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Dellings XXL-Weihnachtsbaum – und ein paar Tücken

Alle Jahre wieder geraten Küsterinnen und Küster ins Schwitzen, denn: Pünktlich zu Heiligabend müssen Weihnachtsbäume am Altar erstrahlen. Was wäre ein „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter!“ ohne ein entsprechendes Prachtexemplar vor Augen? Einer der schönsten Christbäume der Region steht traditionell in der denkmalgeschützten Kirche in Kürten-Delling. Mit ihren knapp sechs Metern ragt die Tanne bis unter die Decke, geschmückt mit etwa 1.000 Mini-Lichtern und 150 Glassternen.

Darunter steht eine vielköpfige Holzkrippe auf echtem Moos. „Weihnachten ist für einen Küster eigentlich Stress“, sagt Küster Wolfgang Perschke. Um eine schnöde Waldtanne in einen glitzernden Weihnachtsbaum zu verwandeln, braucht er drei bis vier Tage: vom Schlagen des Baumes bis zum letzten i-Tüpfelchen an der Krippe.

Älteste schriftliche Erwähnung in 1527
Warum so viel Aufwand? Immergrüne Pflanzen symbolisierten schon in uralter Zeit Lebenskraft, weshalb sie ins Haus geholt wurden, um die Gesundheit zu fördern. Die älteste schriftliche Erwähnung stammt 1527 von „die weiennacht baum“ in einer Akte der Mainzer Herrscher. 1539 erwähnt eine Urkunde, dass im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum stand, 1605 wurde er bereits in den „Straßburger Stuben“ aufgestellt, behängt mit Papierschmuck, Äpfeln und Naschwerk. Herzogin Dorothea Sibylle von Schlesien war 1611 urkundlich die erste, die ihren Weihnachtsbaum mit Kerzen schmückte. Im 18. Jahrhundert verbreitete sich der Tannenbaum in Deutschland, wenngleich nur begüterte Leute ihn sich leisten konnten, da er in Mitteleuropa selten war. Ärmere mussten mit Zweigen vorliebnehmen. Erst ab 1850 konnte ein breiterer Bedarf gedeckt werden – und der Brauch verbreitete sich von Deutschland aus über die ganze Welt.

„Er muss aussehen wie gemalt“
Das Dellinger Christbaum-Exemplar wird bereits im November bei einem Bauern in Kürten-Laudenberg ausgeguckt. Küster Wolfgang Perschke wählt bevorzugt eine schlanke Nordmanntanne und hat eine klare Vorstellung vom Weihnachtsbaum: „Er muss aussehen wie gemalt.“ Das bedeute konkret: „Er sollte gut gewachsen sein, nicht viel breiter als die Portaltüren, und die Äste müssen halt auch stimmen“, damit man „später die Lichter gut sortieren kann“.

Aha-Erlebnis im Kirchraum
Den Weihnachtsbaum in XXL hat Perschkes Vorgänger Peter Haak eingeführt. Als er 1968 nach Delling gekommen sei, so erzählt er, sei nur „ein ganz kleiner“ Weihnachtsbaum, „höchstens 2,50 Meter“ in der Kirche üblich gewesen. „Das war mir zu mickrig.“ Er wollte für ein Aha-Erlebnis im Kirchraum sorgen und fällte anfangs sogar noch kircheneigene Fichten, die auf dem Friedhof oder am Gemeindehaus wuchsen. Zum Aufstellen des Jumbo-Baums baute er eigenhändig einen 80 mal 80 Zentimeter großen Ständer aus Eichenbrettern, in dem der Baum mittig mit Holzkeilen fixiert wird – auch dieses Jahr wieder.

Klassische Musik beim Schmücken
Das Aufrichten des Baums im Ständer ist eine schweißtreibende Arbeit mit Fingerspitzengefühl, bei der mehrere Helfer benötigt werden. Dann folgt das, was der Dellinger Küster allein macht: das Schmücken des Baums und das Aufstellen der Krippe. Peter Haak legte dazu früher Weihnachtsmusik auf und sperrte das Kirchenportal zu, um ungestört zu sein. Perschke bevorzugt klassische Musik und lässt das Portal offen, so dass Besucherinnen und Besucher ihm bei der Arbeit zuschauen können.

Leihgabe der Kürtener Glaskünstlerin Maria Schätzmüller-Lukas
Von der Leiter aus werden die Lichterketten in die Tanne gehängt. Früher waren es 120 große elektrische Kerzen, seit einigen Jahren sind es 1.000 Minilichter. „Seit vorigem Jahr haben wir auch einen Stern in der Spitze und viele kleine Glassterne im Baum“, erzählt Perschke. Sie sind eine Leihgabe der Kürtener Glaskünstlerin Maria Schätzmüller-Lukas. Ist der Baumschmuck vollendet, baut der Küster die Krippe auf. In Brusthöhe von Kindern werden dafür Platten auf Böcke rund um den Stamm gelegt. Zwei Schichten Vlies dienen als Feuchtigkeitsspeicher für das echte Moos, das der Küster in der Nähe sammelt und alle zwei Tage wässert. Auf ihm tummeln sich rund 20 Figuren: Schafe, Kamele, Hunde, Hirten und natürlich das Heilige Paar mit dem Jesuskind in der Futterkrippe.

Die Krippenlandschaft wuchs weiter
Die schlichten, etwa 30 Zentimeter großen, handgeschnitzten Figuren stammen aus dem Bayrischen Wald, die ersten von ihnen standen Anfang der 80er Jahre unter dem Dellinger Weihnachtsbaum. Das Presbyterium hatte sie, als ein Kürtener sie zum Kauf anbot, zwar abgelehnt mit der Begründung, eine Krippe gehöre nicht in eine evangelische Kirche. Doch als ein Gemeindeglied bei einem Kneipenabend verkündete „Ich spende die Krippe“, war sie auf einmal in Delling doch willkommen. „Dann habe ich im Laufe der Zeit immer wieder eine Figur dazu gekauft, bis die Krippe vollständig war“, erzählt Haak. Die Krippenlandschaft wuchs weiter: Es kamen bergische Fachwerkhäuschen hinzu und seit einigen Jahren steht unter den Ästen auch die Dellinger Kirche im Mini-Format, die Perschke auf dem Dachboden entdeckte – gefertigt von einem Konfirmanden in den 90er-Jahren. Perschke selbst baute dazu die passende Freitreppe mit Straßenlaternen.

Baum stand auf halb Sieben
Der XXL-Weihnachtsbaum hat manchmal aber auch Tücken. „Wir hatten uns schon mal vermessen“, gesteht Wolfgang Perschke. Als die Baumspitze nicht unter die Decke passte, musste die Tanne nochmal auf den Boden gelegt und am Altar die Motorsäge zum Kürzen des Stamms angeworfen werden. Einmal passte eine Blautanne erst gar nicht durchs Portal, so dass sie zersägt und durch ein neues Exemplar Hals über Kopf ersetzt werden musste. Einen Schreck bekam der Küster auch, als er eines Sonntagmorgens vorm Gottesdienst sah, dass der Baum auf halb Sieben stand! Schnell musste im Anzug zwischen die Äste gekrochen und die Tanne neu fixiert werden.

Baum und Küster strahlen
Aber meistens läuft alles glatt. Der Baum erstrahlt Heiligabend das erste Mal, und Ochs und Esel stehen in der Krippenidylle darunter. Auch der Küster strahlt – wenn er sieht, wie die Kirchenbesucher seinen Weihnachtsbaum bestaunen. „Die haben dieses Aha-Gefühl. Für mich persönlich ist das ein sehr schönes Gefühl.“ Wer möchte, kann sich selbst ein Bild machen: Der XXL-Weihnachtsbaum und die liebevolle aufgestellte Krippe lassen sich in Kürten-Delling bis Ende Januar mit einem „Ahhhh!“ bestaunen. Und wer genau hinhört, kann sogar das Plätschern des Wassers im Brunnen hören.

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser