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Der Stadtrat von Mini-Nippes mit Bürgermeister Frederic

Demokratie lernen in Mini Nippes – 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlebten die Kinderstadt im Veedel

Wer glaube, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde zum Müßiggang verführen, wurde in Mini Nippes eines Besseren belehrt. Hier erhielt jeder pro Tag 15 Nippies, so hieß die Währung, ohne einen Handschlag zu tun. Und dennoch waren alle hoch motiviert, zusätzliche Nippies zu verdienen, sei es durch den Verkauf von belegten Brötchen, durch Arbeit in der Schreinerei, in der Redaktion der Mini-Nippes-Zeitung oder im Finanzamt. Mini Nippes war eine Kinderstadt auf dem Gelände der Förderschule an der Auguststraße. In den ersten beiden Wochen der Sommerferien lebten 120 Mädchen und Jungen im Alter zwischen neun und zwölf Jahren von 9 bis 16 Uhr in der „Stadt“.

Das Ganze wurde von der Evangelischen Kirchengemeinde Nippes und der ev-angel-isch gGmbH organisiert. Die letztere wurde 2011 gegründet und beschäftigte sich unter dem Dach der evangelischen Kirche mit der Betreuung und Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche. Im Rückblick auf die Geschichte fand die Kinderstadt Mini-Nippes erstmals im Jahr 2014 statt. Sie wurde in Anlehnung an das Konzept der Bonn-Beueler Kinderstadt „Mini-Beuel“ des Kleiner Muck e.V. entwickelt, nachdem das Konzept mit ausdrücklicher Erlaubnis weiterverwendet wurde. Die Idee für die Kölner Kinderstadt entstand aus dem Gedanken, ein adäquates Ferienangebot für die vielen Familien und Kinder im ständig wachsenden Nippeser Veedel zu schaffen, das nicht nur eine Betreuungs-, sondern auch eine bildungsorientierte Komponente hatte.

Das Ferienprojekt wurde erstmals in einem Kooperationsverband der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Nippes, des OT Werkstattstraße und der ev-angel-isch gGmbH geplant und umgesetzt. Der Ev. Kirchenkreis Köln-Nord und das damalige Jugendreferat des Ev. Kirchenkreises Köln-Mitte begleiteten die Kinderstadt in ihren Anfängen fachlich. Die Idee hinter Mini Nippes ist, dass die Jungen und Mädchen das Gefüge einer Stadt kleinteilig erlebten. „Sie wählten hier ihre Berufe selbstständig und konnten durch soziales Miteinander ein städtisches Gemeinwesen mitgestalten und letztlich dabei Demokratie erleben“, sagt Dr. Dorothea Ugi, Pfarrerin der evangelischen Gemeinde in Nippes. Dazu gehörte auch der Betrieb einer „Mini-Marktwirtschaft“.

Steuern waren auch in Mini-Nippes ein notwendiges Übel. „Wenn ich eine halbe Stunde arbeitete, bekam ich fünf Nippies. Davon musste ich zwei an das Finanzamt abgeben. Davon wurde dann das Grundeinkommen bezahlt“, sagte die zehnjährige Mathilda, die Wert darauf legte, bald elf zu sein. Sie war Mitglied im Stadtrat. Eine Vermögenssteuer, die derzeit auf der großen politischen Bühne diskutiert wird, gab es in Mini Nippes wie selbstverständlich. Wer mehr als 300 Nippies besaß, musste jeden weiteren Nippie dem Finanzamt überlassen. Die 120 Jungen und Mädchen wurden in mehrere Gruppen unterteilt, wobei jede Gruppe einen Vertreter oder eine Vertreterin in den Stadtrat wählte. Der Bürgermeister wurde basisdemokratisch von allen gewählt. Er hieß Frederic, war zwölf Jahre alt und amtierte wie der Stadtrat für eine Woche.

Frederic erließ gemeinsam mit dem Stadtrat Gesetze. Eines wurde zu Beginn der zweiten Woche neu eingeführt: „Wer stiehlt, muss eine halbe Stunde ohne Lohn abwaschen.“ Er sagte, dass diese Strafmaßnahme potenzielle Täter abschrecken würde. Die Bewohnerinnen und Bewohner erlebten vor zwei Jahren die Erfahrung, dass demokratische Beschlüsse auch Nachteile haben können. „Nieder mit der Puzilei!“ Mit diesem Ruf startete am Mittwoch der ersten Woche eine Demonstration. Die Demonstranten prangerten die Polizei und ihre Methoden an. In einer hitzigen Diskussion während der Bürgerversammlung wurde die Polizei schließlich abgeschafft. Dies führte dazu, dass die Bank am Donnerstag mehrfach überfallen wurde. Der damalige Bürgermeister Benno rief eilig eine außerordentliche Bürgerversammlung ein, in der die Kinder beschlossen, die Polizei unter strengen Auflagen wieder einzusetzen.

Auch das Thema Inklusion war für Dorothea Ugi wichtig. Zehn Kinder der Förderschule waren auch aktiv in Mini Nippes beteiligt und arbeiteten im Café, spielten im Theater, entwickelten Ideen in der Schreinerei oder in der Textilwerkstatt. In der Zeitung feierte eine Rubrik aus den „guten alten Zeiten“ ein Comeback: Die Witzseite. Zum Beispiel: Treffen sich zwei Tausendfüßler. „Deine Frau habe ich schon ewig nicht gesehen.“ „Die ist Schuhe kaufen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann