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Das Vaterunser als Gebet für Augen und Ohren in der Trinitatiskirche

Es ist einer der bekanntesten Texte des Christentums und wird von Christen fast aller Konfessionen gebetet. Auch Vertonungen sind seit frühchristlichen Zeiten bekannt. Wolf-Rüdiger Spieler und Andreas Cessak wagten sich jetzt in der Trinitatiskirche an eine Aufführung mit improvisierter Musik. „Die Idee wurde bei einem Kaffee geboren“ berichtet Spieler, Organist sowie Programm- und Organisationsleiter an der Trinitatiskirche. Gemeinsam mit seinem Musikerkollegen Andreas Cessak plante er, nach dem Vorbild eines früheren Projektes an der Essener Kreuzkirche, eine gemeinsame musikalische Improvisation zu Textauszügen des „Vaterunser“. Die Bekanntschaft mit den Mediendesignern Michael Birgden und Chanika Remest sorgte für eine Erweiterung des Projekts um die visuelle Dimension.

Synästhetische Reise ins Ungewisse
Die gemeinsame Aufführung war eine Reise ins Ungewisse: „Wir haben Musikfiles hin und her geschickt, aber heute spielen wir zum zum ersten Mal alle zusammen“ berichtet Michael Birgden, der gemeinsam mit Shanika Remest die Videosequenzen erstellt hat, die die Worte untermalen sollen. „Es war eine Überraschung, dass wir alle sehr in die gleiche Richtung gegangen sind“. War die Musik das Gerüst für die Videosequenzen von Remest und Birgden, so stützten sich Cessak und Spieler auf zwei alte Vertonungen: Luthers Choral aus dem Jahre 1539, dessen Melodie, so Spieler, wohl älter ist, und ein gregorianischer Choral. „Improvisation ist keine Anarchie“ betonte Cessak, auch Absprachen zu Tempi und Tonarten wurden getroffen.

Von der Musik zum Symbol
Die Unterlegung der Musikimprovisation mit Videobildern war eine logische Weiterentwicklung bei der Inszenierung des neutestamentlichen Textes: „Es enthält viele Aspekte wie Kraft oder Himmel, es ist szenisch und atmosphärisch“ schilderte Cessak die Bandbreite des Textes. Eingeblendet in die Videoinstallation wurden folgerichtig Textpassagen des Gebetes mit Bezug zum menschlichen Sein: Zu den Worten „Vater unser“ war ein Ultraschallfoto eines Fötus zu sehen, es folgten Natursymbole wie Wasser und Wolken, eine Großstadtskyline untermalte „das Reich“. Als Projektionsfläche dienten der Altar und eine in den Altarraum führende Stoffbahn. Die Sanduhr als Verkörperung der Zeit sowie die Elemente Feuer, verkörpert durch flüssige Lava, und Wasser ergänzten die Symbolik. Eine sich auflösende und wieder zusammensetzende menschliche Silhouette führte zum Abschluss, unterlegt von Maultrommelklängen und einer schneller und rhythmischer werdenden Musik, wieder zum menschlichen Dasein zurück.

Text: Annette v.Czarnowski
Foto(s): v. Czarnowski