Für seine 100. Veranstaltung hatte das Forum Paul-Gerhardt-Kirche der evangelischen Gemeinde Lindenthal einen prominenten Referenten gewonnen: Manfred Kock hielt einen Vortrag über das Thema „Familie – Modell für die Zukunft.“ Es war kein Versehen, wenn das Fragezeichen hinter der Überschrift fehlte. Denn für Kock steht trotz rückläufiger Geburtenrate fest, dass eine feste Lebenspartnerschaft mit Nachwuchs gerade in Zeiten erhöhter, vielfach erzwungener Flexibilität ein notwendiger „Ort des Vertrauens und der Verlässlichkeit“ ist.
Familie – gesellschaftliche Parameter
Der Tatsache, dass, wie eine Umfrage bewies, die Familiengründung in der Lebensplanung von rund 83 Prozent der jungen Leute zwischen 15 und 25 eine „wichtige bis sehr wichtige“ Rolle spielt, müsse die Gesellschaft Rechnung tragen. Indem sie etwa aus dem veränderten Frauenbild Konsequenzen zieht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert oder die Erziehungszeit bei der Altersversorgung weit stärker berücksichtigt. Oft genug ließen berufliche, zur materiellen Absicherung notwendig Erwägungen den Einzelnen bei der Entscheidung für das Kind zögern: „Und dann ist es irgendwann zu spät“, so Kock. „Man muss Menschen, die eine Familie gründen möchten, immer wieder zu diesem Schritt ermutigen.“
Eine Zwischenfrage aus dem Publikum, ob nach Ansicht der Kirche auch auf der Grundlage gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften Familien entstehen könnten, mochte Manfred Kock nicht grundsätzlich verneinen: „Wenn ein Kind da ist, handelt es sich um eine Familie, auch beispielsweise wenn ein Elternteil allein erzieht.“
Manfred Kocks Text können Sie hier als PDF-Dokument lesen.
Das 100. Forum Paul-Gerhardt-Kirche: Viel Kontroverses seit 1995
Kontroversen Themen hat sich das Forum Paul-Gerhardt-Kirche seit seiner Gründung im Jahre 1995 immer wieder gestellt. Manfred Kock persönlich war es, der den Vorstand des Fördervereins im Jahre 1997 in seiner damaligen Position als Stadtsuperintendent zu der Foto-Ausstellung „Im falschen Körper – Transsexuelle Menschen in Deutschland“ ermutigt hatte. „Von allen bisherigen 99. Veranstaltungen hat keine so viel Wirbel ausgelöst“, erinnerte sich Armin Beuscher, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Lindenthal. „Außer Manfred Kock waren Bürgermeisterin Renate Canisius und die damalige Kulturdezernentin Dr. Kathinka van Weringh Schirmherren der Ausstellung, da konnte uns nichts passieren“, ergänzte Walter Ludwigs, erster Vorsitzender des Fördervereins. Provokation um ihrer selbst willen, so Ludwigs weiter, sei aber nie das Ziel der Veranstaltungen gewesen.
„Wir wollten Gespräche in Gang setzen, zur Diskussion zwischen der Kirchen- und der Bürgergemeinde auffordern.“ Mit Ausstellungen wie „Zeichnungen und Kollagen gegen Unterdrückung“ oder „Porträts spastisch gelähmter Menschen“, Lesungen von Autoren wie Günter Grass oder Abbas Maroufi, Konzerten des Bach-Chors Tokio oder der Paul-Gerhardt-Kantorei, dazu Vorträge und Theateraufführungen konnten in den vergangenen gut acht Jahren exakt 12.258 Besucher in das Gotteshaus gelockt werden.
Finanzierung
Weil außer bei Konzerten und Lesungen bekannter Autoren kein Eintrittsgeld verlangt wird, musste der Förderverein bei 83 der 99 Veranstaltungen Geld zuschießen. Deshalb entrichtet jedes der etwa 100 Vereins-Mitglieder einen Jahresbeitrag von 17 Euro sowie eine Spende nach Gutdünken.
Ausblick
Auch für 2004 sind bereits wieder vier Ausstellungen, eine Buchvorstellung, eine Kabarettaufführung und ein Vortrag. Außerdem wird wieder die „Street Gallery“ in der Paul-Gerhardt-Kirche eröffnet, eine Aktion, bei der Lindenthaler Geschäftsleute Kunstwerke aus dem Veedel in ihren Schaufenstern präsentieren. „Der Kontakt zu den anderen Gruppen des Stadtteils funktioniert eben hervorragend“, so Walter Ludwigs.
Foto(s): Hermans