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Claudia Lautner ist seit elf Jahren Prädikantin in Köln-Zollstock

"Mit jeder Predigt bin ich demütiger geworden." – Claudia Lautner ist Prädikantin in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Zollstock. Hauptberuflich arbeitet die 53-Jährige seit 15 Jahren als Sozialarbeiterin im Diakonischen Werk Köln und Region, seit elf Jahren ist sie ehrenamtliche Prädikantin im Verkündigungsdienst in ihrer Gemeinde. Immer ist sie sich bewusst, "wie verantwortungsvoll diese Aufgabe ist, wenn ich am Sonntag in der Kirche den Menschen etwas vom Evangelium Gott erzähle."

Gottesdienste aus dem Leben
"Inspiriert hat mich eine Reise in die USA", erzählt Lautner. Mit einer von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgewählten Reisegruppe flog sie für vier Wochen in die Südstaaten der USA auf Einladung der EKD-Partnerkirche United Church of Christ (UCC). "Auf dieser Reise habe ich Gottesdienste einer ganz anderen Art erlebt, sehr aus dem Leben", berichtet Lautner. "Da ist in mir der Gedanke entstanden, dass ich das auch gern machen würde." Nach ihrer Rückkehr spricht sie mit ihrem Pfarrer über ihren Wunsch und bittet die Gemeinde, sie zur "Zurüstung" zu schicken. Denn das war damals die Voraussetzung für die Arbeit als Prädikantin. Zwei Jahre dauerte der Kursus, in dem Claudia Lautner ausgebildet wurde.

Rüstzeug für den Verkündigungsdienst
Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) bietet zwei Mal im Jahr solche Zurüstungs- bzw. Ausbildungskurse, wie sie heute genannt werden, an. Das Presbyterium einer Kirchengemeinde muss zuvor den Beschluss fassen, ihr Gemeindeglied zu einer Ausbildung zu "entsenden". Lautner lernte sowohl in Präsenzphasen als auch zu Hause, was eine Prädikantin so wissen muss: wie die Texte der Bibel auszulegen sind, wie man ein Gebet verfasst, wie man eine Predigt schreibt und auch, wie man sich bei verschiedenen Amtshandlungen – im Talar! – im liturgischen Raum bewegt.

Mit Respekt und Aufregung
Ihre erste Predigt hat Claudia Lautner am 15. März 2002 noch während ihrer Ausbildung gehalten. Sie erinnert sich an ihre starke Aufregung: "Man muss das wollen, vor vielen Menschen stehen und ihnen etwas erzählen". Lautner: "Ich hatte großen Respekt davor, schließlich habe ich nicht Theologie studiert." 2004 wurde sie schließlich ordiniert. "Das war sehr feierlich, im Beisein von Freunden, der Familie und dem damaligen Synodalassessor Helmut Schneider-Lesßmann musste ich selbst die Predigt halten."

Grundsätzlich ordiniert im Rheinland
Die rheinische Landeskirche und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) sind die einzigen Landeskirchen, in der die Ordination (Segnung mit Sendung zur öffentlichen Wortverkündigung) zur Ausbildung gehört. Es gibt für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie für Prädikantinnen und Prädikanten dieselbe Ordination. Der Unterschied liegt im Umfang der Ausbildung. In der Praxis ergänzen die Ehrenamtlichen den Dienst der beruflich Mitarbeitenden, denn zur Ordination gehört auch die Sakramentsverwaltung (Taufe, Abendmahl, Trauung, Bestattung). In allen anderen Landeskirchen werden Prädikanten nur in Ausnahmefällen ordiniert. Entsprechend ist auch das Tragen eines Talars (liturgisches schwarzes Gewand) nicht überall üblich.

Amtshandlungen kosten viel Zeit
Auch in ihrer Arbeit als Schuldnerberaterin im Diakonischen Werk Köln und Region ist das Christ-Sein ein Thema: "Menschen, die zu mir kommen, befinden sich in einer Krise. Ich übe in meiner Arbeit täglich, eine Christin zu sein, und das versuche ich in meine Predigten mit einzubringen. Ich mache also das, was wir Prädikanten tun sollen, nämlich den Alltag und den Berufsalltag reflektieren." Amtshandlungen führt sie nur selten aus, das kostet zu viel Zeit, neben der Berufstätigkeit ist das kaum möglich. Auch Seelsorgegespräche führt Lautner nicht oft, denn als Gemeindeglied sei das schwierig, wenn sie Dinge erfahre, "die mich belasten und über die ich ja nicht reden darf. Nicht mal mit meinem Pfarrer."

In der Not entstanden
In der rheinischen Kirche hießen Prädikanten bis vor wenigen Jahren „Predigthelferinnen” oder „Predigthelfer“ – eine Bezeichnung, die in die Zeit des Nationalsozialismus zurückreicht, als Pfarrer der Bekennenden Kirche aufgrund ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus aus ihrem Pfarrdienst entfernt wurden. Damals wurden befähigte Männer zum Verkündigungsdienst zugerüstet und ordiniert. Besonders in der Not der Kriegsjahre, als viele Pfarrer und Vikare an die Front mussten, hatten zahlreiche Gemeindeglieder es dem Dienst ihrer Predigthelfer zu verdanken, dass sie nicht ohne Zuspruch und Trost des Evangeliums in dieser schweren Zeit bleiben mussten. Frauen wurde dieser Dienst erst später eröffnet. Als nach 1945 das kirchliche Leben neu geordnet wurde, sei den Synodalen schnell klar geworden, dass man auch in Zukunft nicht auf die Mitarbeit der Predigthelfer verzichten könne, so Lautner.

Zusätzliche Entlastung
"Ich weiß genau, was ich bin und wo ich hingehöre: Ich bin eine ehrenamtliche Prädikantin im Verkündigungsdienst. Das ist ein Ehrenamt, das muss es auch bleiben", betont Lautner, wenn sie über ihren Dienst in der Kirche spricht. Im Durchschnitt einmal pro Monat hält sie einen Gottesdienst in ihrer Heimatgemeinde und hat große Achtung vor denen, die das regelmäßig jeden Sonntag tun. "Ich brauche natürlich viel länger, um eine Predigt zu schreiben als ein Pfarrer." Sie sieht sich aber dennoch als Entlastung der Hauptamtlichen – ersetzen oder vertreten können und sollen sie diese jedoch nicht. "Wir haben rund 3.500 Gemeindeglieder bei uns in Zollstock, mit einer Pfarrstelle ist das kaum zu schaffen", berichtet Lautner.

Im strikten Sinn ehrenamtlich
In der EKiR sind derzeit neben den 1.900 Pfarrerinnen und Pfarrern rund 750 Prädikantinnen und Prädikanten tätig. Sie kommen aus allen Altersgruppen, Berufen und sozialen Schichten und tun ihren Dienst im strikten Sinn ehrenamtlich. Sie bringen Erfahrungen aus anderen Berufs- und Lebenswelten in "ihre" Kirche mit ein. Damit geben sie der Predigt in Ergänzung des Dienstes der Theologinnen und Theologen einen deutlich eigenen Akzent, das mache die evangelische Verkündigung insgesamt lebendiger und vielseitiger, erklärt Lautner.

"…wo Gott mich hinführt"
"Dass ich das mache, ist für mich persönlich der größte Gewinn", versichert Lautner am Ende des Gesprächs. "Die Entwicklung, die ich in den Jahren im Verkündigungsdienst in meinem Glauben durchlaufen habe, hat mich dazu gebracht, eine Fortbildung als Diakonisse in moderner Form zu beginnen." In diesem Jahr schließt sie diese weitere Ausbildung ab und blickt ganz entspannt in die Zukunft: "Ich lasse mich leiten, wo Gott mich hinführt."

Mehr Informationen
Alles über die Ausbildung zum Prädikanten/zur Prädikantin und die Ausübung in der rheinischen Kirche kann man unter www.praedikanten-ekir.de nachlesen.

Text: Sandra Kaufmann
Foto(s): Sandra Kaufmann