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Den Laien in der Kirche eine Stimme gegeben

Der Katholikenausschuss in der Stadt Köln (KA) feiert im Jahr des Reformationsjubiläums sein 70-jähriges Bestehen. Mit der Gründung 1947 stieß die Laien-Vertretung eine nachhaltige Reform an. Noch vor dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) schrieb der KA die Mitwirkung der katholischen Laien an den Aufgaben der Kirche im öffentlichen Leben fest. Auch rückten evangelische und katholische Christen in den folgenden Jahren enger zusammen.

Über das fruchtbare Zusammenwirken in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sprach Ulrike Weinert mit der KA-Vorsitzenden Hannelore Bartscherer und mit Vorstandsmitglied Ingrid Rasch.

Näherte sich der KA bewusst der synodalen Struktur der Evangelischen Kirche an?
Hannelore Bartscherer: Es ist nicht belegt, dass die Gründer sich an der Evangelischen Kirche orientierten. Ihnen war durch das NS-Regime die Notwendigkeit einer Reform bewusst geworden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Als Getaufte und Gefirmte sahen sie sich in der Pflicht, sich breiter aufzustellen.

Ingrid Rasch: In den ersten Nachkriegsjahren wurden die KA-Mitglieder berufen, später demokratisch gewählt von Verbänden und Gemeinden. Uns liegt im Jubiläumsjahr besonders am Herzen, unsere demokratische Legitimation deutlich zu machen.

Worin sehen Sie den Unterschied zu einer Synode?
Hannelore Bartscherer: Aus meiner Sicht ist der KA aufgrund der Ehrenamtlichkeit noch ein Stück unabhängiger von der Amtskirche als die Evangelischen. So habe ich vom Vorstand eine Art Freibrief bekommen, um ohne vorherige Abstimmung kurzfristig handeln zu können, zum Beispiel wenn wir bei Aktionen des Bündnisses „Köln stellt sich quer“ Flagge zeigen wollen.

Welche wichtigsten Errungenschaften brachten die vergangenen 70 Jahre?
Hannelore Bartscherer: Vor der 68er-Bewegung herrschte ein Obrigkeitsdenken der Art: „Am Ende bestimmt der Pastor, was man darf und was nicht.“ Der KA trat an, ein Bewusstsein zu schaffen für den Auftrag, den alle katholischen Christen durch die Taufe und die Firmung erhalten haben.
Ingrid Rasch: Christen jeder Konfession tragen unserer Meinung nach innerkirchlich und in der Gesellschaft Verantwortung. Wir ermutigten außerdem zu Gewissensentscheidungen, das heißt jeder soll offen aussprechen, was nicht tragbar ist.

Wie stark fällt die Ökumene bei Ihrem Wirken ins Gewicht?
Hannelore Bartscherer: Der Evangelisch-Katholische Arbeitskreis wird bald 40 Jahre alt. Beide Seiten erkannten früh, dass es Sinn macht, mit einer Stimme als Christen zu sprechen in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Ein Beispiel ist der Schulterschluss gegen den Anti-Islamisierungskongress 2008 von Pro Köln – die politische Gruppierung ist übrigens inzwischen in der Bedeutungslosigkeit versunken. Heute müssen wir gemeinsam Flagge zeigen und „Halt!“ rufen, wenn die AfD rechtsgerichtetes Gedankengut verbreitet.
Ingrid Rasch: Beide Kirchen sind auch in anderen Fragen wie der Allianz für den freien Sonntag immer einig gewesen. Wir sind gemeinsam mit den Gewerkschaften aus der Kölner Konsensrunde ausgetreten, damit wir uns als Christen öffentlich äußern dürfen. Denn wir wollen verhindern, dass Menschen vom Konsum bestimmt werden. Da ziehen wir an einem Strang.

Wo gibt es sonst noch gemeinsame Baustellen?
Hannelore Bartscherer: Inzwischen nennen wir uns Scharnierkreis, weil unsere Anliegen so sehr zueinander passen. Ein gemeinsames Arbeitsfeld ist zurzeit der würdige Umgang mit dem Tod. Wir wehren uns dagegen, dass bei Einäscherungen Edelmetalle wie Silber und Gold, die mit der Totenasche verschmelzen, im Krematorium von Hand herausgelesen und verkauft werden, um Kosten zu senken.
Ingrid Rasch: In der Einverständniserklärung steht das Vorgehen im Kleingedruckten. Trauernde Angehörige, die andere Sorgen haben, überlesen das schnell. Nach Meinung des Katholikenausschusses und des Evangelischen Kirchenverbandes wird hier die Menschenwürde verletzt.

In einer Jubiläumsveranstaltung würdigen Sie mit Freya von Moltke eine Protestantin. Warum?
Hannelore Bartscherer: Weil sich der KA selbstverständlich an der Pflege der Erinnerungskultur in der stadtkölnischen Gesellschaft beteiligt. So haben wir uns an der Stele für die Widerstandskämpferin am Deichmann-Haus beteiligt. Und wir werden am 29. März, dem 106. Geburtstag der Kölner Unternehmerstochter, am Deichmann-Grab auf dem Melatenfriedhof eine Gedenktafel anbringen. Es ist notwendig, in diesen Zeiten von Ausgrenzung, Hass, Gewalt und Strömungen, die spalten, Mitglieder des Kreisauer Kreises wie Freya von Moltke nicht dem Dunkel des Vergessens zu überlassen.

Hannelore Bartscherer, geboren am 11. Februar 1947 in Köln, ist seit 1998 Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln. Sie engagiert sich außerdem unter anderem in verantwortlichen Funktionen beim Runden Tisch für Integration, in der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und im Förderverein Romanische Kirchen. Der Vater der verheirateten zweifachen Mutter und Großmutter war evangelisch, der Großvater väterlicherseits jüdischen Glaubens. Für ihr vielseitiges kirchliches und gesellschaftliches Engagement wurde Hannelore Bartscherer 2013 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert