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In pastelligen Farben fällt das Licht durch das neue Fenster in die Christuskirche in der Kölner Innenstadt

Dem Pfarrer fehlten die Worte – Einweihung des neuen Rosettenfensters in der Christuskirche

Die Wirkung ist atemberaubend. Wenn die Sonne durch das neue Rosettenfenster im Turm der Christuskirche scheint, spiegelt sich ein leicht rötliches Licht auf den kalkweißen Wänden der Kirche. Auch dem Pfarrer verschlug es die Sprache: „Merkwürdig, all die Jahre bin ich mit dem Entwurf für das Fenster herumgelaufen, habe ihn allen gezeigt und habe allen davon erzählt, die nicht bei Drei auf den Bäumen waren, und jetzt fehlen mir die Worte“, sagte Christoph Rollbühler zu Beginn seiner Predigt im Festgottesdienst zur Einweihung des Rosettenfensters, das der Leipziger Künstler David Schnell entworfen hat. „Wenn die Worte fehlen, bleibt uns das Staunen“, fuhr der Pfarrer fort: „Das Staunen ist der Anfang von Religion. Erst dann können wir unsere Ohren spitzen und mehr hören als die gewöhnliche Oberfläche. Erst dann können wir Dimensionen erahnen, deren Teil wir schon lange sind. ‚Ich bin da!‘ hören wir dann. ‚Ich bin da‘.“

Dann wandte sich der Pfarrer an den Künstler: „Lieber David, Dein Fenster wird die Menschen in dieser Stadt berühren. Wir werden Scheinwerfer installieren und es nachts in die Stadt leuchten lassen. Die Menschen werden kommen und sich in Staunen versetzen lassen. Und in Bewegung. Sie werden vor Deinem Fenster sitzen, stehen, es von Ferne sehen oder direkt davor, aus dem Augenwinkel betrachten oder unmittelbar nah. Dein Fenster lässt die Menschen staunen. Staunen ist der Anfang.“ Rollbühler warf noch einmal einen Blick zurück und nannte das Fensterprojekt „von Anfang an ein großes Abenteuer“. Vor rund acht Jahren habe man eine große und schwere Abdeckplatte angehoben, die auf dem Glockenloch über dem Turmzimmer lag und auf ein völlig verstaubtes und verdrecktes Fenster geblickt. „Ein bisschen wie Indiana Jones in der Christuskirche.“

In dem neuen Fenster finden sich zwei zentrale Aspekte der künstlerischen Arbeit von David Schnell wieder: Die Auseinandersetzung mit Raum und Perspektive sowie die Verbindung von gegenständlichen und abstrakten Elementen. „Zum einen deute ich Perspektive und räumliche Tiefe an, zum anderen spielt die vertikale Bewegung nach oben eine zentrale Rolle. So versuche ich eine Art Brücke zwischen Realität und Transzendenz zu schaffen“, sagt der Künstler über sein Werk. Dessen Farbigkeit variiert von warmen Rot- und Rosatönen über helles Grün bis hin zu lichten Blautönen. Dazwischen findet man immer wieder transparente Flächen. „Ich habe eine helle, fast schon pastellige Farbigkeit gewählt, welche viel Licht durchlässt und den Innenraum farbig beleuchten soll“, fährt Schnell fort. Die Leuchtkraft der Glassegmente und deren Farbigkeit sollen die Atmosphäre der umgebauten Kirche prägen und dem Raum vor allem einen sakralen Charakter verleihen. Schnell hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert und ist Meisterschüler von Professor Arno Rink. Bekannt geworden ist er für seine Glasarbeiten mit dem Friedensfenster in der Leipziger Thomaskirche.

Nach dem Gottesdienst moderierte Sandra Thomas, die das Fundraising für das Fenster organisiert, eine Gesprächsrunde mit den maßgeblich am Fensterprojekt Beteiligten. Pfarrer Rollbühler gestand, dass das Fenster noch nicht komplett bezahlt ist. „Wir haben Kosten von 60.000 Euro. Es fehlen noch 9.000 Euro.“ Ausdrücklich lobte Rollbühler Sandra Thomas für ihre „Geduld und Hartnäckigkeit“ beim Spendensammeln. Der Pfarrer dankte den Großspendern Evangelische Bank, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie für Köln, in dessen Räumen man während der Kirchenschließung Gottesdienste gefeiert habe, und dem Projektsteuerer Schlünz-Projekte. Architekt Oliver Conzelmann von der Bauberatung der Evangelischen Kirche im Rheinland, erinnerte daran, dass sich die Idee, ein neues Turmfenster einzubauen, im Laufe der Bauarbeiten an dem spirituellen Zentrum zwischen der Wohnbebauung entwickelt habe. „Hier vorne am Altar ist der schönste Ort, um das Fenster zu betrachten. Deshalb hoffe ich, dass möglichst viele Gemeindeglieder diese Sicht genießen möchten und hier einen Gottesdienst mitgestalten.“ Die Architekten der neuen Christuskirche waren anfangs skeptisch. „Von uns kam die Idee nicht, ein Rosettenfenster einzusetzen“, gestand Klaus Hollerbeck, der gemeinsam mit Walter Maier für die damaligen Planungen verantwortlich zeichnete.

Die ersten Entwürfe, die sie gesehen hatten, haben sie abgelehnt. „Die veränderten den Raum in einer Weise, die uns nicht gefiel.“ Bei David Schnell sei man sich sofort einig gewesen, so Hollerbeck: „Wir haben sofort gespürt: Das ist der Entwurf für die Christuskirche. Der Künstler hat den Raum erkannt. Das Fenster ist jetzt sozusagen die Seele des Kirchraums.“ Das Schlusswort hatte der Künstler, der von seinen anfänglichen Schwierigkeiten berichtete. Er hat seine Arbeit begonnen, als es lediglich ein Modell des späteren Kirchraumes gab. Da sei es schwierig gewesen, sich die spätere Wirkung im Original vorzustellen. „Viele Farbentscheidungen habe ich während der Arbeit am Glas getroffen.“ Wenn man die Begeisterung der Gemeinde beim Betrachten des Fenster erlebt hat, darf man sagen: Die Entscheidungen waren goldrichtig.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann