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Bunt und vielfältig: Neue Plakatserie der Beratungsstellen.

Manchmal steht zuerst das Bild – und dann kommen die Worte. So ist das etwa im Fall der Evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: Die Beratungsstelle hat eine kleine Plakatserie neu produziert, mit der sie – mit Hilfe der Arbeiten der Grafikerin Andrea Brauner – ihre Arbeitsbereiche im wahrsten Sinn des Wortes bildlich macht. Da diese Plakate nicht überall zu sehen sind, hat sich Maria Al-Mana mit dem stellvertretenden Leiter Lothar Simon unterhalten – und dabei festgestellt, dass alles ja vielleicht auch genau umgekehrt gewesen ist: Erst kamen die Worte, und dann die Bilder…..

Vielfalt von Menschen und Fragen
Ziemlich klar ist die Sache bei dem Plakat zum Arbeitsbereich „Schwangerschaft“: Das Babyfläschchen mit den vielen bunten, man könnte sagen „Liebesperlen“ drin, spricht so sehr für sich, dass fast auf Text verzichtet werden konnte. Für Simon setzt dieses Motiv vor allem die Vielfalt ins Bild. Die Vielfalt von Menschen und Fragen, von Problemen und Beratungsprozessen, von Notwendigkeiten in der Beratungsarbeit. Aber, wie so oft bei scheinbar einfachen Dingen: Vorsicht ist geboten. Simon sieht in den bunten Perlen auch die vielen unterschiedlichen Vorstellungen, die sich werdende Eltern von ihrem Kind machen, das könne auch „ambivalent“ werden, und zu Fragen führen, die ein junges Paar zum Besuch in die Kölner Evangelische Beratungsstelle führe, sagt er. Es gibt übrigens drei Beratungsstellen in Köln und der Region: in Köln in der Tunisstraße, in Frechen und in Bensberg. Vielfalt sieht Simon auch in den Themen, mit denen werdende Eltern konfrontiert sein können: wirtschaftliche, partnerschaftliche, rechtliche, psychosoziale, kurz: „sehr vielfältige Fragen, mit denen Menschen während der Schwangerschaft zu uns kommen.“ Doch: Das Positive überwiegt bei diesem Plakatmotiv ganz klar – es ist fröhlich und bunt.
Bunt und vielfältig – das ist auch Realität in der Beratungsarbeit: Die Vielfältigkeit belegt Simon mit Zahlen aus dem Tätigkeitsbericht von 2009: Menschen aus 60 verschiedenen Nationen haben letztes Jahr die Evangelische Beratungsstelle in Köln aufgesucht.

Schwangerschaftskonfliktberatung: Der Wunsch nach einem Gespräch besteht, weit über die gesetzliche Notwendigkeit hinaus
Das Plakat zum Arbeitsbereich „Schwangerschaftskonfliktberatung“ braucht schon mehr Worte – und drei ganz verschiedene Bilder, um seine Aussage zu verdeutlichen: „Zu jung oder zu alt für ein Kind, alleinerziehend sein, Partnerschaftsprobleme, finanzielle Sorgen, Gewalt?“ wird da unter anderem gefragt. Auch hier liefert der Tätigkeitsbericht 2009 Hintergrundinformationen: Keine einzige Frau, die mit einem Schwangerschaftskonflikt eine Evangelische Beratungsstelle aufsuchte, nannte nur einen Grund bei ihrem Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch. Immer waren es mindestens zwei Gründe, oder mehr – an erster Stelle standen dabei die körperliche oder psychische Verfassung der Frau, erst an zweiter Stelle finanzielle Probleme. Interessant ist übrigens, dass ALLE Frauen überhaupt einen Grund für ihren Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch nannten. Obwohl sie das eigentlich gar nicht müssten: rechtlich sind Frauen dazu nämlich nicht verpflichtet – sie würden trotzdem die Bescheinigung für den Arzt nach § 219 Strafgesetzbuch bekommen, um die Schwangerschaft abbrechen lassen zu dürfen. Und dass das so ist, „darüber klären wir alle Frauen schon zu Beginn des Gespräches auf“, betont Simon. Die Tatsache, dass die Frauen trotzdem über ihre Gründe sprachen, zeigt deutlich ihren Wunsch nach einem Gespräch. 600 Fälle von Schwangerschaftskonfliktberatung gab es 2009, aber 1100 Gespräche zum Thema – was bedeutet, dass die meisten Frauen im Schnitt zweimal kamen. Natürlich haben die Evangelischen Beratungsstellen auch eine Verweisungskompetenz an andere Einrichtungen, wenn es um weiterführende Fragen oder Probleme geht, ein Netzwerk an Angeboten steht den Beraterinnen und Beratern zur Verfügung. Ein weiterer Vorteil der Evangelischen Beratungsstellen: „Bei uns ist alles unter einem Dach“, sagt Simon. Und das bedeutet nicht nur, dass hilfesuchende Menschen problemlos von einem Beratungsbereich in einen anderen wechseln können, sondern auch, dass alle Unterlagen im Haus bleiben und vom internen Beraterteam begleitet werden. Natürlich sind die Beraterinnen und Berater an die Schweigepflicht gebunden, aber intern gibt es einen Austausch, so dass die Klienten nicht schon einmal Erzähltes wiederholen müssen. So könnte beispielsweise ein Paar, das ursprünglich zur Beratung und Begleitung während der Schwangerschaft gekommen ist, während der ersten Gespräche aber einen Paarkonflikt ausmacht, zur Paartherapie in der Geburtsvorbereitungsphase wechseln.

Aber zurück zum Plakat: Die eine Frau auf den drei Fotos mag um die 30 sein, das Paar am Wasser sieht ebenso nachdenklich aus wie die junge Frau rechts. „Hier war es schwierig, die ganze Vielfalt auf den Punkt zu bringen“, räumt Simon ein, und meint damit Text wie Bilder. „Die Gründe für den Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch sind bei einer ungeplanten Schwangerschaft sehr individuell. Und sie ändern sich im Lauf der Zeit mit Veränderungen von Lebenssituationen – aus persönlicher wie aus gesellschaftlicher Sicht.“



Patchworkfamilien, homosexuelle Paare, ältere Menschen – alle brauchen Beratung bei Fragen rund um „Erziehung und Familie“
Das wird besonders deutlich bei dem Plakat mit den gestreiften Socken. Während die Autorin gesellschaftliche Umbrüche wie zu Zeiten der Hippie-Bewegung assoziiert, spricht Simon von vielen neuen Themen, die die Beratungsarbeit im Lauf der Zeit vor immer neue Herausforderungen stellt. In diesem Arbeitsbereich, „Erziehung und Familie“ sind das beispielsweise Patchworkfamilien, homosexuelle Partnerschaften oder zunehmend auch ältere Menschen, die mittlerweile eine Beratungsstelle aufsuchen. Hier geht es um Fragen zur Entwicklung von Kindern, um Familienprobleme und individuelle Krisensituationen. Krise? Das ist für die Beraterinnen und Berater erst einmal jede Situation im Leben eines Menschen, wo „Altes nicht mehr geht und Neues noch nicht bekannt ist“, definiert Simon. Wie beispielsweise bei Kindern der Eintritt in die Kita oder die Schule, später die Pubertät und/oder die erste Liebe, für Erwachsene Familienzuwachs, eine Trennung oder Scheidung, der Beginn der Pension und alle anderen, die Biographie einschneidend verändernde Ereignisse.

Für Simon steckt in diesem Plakat „das ganze, pralle Leben drin“ – einschließlich der Pfoten des Haustiers. Beratung wird dann notwendig, wenn Menschen in „komplexe Lebenssituationen geraten“, in denen sie sich nicht mehr allein zu helfen wissen. Gerade hier sei „die Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, stark gewachsen“, sagt Simon und ergänzt: „Wir erreichen mittlerweile viele gesellschaftliche Schichten, viel mehr als je zuvor.“
Früher habe es öfter mal Vorurteile gegen die Beratungsarbeit gegeben, die sei „nur etwas für die Mittelschicht“, mittlerweile kämen Klientinnen und Klienten aus allen Schichten. Da habe sich viel verändert, erzählt Simon, sowohl bei den Menschen, die freiwillig eine Beratungsstelle aufsuchen, wie auch für die Beratungsarbeit selbst: Seit knapp einem Jahr hat sich nämlich in Teilen das Prinzip der Freiwilligkeit geändert. „Angeordnete Beratung“ lautet hier das Stichwort. Und das bedeutet, dass das Familiengericht als „Auflage“ für Scheidungen im Streit Besuche einer Beratungsstelle anordnen kann. Das betrifft in erster Linie Eltern in uneiniger Scheidung. Die Situation der Kinder in diesen Familien wird in besonderem Maße in der Beratung berücksichtigt.

„Partnerschafts- und Lebensberatung“: Umbrüche in der persönlichen Biographie….
Als einziges Plakat der kleinen Serie zeigt das zum Arbeitsbereich „Partnerschafts- und Lebensberatung“ eine alte Frau, einsam hinter einer Fensterscheibe. „Ja, auch ältere Menschen kommen mittlerweile viel häufiger zu uns“, bestätigt Simon. Da gehe es vor allem um persönliche Krisensituationen, allein oder mit dem Partner, schließlich ist „die Ehe als lebenslange Institution überholt“ – auch hier gehe es oft um Umbrüche in der persönlichen Biographie, wenn die Kinder aus dem Haus sind, beim Eintritt in die Rente. Da können Krisen entstehen, ganz sicher Fragen. Darum steht auch auf jedem der Plakate: „Haben Sie Fragen? Wir sind für Sie da.“

Kontakt
Wer sich jetzt fragt, wo er die Plakate sehen kann, sollte entweder die eigene Gemeinde davon überzeugen, die Evangelische Beratungsstelle mal zu einem Veranstaltungsabend einzuladen – die Mitarbeitenden vereinbaren gerne Themen für einen Info-Abend, der vor Ort gestaltet werden kann. Oder man wendet sich direkt an Lothar Simon: Telefon 0221-2577461



Übrigens: Die Evangelischen Beratungsstellen stehen allen Ratsuchenden offen – unabhängig von Nationalität oder Religion. Alle Beratungen und therapeutischen Angebote sind kostenfrei, Terminvereinbarung erfolgt über telefonische Voranmeldung im Sekretariat der jeweiligen Beratungsstelle.

Text: AL
Foto(s): Grafik: Andrea Brauner für die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene