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DEKT Dresden: Herzen, Herzen – und ein Workshop mit Improvisation

Wenn die Menschen beim 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden von der Altstadt aus die Elbe in nördlicher Richtung entlanggehen, kommen sie in der Nähe der Messe zum Sportpart Ostra. Auf dieser großen Fläche ist vom 1. bis 6. Juni das „Zentrum Jugend“ des Kirchentags – und Teil hiervon ist der Kölner Treff: evangelische Jugendzelte, in denen sich die Evangelische Jugend in Köln und Umgebung mit zehn Ständen präsentiert. „Zum einen gibt es ein größeres Zelt mit einem Café, in dem man Kaffee, Kuchen, Tee und ganz viele vegetarische Gerichte essen kann“, berichtet Ruth Klevinghaus, die zusammen mit den Jugendreferaten der vier Kirchenkreise das Jugendangebot des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region organisiert und koordiniert.



Die längste Herzkette der Welt?
Etwa140 Mitwirkende aus 14 Gemeinden des Verbandsgebiets haben zahlreiche Angebote vorbereitet, die sich vornehmlich mit der Losung des Kirchentags beschäftigen: „…da wird auch dein Herz sein“. Inspiriert von diesem Motto werden nicht nur im Café-Zelt herzförmige Waffeln verkauft. Es gibt auch eine Fotoaktion, in der sich die Kirchentagsbesucherinnen und -besucher mit Herz ablichten lassen können, Stoffherzen können bemalt und aufgehängt werden. „Im Verlauf des Kirchentags“, hofft Klevinghaus, „soll die längste Herzkette Dresdens oder sogar der Welt entstehen.“

Auf der Jagd nach dem verlorenen Herz
Besonders weist Klevinghaus auch auf die Aktion „Auf der Jagd nach dem verlorenen Herz“ hin. „Hier wird gefragt, was sowohl Muslimen als auch Christen am Herzen liegt“, erklärt Klevinghaus und erläutert: „Für dieses Programm reisen eigens Jugendliche aus Ägypten an.“ Dies sei das erste Mal, dass Muslime und auch Musliminnen sich aktiv am Kölner Kirchentagsangebot beteiligen – ein geradezu historischer Moment. Außerdem freut sich Klevinghaus besonders darüber, dass auch Jugendliche der Evangelischen Gehörlosengemeinde das Kölner Angebot mitgestalten, auf dies sei eine Premiere, über die sie sich sehr freue. Überhaupt sieht sie als Stärke und Besonderheit des Kölner Programms, dass die Jugendlichen bei der Vorbereitung und der Durchführung auf dem Kirchentag über den Tellerrand der eigenen Gemeinde schauen: „Die Jugendlichen arbeiten beim Kölner Treff in drei Schichten. Diese Schichten sind gemischt, so dass die Jugendlichen unterschiedlicher Gemeinden auch wirklich in Kontakt kommen.“

Geprobt: Kirchentag-Feeling in Köln
Alle diese Aktionen haben die Jugendlichen bereits gemeinsam bei einer Generalprobe im Jugendpfarramt ausprobiert. „Das hatte schon Kirchentag-Feeling“, schwärmt Klevinghaus: „Dieses Wuselige und all die verschiedenen Leute aus verschiedenen Teilen des Kirchenverbandes“. So wächst die Vorfreude täglich. Sie selbst allerdings hat sich noch keine Programmpunkte in Dresden herausgesucht, die sie unbedingt besuchen möchte: „Am ersten Tag gucken wir Betreuer immer, wie es läuft. Erst wenn alles gut klappt, überlegen wir, wohin wir selbst vielleicht gehen können. Es gibt ja immer so viele spannende Dinge…“

„Kulturkirche – Gottesdienste, die süchtig machen“
Auf dem nahen Messegelände , Halle 3, Saal Rotterdam, beginnt am Samstag um 15 Uhr ein Workshop mit einer Improvisation: Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche in der Kölner Südstadt möchte seinen Beitrag zum Kirchentag gemeinsam mit Lutherkirchen-Kantor Thomas Frerichs beginnen und dabei einen Einblick in seine Arbeitsweise geben. „Ich trete bei diesen Improvisationen mit Thomas Frerichs in eine Dialogsituation. Das ist für mich die Grundsituation im Gottesdienst“, erklärt Mörtter: „Menschen bringen ihre Fragen, ihre Neugier, ihre Skepsis, ihre Ängste in den Gottesdienst mit. Darauf muss ich im Gottesdienst und in der Predigt spontan eingehen können.“ Wer nur vorher herausgesuchte Textbausteine abspule, müsse sich nicht wundern, wenn vom Gottesdienst niemand berührt wird.
Mörtters Thema beim Kirchentag lautet „Kulturkirche – Gottesdienste, die süchtig machen“. Ob seine Gottesdienste süchtig machen, wisse er nicht, schmunzelt Mörtter. Selbstbewusst verweist der Kölner Pfarrer dann aber darauf, dass er mit leeren Gottesdiensten kein Problem hat: „Mindestens 70 Leute kommen sonntags in die Lutherkirche – wenn es wirklich schlecht läuft, ansonsten mehr“, berichtet er: „Davon sind 90 Prozent zwischen 25 und 55 Jahren alt.“ Er schafft diese Attraktivität unter anderem auch durch einen Dialog mit der Kunst, den er allerdings selbst für selbstverständlich hält: „Kulturkirche ist für mich das gleiche wie ein weißer Schimmel“, meint Mörtter lapidar und fragt: „Was würde denn in der Kirche bleiben, wenn man die Kultur wegnimmt?“
Kulturkirche bedeutet somit für ihn, dass die Kunst nicht separiert ist, sondern in den Dialog mit Kirche und Religion tritt. Dies sei, gibt Mörtter zu, immer auch ein Wagnis, das sich allerdings lohne: „Natürlich muss ich mir vorher genau anschauen, mit wem ich kooperiere. In der Lutherkirche kooperieren wir gezielt mit Kunstschaffenden, die sich auch an der Zeit reiben und deshalb vielleicht nicht so gut verkaufen. Wenn ich allerdings eine Kooperation eingehe, darf ich dann auch nicht in die künstlerische Freiheit eingreifen.“ Kulturkirche bedeute für den Pfarrer deshalb nicht zuletzt, dass er sich selbst zurücknehmen müsse. Genau wie der Rest der Gemeinde müsse er einige Situationen einfach aushalten. „Manche gehen auch schon mal aus dem Gottesdienst“, berichtet Mörtter, der aber genau das gut findet: „Im Gottesdienst muss doch auch etwas passieren, damit er nicht zur leeren Floskel wird.“

„Der Glaube muss mich berühren“
Propagieren möchte Hans Mörtter in Dresden jedoch nicht, dass jetzt alle Pfarrerinnen und Pfarrer gemeinsam mit ihrem Kantor anfangen zu improvisieren. Wichtig sei immer auch, dass man seine Stärken kenne. „Was ich nicht kann, dafür muss ich mir andere suchen“, betont Mörtter, dem professionelles Arbeiten sehr am Herzen liegt.
In Dresden berichten wird Mörtter bei seinem Workshop somit aus seinem Kölner Erfolgsmodell eines dialogischen Kirchenverständnisses, eines Gottesdienstes, der immer aufs Neue dem Volk aufs Maul schaut: „Der Glaube muss mich berühren und Perspektiven zeigen. Wenn aber Glauben Weiterentwicklung vermittelt, muss sich auch der Gottesdienst immer weiterentwickeln.“

Über viele weiteren Kölner Angebote auf dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden können Sie hier weiterlesen.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer