Mit 82 Jahren noch Jugendarbeit? Für Rolf Burchardt jedenfalls geht es auch in diesem Alter nicht ohne. Er arbeitet als Honorarkraft im Mehrgenerationenhaus der Gnadenkirche in Bergisch Gladbach. Wenn man seinen lebhaften Berichten über seine Projekte und Aktivitäten in der Drogenprävention mit Jugendlichen des Jugend- und Kulturzentrums Q1 zuhört, wird sofort klar: Für ihn ist Jugendarbeit eine Lebensaufgabe!
Ort der Begegnung für Jung und Alt
Das Mehrgenerationenhaus in Bergisch Gladbach gibt es seit 2008. Es ist ein Ort der Begegnung für Jung und Alt, hervorgegangen aus den vielfältigen Angeboten und Aktivitäten der Evangelischen Kirchengemeinde. Ziel ist es, die bestehende Arbeit und Strukturen vor Ort aufzugreifen und auszubauen: Besonders wird sich um die Integration sozial benachteiligter Menschen, die Vermittlung von haushaltsnahen und familienentlastenden Dienstleistungen, den Dialog der Kulturen und der Religionen, sowie das Miteinander der Generationen bemüht. Das Angebot ist offen für alle – generationenübergreifend, interkulturell und interreligiös. Mit seinen 82 Jahren leistet Rolf Burchardt im dort angesiedelten Q1 einen wichtigen Beitrag zu dieser Arbeit.
Einmal Jugendarbeit – immer Jugendarbeit
Vor seiner Pensionierung 1996 arbeitete er schon immer als Sozialarbeiter in der Jugendarbeit. In Essen-Fronhausen, wo er 30 Jahre das Aposteljugendhaus leitete, lernte er den heutigen Pfarrer der Gnadenkirche, Thomas Werner, kennen, und verwirklichte mit ihm gemeinsame Projekte. Heute beschäftigt Werner ihn als Honorarkraft im Mehrgenerationenhaus.
„Als ich 73 war, wurde mir gesagt, dass man mir in meinem Alter doch keine Jugendlichen anvertrauen kann“, empört sich Rolf Burchardt. „Als alter Mensch erfährt man viele Diffamierungen. Das kränkt!“ – Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Rolf Burchardt hat es krank gemacht, dass man ihm Jugendarbeit nicht mehr zutraute. „Sowas nimmt man sich zu Herzen. Ich bekam Herzrhythmusstörungen. Aber die Arbeit hier im Mehrgenerationenhaus hat mich gesunden lassen.“
Jugendliche auf „Vordermann gebracht“
Als er Rentner wurde, hatte er keineswegs vor, sich zur Ruhe zu setzen. Mit 65 Jahren betreute er in Essen im Auftrag des Jugendamtes schwierige Jugendliche. Mit attraktiver Freizeitgestaltung wie Schlittschuhlaufen, Kino, oder Fußball wollte er Alkohol und Drogen etwas entgegensetzen. „Aber leider war dafür kein Geld da, also habe ich eben einen Teil meines Honorars dafür ausgegeben“, erzählt er. „Ich habe eine Kampftrinkergruppe von 30 Jugendlichen betreut. Die habe ich in zwei Jahren auf Vordermann gebracht. Schnaps gab es nicht und wer besoffen war, konnte gleich wieder gehen. So habe ich ihre Trinkgewohnheiten geändert. Am Ende wurden daraus 120 Jugendliche.“
Musical um jugendliche Kampftrinker
Im Mehrgenerationenhaus in Bergisch Gladbach hat er nun ein großes Projekt vor, das alle Generationen einbezieht. „Ich habe ein Musical geschrieben. Da geht es um Charles Bukowski. Den kennen Jugendliche von heute ja nicht. In dem Stück stürmen jugendliche ‚Kampftrinker‘ eine Theaterbühne, die sie als ihre eigene Bühne beanspruchen. Von den Erwachsenen nach dem Grund für ihre Sauferei gefragt, erzählt jeder Einzelne seine Geschichte und sein persönliches Schicksal.“ Die Ideen für die einzelnen Geschichten fand Rolf Burchardt in Zeitungen und Zeitschriften, die er regelmäßig nach Berichten, Karikaturen und Bildern zum Thema Drogen durchsucht. Einen dicken Ordner hat er bereits zusammengestellt mit Bildern von Heinrich Zille und Wilhelm Busch über Walter Moers bis hin zur Satirezeitschrift Titanic und anderen Veröffentlichungen. Die Bilder stellt er zu Plakaten zusammen, die er alleine oder zusammen mit Jugendlichen gestaltet. Erweitert durch teils gruselige Bilder von gesundheitlichen Folgen von Drogen sollen diese abschrecken. Zum Teil enthalten sie mahnende Botschaften im Rapperstil wie z. B. „Du standest unter Drogen, warst geil und dir war alles egal. Gehirngeschädigt ist nun dein Baby und sein Leben wird eine Qual“.
Rolf Burchardt ist auch Musiker, und was er schreibt, gerät schnell zum Rap. Seine Musik ist Rock und Blues, den er mit Mundharmonika in seiner Band umsetzt. Man nennt ihn auch „Howling Horst“. Kein Wunder also, dass er selbst ein Musical schreibt, das hoffentlich bald im Mehrgenerationenhaus aufgeführt wird. „Zuerst muss ich noch die Truppe zusammenstellen. Es fehlen noch Schauspieler. Pfarrer Werner ist zumindest schon mal dabei. Er spielt in dem Stück den Veranstalter des Theaters. Das passt doch. Schließlich ist er hier auch der Veranstalter“, schmunzelt Burchardt.
Humor und Kreativität gegen blöde Anmache
Regelmäßig alle 14 Tage freitags tritt der 82jährige seinen Dienst in Bergisch Gladbach an, redet mit Jugendlichen während Konzerten oder bei Veranstaltungen, führt Einzelgespräche mit Jugendlichen im Methadonprogramm und plant seine eigenen Projekte. „In meinem Alter strahlt man ja Respekt aus!“ sagt er, „Und wenn es mal kritisch wird, spiele ich auf meiner Mundharmonika oder singe einen Rap, dann entspannt sich die Situation gleich. Man muss auf blöde Anmache kreativ und mit Humor reagieren, das kommt einem zugute.“ Rolf Burchardt wäre gerne öfter im Mehrgenerationenhaus – auch ehrenamtlich – , aber er wohnt in Essen, die Anreise ist weit und die Fahrtkosten summieren sich.
Bindeglied zwischen den Generationen
„Der Umgang mit Gleichaltrigen ist für mich schwierig“, bedauert Burchardt. „Ich singe ja auch in einem Chor, wo nur Ältere mitsingen, aber als ich vorgeschlagen habe, mal einen Rap zu singen, haben die sich geweigert.“ Mit Jugendlichen findet er es einfacher, und im Mehrgenerationenhaus kann er so etwas wie ein Bindeglied zwischen den Generationen sein. Das versucht er nun mit seinem Musical umzusetzen: Schön schräg, facettenreich, rockig und auch ernsthaft und sentimental… So vielfältig eben wie das Mehrgenerationenhaus und die Menschen, die dort ein und aus gehen.
Foto(s): Susanne Hermanns