Verabschiedung von Pfarrer Bernhard Ottinger-Kasper in der Stadtkirche in Köln-Chorweiler: „Dass ich lebe, was ich glaube.“
Der Bogen hat sich geschlossen. Im Dezember 1987 trat Bernhard Ottinger-Kasper in der Stadtkirche am Pariser Platz in Köln-Chorweiler sein Pfarramt in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Neue Stadt an. Über dreißig Jahre später, die Gemeinde heißt seit Januar 2020 Evangelische Hoffnungsgemeinde im Kölner Norden, wurde der 65-jährige Theologe in „seiner“ Stadtkirche in den Ruhestand verabschiedet. Die Entpflichtung nahm Pfarrer Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, vor. Pandemie bedingt konnten nur neunzig Menschen dem Gottesdienst und der „weltlichen“ Verabschiedung am 1. Advent beiwohnen.
Vorbilder in Hoffnung und Glaube
In seiner Predigt bezog sich Ottinger-Kasper auf seinen Ordinationsspruch: „Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte!“ (1. Korinther 7, 23) Sein „biblischer Lieblingsvers“ lässt ihn an Viele denken, die mutig und hoffnungsvoll gelebt haben und leben. So denke er an Mose, der vor Gottes Auftrag zunächst zurückgeschreckt sei, ihn dann aber angenommen habe. Er denke an Jesus, der gegen die Pharisäer aufgetreten und für die Schwachen in der Welt eingetreten sei. Er denke an Martin Luther, auch an „Martin Luther King, der in den 1950er und 1960er Jahren für die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen gekämpft hat“. Er denke ebenso an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, wo auch der Retter von Juden gedacht werde. „Jeder von uns braucht Vorbilder in Hoffnung und Glaube.“
„Erweckungserlebnis“
Ottinger-Kasper erzählte von seinem „Erweckungserlebnis“ mit 21 Jahren in West-Berlin. Damals habe er nicht geholfen, wo es nötig gewesen wäre. In seiner Scham darüber habe er sich versprochen, dass so etwas Feiges ihm nie wieder passieren dürfe. Ja, es sei ruhiger, sich anzupassen, zu ducken. „Aber ist das ein sinnvolles Leben? Kann ich so glücklich leben?“, fragte der Prediger. Christen sei es aufgetragen, sich in den Stürmen des Alltags mutig zu positionieren. Von Christenmenschen sei Zivilcourage gefordert, „dass ich ehrlich bin, dass ich lebe, was ich glaube“.
Auch die Institution Kirche müsse Partei ergreifen. Und entgegen dem sich häufig aufdrängenden Eindruck einer „starren“ Einrichtung lasse sich in unserer Kirche immer wieder Widerstandskraft erkennen, so Ottinger-Kasper. Beispielsweise beim Eintreten für die Rechte von Homosexuellen, für die bedrohte Schöpfung und beim Kirchenasyl. Jesus sage, „ihr seid das Licht der Welt“, das mute er uns zu. „Wir sollten das Licht sein gegen die vielen Schatten in unserer Welt“, gegen Ohnmacht und Resignation, so der Pfarrer.
Entpflichtung
Die formelle Entpflichtung einleitend, betonte Superintendent Markus Zimmermann, dass der Vers aus dem Korintherbrief sehr gut auf Ottinger-Kasper passe. Wir alle hätten ihn als sehr klaren, mutigen und deutlichen Menschen erlebt, der seinen Glauben frei heraus bekenne. Zimmermann ging ein auf die, den Menschen zugewandte Art des scheidenden Pfarrers. Dessen Biografie charakterisierte er als außergewöhnlich und beeindruckend.
1955 im sächsischen Zwickau geboren, wurde Ottinger-Kasper nach einem gescheiterten Fluchtversuch aus der DDR inhaftiert. 1975 konnte er in die BRD ausreisen. Der Superintendent sagte Ottinger-Kasper Dank für sein vielfältiges Engagement in Gemeinde und Kirchenkreis. Er habe unter anderem sehr gerne Konfirmanden- und Kita-Arbeit geleistet. Ihm sei wichtig gewesen, stets ansprechbar zu sein. Zimmermann erinnerte an Ottinger-Kaspers Motorrad-Gottesdienste, seinen Einsatz für die Ökumene, in der Flüchtlingsarbeit und Notfallseelsorge. Israel sei ihm zu einer zweiten Heimat geworden. „Jetzt ist Zeit, Abschied zu nehmen“ von der Pfarrtätigkeit, bat Zimmermann, dass Gott ihn und seine Familie durch den Abschied zu einem neuen Anfange leite.
Persönliche Worte und Geschenke
Der von Pfarrer Wilfried Seeger moderierte weltliche Abschnitt der Verabschiedung hielt neben sehr persönlichen Worten und herzlichen Wünschen manches besondere Geschenk für Ottinger-Kasper bereit. Darunter eine Kiste mit von ihm geschätzten Zigarren. Sein langjähriger Pfarrkollege sei der „gute Mensch von Chorweiler“, dessen Überzeugung im Wirken und Handeln zusammenfließe, würdigte der Presbyteriumsvorsitzende. Unverwechselbar und unbeirrbar, kameradschaftlich und hilfsbereit, einfühlsam, versehen mit einem dicken Fell, Ecken und Kanten, schlage sein großes Herz für die Armen und Schwachen: „Du hast die Stadtkirche gelebt mit allen Fasern.“
„Du bist einfach ein Original und eine Type“, formulierte Zimmermann in seinem Grußwort. „Du zählst zu den prägenden Menschen in diesem Kirchenkreis“, lud er den begeisterten Motorradfahrer weiterhin zu den Pfarrkonventen ein. Zimmermann beschrieb Ottinger-Kasper als einen klaren, fordernden, sehr zuverlässigen Menschen: „Du warst hier in der Gemeinde und im Kirchenkreis genau an der richtigen Stelle, am richtigen Ort.“ Dies bekundeten auch die zahlreichen Mitarbeitenden der evangelischen Kita Usedomstraße in ihrem Beitrag.
Ökumene
Ralf Neukirchen, Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde Hl. Johannes XXIII, deren namengebendes Gotteshaus direkt benachbart der Stadtkirche steht, lobte die ganz selbstverständlich gelebte Geschwisterlichkeit. „Ihr gebt uns Weite“, richtete sich der Priester an die protestantische Seite. Stellvertretend für das katholische Seelsorgeteam dankte Neukirchen für Ottinger-Kaspers starkes ökumenisches Engagement und überreichte ihm etwas „einmalig Katholisches“ – eine Sekundärreliquie. Der goldene Faden von der Quaste eines regelmäßig von Papst Johannes XXIII. getragenen Messgewandes sei zugleich ein gutes Symbol, assoziierte Neukirchen unter anderem, dass Ottinger-Kasper viele Fäden aufgenommen und vielen Menschen den Faden angeboten habe.
Anhaltender Applaus
Keiner der Redner konnte sich so richtig vorstellen, dass der umtriebige Pfarrer ohne weiteres in den Ruhestand wechseln wird. Zumindest wünschten alle ihm und seiner Gattin etwa erlebnisreiche Touren mit dem angeschafften Wohnmobil. „Es beginnt etwas Neues, und ich freue mich darauf“, sagte Ottinger-Kasper. „Ich gehe deutlich mehr mit einem weinenden Auge“, beschrieb er seine Gefühlslage. Zwar habe er sich in den 33 Jahren in der Gemeinde manchmal wie Don Quichotte, doch insgesamt sehr geborgen gefühlt, dankte er unter anhaltendem Applaus für die „gute Zeit“.
Mit Pfarrerin Friederike Fischer steht Ottinger-Kaspers Nachfolgerin schon fest. Am Sonntag, 13. Dezember, 17 Uhr, wird die 31-Jährige gebürtige Kölnerin in der Stadtkirche in ihre neue Pfarrstelle eingeführt.
Foto(s): Engelbert Broich