You are currently viewing Das Kölner GULLIVER bietet Obdachlosen eine Perspektive

Das Kölner GULLIVER bietet Obdachlosen eine Perspektive

Der Bahndamm und die mächtigen Pfeiler der Brückenrampe erdrücken es fast, der blaue Musical-Dome lässt es kaum erkennen, und doch hat es seit mehr als elf Jahren eine selbstbewusste Strahlkraft – das GULLIVER. Die „Überlebensstation für Obdachlose“ hat sich von einem innovativen Modellprojekt zu einem einzigartigen Leuchtturm entwickelt. Für obdachlose Menschen in Köln ist die Überlebensstation mittlerweile unverzichtbar, für die Stadtgesellschaft ein deutliches Zeichen gelebter Solidarität mit den Armen und Schwachen.
Die Bezeichnung „Überlebensstation“ mag dramatisierend wirken, „das Leben auf der Straße aber ist dramatisch“, weiß Pfarrer Karl-Heinz Iffland. Er hält nichts von Beschönigungen. Der Obdachlosenseelsorger im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region war einer der treibenden Kräfte, als es Mitte der 90er Jahre darum ging, dem zunehmend härter werdenden Leben „auf der Platte“ etwas entgegenzusetzen.

Unterstützt von Elfi Scho-Antwerpes, den Höhnern und Peter Millowitsch
„Ich unterstütze GULLIVER, weil diese Überlebensstation für Obdachlose für mich ein vorbildliches Beispiel praktisch gelebter christlicher Nächstenliebe ist“, schreibt Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes im Aufruf zur diesjährigen Diakoniespende. Und führt weiter aus: „Ein solches Angebot lässt sich nur realisieren dank des unermüdlichen Engagements vieler ehrenamtlich Aktiver. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich. Denn sie machen GULLIVER für viele obdachlose Menschen gewissermaßen zu einem Zuhause – zu einem Zuhause, in dem sie Solidarität erfahren, zu einem Zuhause, in dem die Würde eines jeden Menschen groß geschrieben wird“. Unterstützung gibt es auch von den „Höhner“ und von Volksschauspieler Peter Millowitsch. Und selbstverständlich auch von Stadtsuperintendent Rolf Domning: „Das GULLIVER ist ein Statement gegen die Ausgrenzung von Obdachlosen und Armen“, macht er in dem Spendenaufruf des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region unmissverständlich klar.

Regelmäßig eine warme Mahlzeit
Schon mit dem 1994 eröffneten „Lobby Restaurant“ (LORE) in der Domstraße erhielten Berber die Möglichkeit, regelmäßig eine günstige warme Mahlzeit in einer menschenwürdigen Umgebung zu bekommen. Für die Menschenwürde bedurfte es aber auch an Möglichkeiten, seine Notdurft zu verrichten und sich zu waschen. „Toiletten im öffentlichen Raum wurden aus Kostengründen geschlossen. Das war für Obdachlose eine schwierige Situation“ so Iffland. Studierende des Fachbereichs „Design“ der Fachhochschule Köln entwickelten die Idee eines Tagesangebots für Obdachlose, das sie dem Unterstützerkreis des LORE vorstellten. Verwaltung und Rat gaben grünes Licht für ein derartiges Projekt, und mit den Räumen der ehemaligen Bundesbahn-Druckerei im Bahnbogen am Hauptbahnhof wurde der geeignete Ort gefunden. In den Architekten Busmann & Haberer, die auch für die architektonische Umgestaltung des Hauptbahnhofs zuständig waren, fanden die Unterstützer der Überlebensstation engagierte Partner. Die Idee von GULLIVER nahm mehr und mehr konkrete Formen an, und am 5. Januar 2001 schließlich wurde die Überlebensstation eröffnet.

Aktive Mitarbeit im GULLIVER
Träger ist der Verein Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) e.V., dem es von Anfang an um mehr ging als „nur“ um ein Hilfsprojekt für Obdachlose. „Das GULLIVER ist immer auch ein Beschäftigungsprojekt, das Menschen eine Zukunftsperspektive aufzeigt“, betont Bernd Mombauer, Geschäftsführer des KALZ. Die Menschen, die die Einrichtung besuchen, erhalten nicht nur akute Hilfe und Unterstützung, um ihre Situation auf der Straße zu verbessern, sondern auch die Möglichkeit, ihre Lebenssituation konkret zu verändern. Und zwar über aktive Mitarbeit im GULLIVER. Das Spektrum reicht von stundenweiser Beschäftigung über den Ein-Euro-Job bis hin zur befristeten tariflichen Anstellung. Vom Tagelöhner – ein Begriff, den das KALZ sehr bewusst und im positiven, biblischen Sinne benutzt – mit einfachen Aufgaben können sich Besucher zu einer befristeten Anstellung weiter entwickeln. Bis hin zum „Vorarbeiter“, der eine Art Leitungsfunktion in der Organisation des täglichen Ablaufs innehat.
Der Leistungsgedanke kommt hier bewusst zur Anwendung. „Die Menschen, die auf der Straße leben, haben sehr viele und sehr unterschiedliche Potenziale, die aber meistens verschüttet oder verkümmert sind“, erläutert Iffland. Durch die Arbeit im GULLIVER werden diese Ressourcen den Obdachlosen wieder bewusst und sie entwickeln neue Perspektiven für ihr Leben. „Wer es etwa ein Jahr lang durchhält und hier mitarbeitet, der findet danach auch eine Wohnung“, erzählt Mombauer. Und das ist dann sehr oft der erste Schritt in ein anderes Leben.

GULLIVER-Geschäftsführer Bernd Mombauer weist auf ein altes Berberzeichen hin. Der Hammer wurde früher auf Häuser gemalt und bedeutete: Hier gibt es Arbeit!

Im vergangenen Jahr arbeiteten im GULLIVER 45 Tagelöhner, 20 Ein-Euro-Jobber, fünf befristet Beschäftigte und zwei Vorarbeiter. „Sechs frühere Obdachlose, die hier als Vorarbeiter gearbeitet haben, haben auch wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden“, berichtet Iffland. Das ist letztlich auch das Ziel dieser Tätigkeiten, denn das GULLIVER will in diesem Bereich nur anstoßen, nicht versorgen. Die Anstellungen sind befristet, um möglichst vielen Obdachlosen die Möglichkeit zur Arbeit bieten zu können. „Obwohl das einige möchten – eine Beschäftigung bis zur Rente gibt es hier nicht“, betont Mombauer. Von diesem Prinzip profitieren alle. Die Beschäftigten haben die Herausforderung eines Jobs, was wiederum den Gästen zugutekommt. Und weil die Beschäftigten selbst von der „Platte“ kommen, haben sie sehr oft gute und pragmatische Ideen, um die Angebote immer wieder zu verbessern.

Sicher und ohne Angst schlafen können
Die Angebote orientieren sich an den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher. Das GULLIVER mit seinen zwei Etagen hat täglich von 6 bis 22 Uhr geöffnet, an Wochenenden und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Lediglich an Karneval ist geschlossen. Und in den kalten Wintermonaten der vergangenen Jahre wurde entschieden, die Einrichtung bei zweistelligen Minusgraden auch nachts zu öffnen. 150 bis 200 Menschen nutzen täglich die Angebote der Einrichtung, zum Großteil Männer. Sie können im GULLIVER Toiletten und Duschen benutzen, eine warme Mahlzeit oder einen Kaffee zu sich nehmen, in der Kleiderkammer nach neuer Bekleidung ausschauen oder einfach eine Auszeit vom harten Leben auf der Straße nehmen. Die Preise sind moderat – ein Essen kostet 1,50 Euro, ein Kaffee 30 Cent oder eine Dusche 50 Cent. „Es hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun, dass wir keine Almosen verteilen, sondern dass die Besucher für die Angebote bezahlen“, unterstreicht Mombauer dieses Prinzip.



Ein warmes Essen im GULLIVER kostet nicht mehr als 1,50 Euro.



Es sind aber nicht nur die Grundbedürfnisse, die im GULLIVER befriedigt werden. „Obdachlose haben Handys, Obdachlose haben Freunde, mit denen sie über Internet Kontakt halten“, sagt Iffland. So gibt es in der Überlebensstation Ladegeräte für Mobiltelefone und zwei Computerplätze, die eigenständig genutzt werden können. Und weil eine ärztliche Betreuung von den Besuchern nicht angenommen wurde, wurde der dafür eingeplante Raum in einen Tages-Schlafraum umgewandelt. „Das Gefühl, sicher schlafen zu können, ohne Angst zu haben um seine Habseligkeiten und seine Gesundheit, haben viele unserer Besucher nur selten“, begründet Iffland dieses Angebot, das von den Obdachlosen selbst angeregt wurde.
Das GULLIVER, ein Erfolgsmodell? Sicherlich, aber kein Selbstläufer. „Es ist ein sehr gutes Beispiel für stadtgesellschaftliches Engagement. Die große Bereitschaft, uns zu unterstützen, überwältigt uns immer wieder. Aber diese Bereitschaft brauchen wir jeden Tag aufs Neue“, appelliert Iffland, das GULLIVER und seine Gäste auch weiterhin zu unterstützen.



Ob Salat oder Kleidung: Im GULLIVER ist alles immer frisch.



Was ist das Besondere an der „Diakoniespende“?
Finden Sie diese vielfältige mit großem (ehrenamtichen) Engagement geleistete Arbeit auch so unterstützenswert wie Elfi Scho-Antwerpes, die „Höhner“ und Peter Millowitsch? Dann freuen sich GULLIVER und der Evangelische Kirchenverband Köln und Region über Ihre Spende! Jedes Jahr ruft der Kirchenverband aufs Neue zu der Spendenaktion „Weichen stellen“ auf. Im Jahr 2012/13 ist der Empfänger der Spendengelder von August bis August die Überlebensstation GULLIVER.
Das Besondere an der Aktion: Jeden Cent, jeden Euro, den Sie für GULLIVER spenden, verdoppelt der Evangelische Kirchenverband Köln und Region!

Möchten Sie spenden?
Spenden werden erbeten auf das Konto 4404 des Evangelischen Kirchenverbandes Köln bei der Kreissparkasse Köln, Bankleitzahl: 370 502 99. Spendenzweck: „GULLIVER – Überlebensstation für Obachlose“.
Vielen Dank!

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer