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Der freie Sonntag: Ökonomische Zweckmäßigkeit oder theologischer Nährwert? Vortrag und Diskussion mit Uwe Becker zum Dritten Gebot in Schildgen

Ein Sonntagmorgen in einer beliebigen evangelischen Kirchengemeinde in Deutschland: Der Gottesdienst geht gut besucht zu Ende. Die Gemeindemitglieder kommen aus der Kirche, treffen sich im Gemeindezentrum. Es gibt Kaffee und Kuchen, man unterhält sich, lernt neue Menschen kennen. Zugezogene erhalten Tipps wie „Wo ist eigentlich der nächste Bäcker?“ oder „Wo kann meine Tochter Tischtennis spielen?“ Alles kein Problem, denn die Vorsitzende des Sportvereins hat den Kaffee gekocht und der Bäcker den Kuchen mitgebracht. So oder so ähnlich stellt sich Pfarrer Dr. Uwe Becker die Zukunft des Sonntags vor. „Die Kirche muss wieder lernen, sich den Sonntag anzueignen“, so der Doktor der Theologie. „Der Sonntag muss ein Tag sein, an dem Menschen in der Gemeinde mehr erleben als die gottesdienstliche Dimension.“
Auf Einladung von Pfarrer Christoph Nötzel und dem Presbyter und Vorsitzenden des Arbeitskreises „Theologisches Seminar“, Prof. Dr.-Ing. Klaus Elgeti, war Becker in die evangelische Andreaskirche nach Bergisch Gladbach-Schildgen gekommen. Im zehnten Jahr findet die Seminar-Reihe in Schildgen statt. Oberthema der sechs Abende sind 2006 „Die zehn Gebote“. Am 2. März war das Dritte Gebot, das Gebot des Feiertags, des Sonntags oder des Sabbats an der Reihe: „Du sollst den Feiertag heiligen.“


Dr. Uwe Becker, der „Sonntags-Fachmann“
Erst im Februar lieferte der Vorstandssprecher des Diakonischen Werks im Rheinland Becker zum Thema seine 400 Seiten schwere Dissertation zum Sonntagsgebot ab. Die rund 60 Gäste im Gemeindezentrum hatten also einen regelrechten „Sonntags-Fachmann“ vor Ort. „Es wäre schön, wenn wir hier eine Kurzfassung zum Thema bekämen“, begrüßte Elgeti den Pfarrer, der sogleich einen Ausflug in die Historie des Sabbats unternahm. Vom ersten Beleg des Sabbats im Alten Testament kam Becker über die eher polemisch-abgrenzende Interpretation der ersten Christen zu den Anfängen einer staatlichen Sonntagsordnung unter Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert. Er zitierte aus dem irischen Sonntagsgesetz (neuntes Jahrhundert), indem neben dem Haare schneiden auch das Holz hacken und sogar das „ziellose Umherlaufen“ untersagt war. Diesen staatlichen Reglementierungen hätte aber „keine theologische Tiefenschärfe“ inne gewohnt, so Becker, der hierzu Martin Luther zitierte, der den Sabbat „als ein ganz äußerliches Ding“ betrachtete.

Der Sonntag, ein Moment der sozialen Vernetzung
Auch die sonntäglichen Ruhezeiten der arbeitenden Bevölkerung in der Zeit der Industrialisierung seinen eher ökonomischen Ursprungs gewesen, so Becker.
In der zeit des Nationalsozialismus in Deutschland „sollte die Kirche aber erst richtig erleben, was wirklich Zugriff auf den Sonntag heißt“. Dass die Trennung zwischen dem Wirtschaften, der Ruhezeit und der Kultur des Gottesdienst sehr eng verläuft, machte Becker am jüdischen Ursprung des Sabbats klar. Die Zeit des wirtschaftlichen, Sinn stiftenden Arbeitens während der Woche und der sonntäglichen Ruhe „am siebten Tag“ seien „nicht absolut getrennt gewesen“, so Becker. Der Mensch und seine soziale Identifikation, seine gesellschaftliche Integration seinen Kernpunkte des christlichen Sonntags. Denn, so Becker: „Ökonomisch macht es ja keinen Sinn, dass alle Menschen am gleichen Tag ruhen“, vielmehr werde hier das Moment der sozialen Vernetzung beschrieben.
Und genau das müsse die Kirche wieder aufnehmen. Da müsse sie „was bieten“, forderte Becker. Die reine theologische Lehre und der Gottesdienst seien „nur ein sehr dünnes Angebot“, so Beckers Fazit. Becker kann sich eine Zukunft des Sonntags nur als einen ganzen, kirchlichen „Erlebnistag“ vorstellen. Presbyter Elgeti stimmte ihm zum Schluss der Veranstaltung zu: „Das ist genau das, was wir in unserer Gemeinde versuchen.“

Weitere Termine des theologischen Seminars „Die 10 Gebote“ in Schildgen
Am Donnerstag, 16. März, spricht der Ökumenepfarrer des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region, Dr. Martin Bock, um 20 Uhr in der Andreaskirche über die „zehn Worte vom Morden und Stehlen“.
Am Donnerstag, 23. März, spricht die Superintendentinb des Evangelischen Kirchenkreises Neuwid, Marion Obitz, „öffentliche Wahrheit und gesicherte Lebensgrundlagen“ auf der Grundlage der Weisungen zu den Zehn Geboten im biblischen Text: wieder im Großen Saal des Gemeindezentrums der
evangelischen Andreaskirche Schildgen, Voiswinkeler Straße 40 .

der Andreaskirche, ab 20 Uhr,.

Text: Klaus Pehle
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