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Das Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten: Finanzkrise und kein Ende

Die Finanzkrise der Kirchen allgemein und des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln im Besonderen verfolgt Stadtsuperintendent Ernst Fey. Ob er will oder nicht. Eigentlich will er nicht. „Wir müssen mal langsam weg von der Spardebatte“, erklärte er vor Journalisten beim jährlich einmal stattfindenden „Frühjahrsgespräch“ mit Vertretern der Presse und des Rundfunks. „Wir als Kirche müssen den Menschen Orientierung geben“, fuhr Fey fort. „Wir müssen den Menschen vermitteln, dass sie sich als von Gott geliebt erkennen. Kirche ist wichtig für die geistige und spirituelle Seite des Menschen. Und natürlich verstehen wir uns auch als Mund der Stummen und Arm der Schwachen“.

 

Kooperationen, um so viel wie möglich zu retten

Ein Entrinnen aus der finanziellen Misere gibt es für den Stadtsuperintendenten natürlich so wenig wie für die 62 Gemeinden des Stadtkirchenverbandes. Die bekommen in diesem Jahr vom Verband 31,8 Millionen Euro zur Erledigung ihrer Aufgaben. Das sind 2,8 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Welche Konsequenzen die Gemeinden daraus ziehen, entscheiden sie autonom. Ein drei Jahre zurückliegender Beschluss der Landessynode habe den Gemeinden auferlegt, ein Prioritäten-Konzept zu verabschieden. Dieser Prozess sei weitestgehend abgeschlossen, nun liege es an den Presbyterien, Schwerpunkte etwa im Bereich Jugendarbeit, Seniorenarbeit, Kirchenmusik, Kindergärten oder auch Seelsorge und damit Pfarrstellen zu setzen. Die Zukunft sehe so aus, dass keine Gemeinde wie bisher alles anbieten könne. Kooperationen seien nötig, um so viel wie möglich zu retten.

Kündigungen? So menschlich wie möglich
„Bisher haben wir noch nie betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen“, verwies Fey auf die „gute alte Zeit“. Die sei nun vorbei, kein Arbeitsbereich im Stadtkirchenverband wie in den Gemeinden bleibe prinzipiell „unangetastet“. Wo Kündigungen unausweichlich seien, sollen sie „so menschlich wie möglich“ abgewickelt werden. Fey verwies auch auf die Richtzahl, wonach ein Pfarrer oder eine Pfarrerin für 3000 Gemeindeglieder zuständig sein soll.

Derzeit arbeiten 155 Seelsorgende für 300.000 Gemeindeglieder im Bereich des Stadtkirchenverbandes. Daraus ergebe sich mittelfristig ein Überhang von mindestens 50 Pfarrstellen. Hier rechnet Fey mit Presbyteriumsbeschlüssen, Pfarrstellen aufzuheben.
Nicht nur die Gemeinden, auch der Stadtkirchenverband unterliegt dem Spardruck. In den nächsten fünf Jahren sollen etwa 40 der aktuell 600 Stellen wegfallen. Ämter und Einrichtungen werden zusammengelegt. Als Beispiel diente die anstehende Verschmelzung von Sozialwerk und  Melanchthon-Akademie. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Stelle des scheidenden Sozialwerk-Leiters Uwe Becker nicht wieder besetzt wird. Die 21 Ämter werden langfristig in drei Säulen zusammengefasst: Diakonie, Bildung und Schule, Seelsorge und Verkündigung.


„Jeder kürzt vor sich hin“
Uwe Becker schlug den Bogen von der Kirche zur „Kölner Spardebatte“, die auf den Stadtkirchenverband und die Gemeinden zurückschlage. Zurzeit gebe es in Köln 9000 Sozialhilfeempfänger. Zu Beginn des kommenden Jahres, wenn „Hartz IV“ in Kraft gesetzt sei, würden 45.000 Menschen das Arbeitslosengeld II beziehen. Dahinter verbirgt sich die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Auch das Wohngeld werde nicht mehr vom Land bezahlt. Auf Köln kämen unter diesen Voraussetzungen Mehrkosten von 95 Millionen Euro zu. Die Melanchthon-Akademie und die Evangelische Familienbildungsstätte müssten bereits heute Kürzungen von 15 Prozent der städtischen Mittel hinnehmen. Becker erinnerte daran, dass zurzeit 200 Kommunen ihren Etat mit einem Haushaltssicherungskonzept verwalteten. Er kritisierte das „reaktive, resignierte Umgehen“ der betroffenen Stellen mit den Kürzungen. Zudem gebe es keine Koordinierungsstelle für die finanziellen Einschnitte. „Jeder kürzt vor sich hin“.

Wenig Kooperation bei außerschulischer Vermittlung von  Bildungsinhalten

Thema des „Frühjahrsgesprächs“ war auch die „Offene Ganztagsschule“. Schulreferentin Utta Brauweiler-Fuhr und Helga Blümel, Fachbereichsleiterin im Amt für Diakonie, bezogen dezidiert Stellung. Die außerschulische Vermittlung von  Bildungsinhalten werde von allen Beteiligten als wichtig erkannt, erläuterte Brauweiler-Fuhr. Mit der Offenen Ganztagsschule solle das Konzept  „Schule als Haus des Lernens“ umgesetzt werden. Wie allerdings die nachschulische Betreuung der Kinder in der Praxis aussehen werden, vermöge derzeit niemand zu sagen. Aus dem Amt für Diakonie könne diese Betreuung nicht gewährleistet werden, erklärte Helga Blümel. Von staatlicher Seite würden pro Gruppe mit 25 Kindern, die an fünf Nachmittagen in der Woche betreut würden, pro Jahr 30.000 Euro gezahlt. „Das ist viel zu wenig für uns“, so Blümel. Um die Kosten im Amt für Diakonie zu decken, müsse man mit 60.000 Euro kalkulieren. Sie kritisierte zudem die schlechte Kommunikation zwischen Schulen und freien Trägern der Jugendhilfe. Während es bei Letzteren immer wieder Ausnahmen von der Regel gebe, seien die Schulen sehr starr an ihre Vorgaben gebunden. Und auch die Gleichwertigkeit zwischen Schulen und Jugendhilfe sei nicht gegeben. Dazu Blümel: „Wir begegnen uns nicht auf Augenhöhe“.

Text: Rahmann
Foto(s): schulzki