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„Der Glaube ist nicht mitgewachsen“ – Neue Kurse „Erwachsen glauben“

„Erwachsen glauben“ – so heißt ein Projekt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Glaubenskursen, an dem sich auch die vier Kirchenkreise in Köln und Region aktiv beteiligen. Zentrale Inhalte des christlichen Glaubens zu vermitteln und Erwachsenen zu helfen, sich dem Glauben so anzunähern, dass sie ihn authentisch leben können, ist das Ziel der Kurse. Welcher Kurs zum Glauben für welche Zielgruppe dabei passend ist, dafür bietet der Evangelische Kirchenverband Köln und Region ab April 2013 konkrete Arbeitshilfen an. In kostenlosen Workshops können die Gemeinden aus bestehenden Kursmodellen wählen oder neue entwickeln.

Zur Unterstützung hat der Kirchenverband die Kölner Kommunikationsagentur Kerygma gewonnen, die gemeinsam mit dem Amt für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der Evangelischen Kirche im Rheinland (gmd) die Workshops und Einzelberatungen durchführt. In einem Interview erklärt der Geschäftsführer von Kerygma und Theologe Michael Birgden was genau geplant ist:

Herr Birgden, was ist mit „Erwachsen glauben“ eigentlich gemeint?
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Als Kind haben Sie die Weihnachtsgottesdienste mit Krippenspiel erlebt. Als Jugendlicher besuchten sie den Konfirmandenunterricht. Und dann gab es eine lange Zeit der Funkstille in Sachen Kirche und Glauben. Nun hält das Leben erfahrungsgemäß Momente bereit, in denen sich Glaubensfragen wieder neu stellen. Das können schöne wie traurige Momente sein. Die Geburt der Tochter. Der Tod eines geliebten Menschen, Grenzsituationen, Fragen nach Sinn bei Gewalt und Krieg, mit denen wir alle tagtäglich in den Medien konfrontiert sind. Jetzt kann es passieren, dass in solchen Situationen in Sachen Glauben auf frühere Zeiten zurückgegriffen wird. Aber der Konfirmandenanzug passt nicht mehr. Der Glaube ist nicht mitgewachsen, wurde nicht gepflegt. Da kann die Sehnsucht entstehen, Glauben neu zu erleben.

Wer soll durch die Glaubenskurse angesprochen werden?
Menschen, die den Glauben (wieder) für sich entdecken wollen. In erster Linie natürlich die Menschen in den Gemeinden. Nun gibt es aber gar nicht in allen Gemeinden in Köln und Region sogenannte „Kurse zum Glauben“. Auch in den evangelischen Kirchengemeinden wird dieser Bedarf an Formaten für Erwachsene erst entdeckt. Wir haben also auf der einen Seite einen Trend, dass immer mehr Menschen das Thema Religion neu für sich entdecken wollen, und auf der anderen Seite noch nicht die Angebotsdichte, dass für jeden und jede etwas vor Ort angeboten wird.

Wie können Sie Ihr Ziel erreichen und die Angebotsdichte erhöhen?
Wir wollen in Köln und Region das Thema anpacken, wie man zusammen mit Interessierten heute über das Thema Glaube ins Gespräch kommen kann. In einigen Gemeinden gibt es schon Erfahrungen mit den Kursen zum Glauben, von denen wollen wir profitieren. In den Kirchengemeinden, die dieses Thema neu für sich entdecken, wollen wir unterstützen, je nachdem, wo Unterstützung gewünscht ist. Wir starten mit Info-Abenden in den Kirchenkreisen, dort gibt es ein eigens dafür entwickeltes Arbeitsbuch und dann folgen zwei Workshops.

Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region möchte möglichst viele Gemeinden motivieren, Glaubenskurse anzubieten. Was bieten die Workshops für interessierte Gemeinden?
Wir möchten mit den Workshops vor allem eine schnelle Orientierung ermöglichen. Welcher Kurs passt zu meiner Gemeinde. Welches Modell spricht welche Zielgruppen oder Milieus besonders an? Das sind die Themen des ersten Workshops. Im zweiten Workshop geht es darum: Wo und wie erreichen wir unsere Zielgruppen. Wie können wir auf unterschiedlichen Ebenen Kontakt mit potentiellen Besuchern der Glaubenskurse aufnehmen, und wie sieht eine gute Öffentlichkeitsarbeit aus? Der Clou für die Kirchengemeinde besteht übrigens darin, dass zwischen den Workshops individuelle Beratung stattfinden kann. Wir geben Rückmeldungen auf die Konzeptionen in den Gemeinden.



Worin besteht Ihre Aufgabe als Kommunikationsagentur?
Der Kirchenverband hat uns mit der Projektleitung beauftragt. Wir sind also in allen Fragen rund um das Projekt für die Gemeinden ansprechbar. Wir koordinieren darüber hinaus eine Projektgruppe, bestehend aus den Synodalbeauftragten der vier Kirchenkreise, dem Amt für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste GMD, dem Amt für Presse und Kommunikation, der Melanchthon-Akademie und uns als Agentur. Wir moderieren dieses Großprojekt und entwickeln das Workshop- und Beratungskonzept, welches für die Gemeinden ohne Kosten nutzbar ist.

Wie motivieren Sie Gemeinden, sich der Initiative anzuschließen? Was sagen sie denen, die vor dem Aufwand so etwas zu planen zurückschrecken?
Da bin ich ehrlich: Es macht Arbeit. Aber es ist doch das Kernthema der Gemeinden: Wie kann ich heute Menschen wieder mit dem Glauben in Berührung bringen? Und dieses Kernthema gemeinsam in einer Gemeinde anzugehen kann ganz viele Energien neu freisetzen. Etwas ketzerisch würde ich zurück fragen: Was, wenn nicht dieses Thema sollte ganz oben auf der Agenda einer aktiven Gemeinde stehen? Theologisch würde ich antworten: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" Das ist die erste von 129 Fragen im Heidelberger Katechismus aus dem Jahre 1563 und gleich die zweite Frage lautet: „Wie viel Dinge musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?" Vor 450 Jahren erschien dieser Katechismus – ein Lehrbuch für die Unterweisung in den Grundfragen des Glaubens. Der Katechismus diente als Lehr- und Unterrichtsbuch in Kirche und Schule, ist also quasi eine Urform eines Glaubenskurses. Ich hätte da gerne heute eine Antwort: Was muss ich heute über den Glauben wissen, erfahren und erleben, damit ich mich im Leben und Sterben getragen, getröstet und aufgehoben fühle?

Wie erreicht man heute Menschen in Sachen Glauben?
Die wichtigste Erkenntnis: Auf sehr unterschiedliche Weise! Und es gibt nicht das Patentrezept. Der eine mag Stuhlkreise und Gemeindehäuser nicht, der andere liebt den stillen meditativen Zugang in einer Kirche, die andere findet Vorträge toll. Der eine will ausprobieren, die andere lieber selber machen. Menschen sind extrem verschieden, wie sie mit Fragen nach Sinn und Glauben umgehen und diese kommunizieren. Wichtig ist also, dass eine Gemeinde nicht alle auf einmal ansprechen möchte. Je genauer sich eine Gruppe thematisch findet, die eine ähnliche Vorstellung davon hat, wie sie sich über Glauben austauschen möchte, umso besser gelingt es. Das Thema Glaube ist nun mal ein intimes verletzbares Thema. Da sollte das Kursmodell schon gut passen.

Text: Michael Birgden, Sandra Kaufmann
Foto(s): Kerygma