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„Dass du dich wundern wirst… “ – Oratorium von Hans Georg Bertram mit Texten von Dorothee Sölle und anderen während des DEKT

Flink fliegen die Finger über das Orgelmanual. Den Mann, der hier spielt, sieht niemand. Die wuchtige Empore von St. Aposteln am Neumarkt verdeckt Hans Georg Bertram vor neugierigen Blicken. Seine Musik hingegen dringt bis in den letzten Winkel des massiven Gotteshauses, spielt um die Säulen der spätromanischen Kirche und hallt in den Höhen des Kirchenschiffs wieder.

Während außerhalb der dicken Mauern die Straßenbahnen im Minutentakt ankommen und abfahren, tausende Menschen über den Neumarkt strömen und in der sommerlichen Hitze schwitzen, ist hier eine Oase der Ruhe. Und am Freitagnachmittag haben sich viele Besucherinnen und Besucher des Kirchentags in diese Oase zurückgezogen. Sie lauschen dem Oratorium von Hans Georg Bertram. „Dass du dich wundern wirst, oder die Frage nach der Rückkehr ins Paradies“, aber sie hören nicht nur zu, sie sind Teil des Oratoriums, das Bertram 2006 für Sprechstimme, Gemeindegesang und Orgel komponiert hat.

Heute spielt er selber die Orgel. Die Gemeinde, das sind die Besucher des Kirchentags, die selbst zu Mitwirkenden werden, wenn sie „Befiehl du deine Wege“ singen. Immer im Wechsel zu den meditativen Orgelfantasien Bertrams und den Rezitationen, die Susanne Pertiet vom Ambo aus vorträgt. Das Oratorium wird zu einer gemeinsamen, meditativen Arbeit. Orgelempore, Ambo, Gemeinde: drei Stationen die immer im Wechsel agieren.

Dieser Wechsel ist inhaltlich von Bertram beabsichtigt. Denn: In diesem Oratorium stehen sich der Gemeindegesang – so das „Befiehl du deine Wege“ von Paul Gerhardt – und die Texte von Marie Luise Kaschnitz und Dorothee Sölle gegenüber, verbindendes Element ist das Orgelspiel.

Das bekannte Kirchenlied Gerhardts war auch die Grundlage für Hans Georg Bertrams Orgelfantasien in denen er zwei Versionen des Liedes aufgreift, interpretiert und schließlich zusammenwirkt. Weiter in diese Thematik, also der Frage nach der Rückkehr ins Paradies, führte das Gedichte „Kain und Abel“ von Dorothee Sölle.

Umrahmt wurde das Oratorium durch das geistliche Konzert „Das Wort Gottes ist lebendig“, das Bertram bereits 1980 komponiert hatte. Darin verarbeitet ist die Textstelle aus dem Hebräer-Brief, das zum Motto des Kirchentags wurde: „Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer“, gesungen vom Markusvokalensemble der Evangelischen Kirchengemeinde Porz, unter Leitung von Thomas Wegst, und mit dem Solisten Gabor Janosi an der Trompete.

Das Konzert in St. Aposteln war gut besucht, Sitzplätze blieben kaum frei. Die Kühle, die durch die dicken Kirchenmauern im Inneren herrschte, der Duft der Kerzen und des Weihrauchs unterstützten die meditative Stimmung, die besonders durch Bertrams Orgelspiel hervorgerufen wurde. Das sah auch Bertram so: „Es ist für mich eine große Freude, in dieser Kirche und an dieser Orgel zu musizieren.“

Text: Lutz Blumberg
Foto(s): Blumberg