dem wirklichen „Hinhören“ abgeneigten Zeit (leider auch oft in unseren Kirchen) zu tun, so werden wir in den Werken von Henning Frederichs ein Stück der „ewigen Wahrheit“ und Schönheit geistlicher Musik unserer Zeit finden – und die oben gestellte Frage:“was bleibt?“ wird sich für sein ernsthaftes Schaffen nur positiv beantworten lassen. Die meisten seiner Werke sind im Verlag Dohr/Köln (dort auch: Vita, Werkverzeichnis) erschienen. Fragen zu anderen Stücken beantwortet die Verfasserin dieser Zeilen nach bestem Wissen.

Die Verfasserin ist Ruth Forsbach, seit 1999 Kirchenmusikdirektorin der Evangelischen Stadtkirche Remscheid. Schwerpunkte ihrer umfangreichen Arbeit liegen in der Aufführung von Werken aller Epochen, besonders unbekannter Werke der Romantik und zeitgenössischer geistlicher Musik. Zahlreiche Ur- und Erstaufführungen hat sie einstudiert, mitgearbeitet im Vorstand der Bergischen Gesellschaft für Neue Musik, der Bergischen Biennale, der C-Ausbildung für nebenamtliche Kirchenmusiker in Wuppertal. Mehr über sie hier.

                                

Text: Forsbach
Foto(s): Forsbach