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Buchvorstellung: „Das Baptisterium am Dom. Kölns erster Taufort“; Martin Bock: „Taufe ist nicht Thema einer Konfession, sondern der christlichen Kirche, der Ökumene schlechthin“

„Trist“ wäre eine höfliche Zustandsbeschreibung: Wer den Dionysos-Hof unterhalb des Ostchores des Kölner Doms am tunnelartigen Teilstück zwischen Hauptbahnhof und Kurt-Hackenberg-Platz/Philharmonie betritt, den wird manches beschleichen. Wohlgefühle können es nicht sein – angesichts einer in Treppen, Rampen, Pfeilern und Wänden sich manifestierenden „Orgie“ in mittlerweile stark angegriffenem Beton sowie Naturstein. Diese zur „Unterwelt“ degradierte Ecke gehört zu den schmuddeligsten in Köln. Trotz des Dionysos-Brunnens von Hans Karl Burgeff. Damit nicht genug. Die städtebauliche Sünde in prominenter Lage verzeichnet ein zusätzliches „Opfer“. Es ist öffentlich wenig(er) bekannt, theologisch und (religions)historisch aber überaus bedeutend: das Baptisterium von Köln. Getrennt durch eine Wand, liegt es hinter dem Dionysos-Hof verborgen, in einer abgeschlossenen Kammer unter dem Domherrenfriedhof.

Erster christlicher Taufort in Köln


Das Kölner Baptisterium, ein achteckiges, begehbares Steinbecken, stammt wohl aus dem 6. Jahrhundert. Sechzig Zentimeter tief und im Durchmesser 2,40 Meter breit, stellt es den ersten bekannten christlichen Taufort in Köln dar. Gleichzeitig ist es eine der wichtigen frühchristlichen Stätten in unserer Region. Wer das 1866 ausgegrabene und anschließend mit einem Ziegelsteingewölbe geschützte Taufbecken heute besuchen möchte, dem versperrt in der Regel eine Gittertür den Zugang. Zumindest erlauben die Aussparungen in der Pforte einen Blick auf die beleuchtete Piscina. Daneben hängt eine großformatige graphische Rekonstruktion. Sie zeigt die Architektur des frühen, ebenfalls als Baptisterium bezeichneten Taufgebäudes/-raumes und den heute fehlenden Baldachin über dem Becken.

Arbeitsgemeinschaft Baptisterium setzt sich für Neugestaltung ein


Vonnöten ist also eine würdige Präsentation des Baptisteriums und entsprechende Gestaltung seiner Umgebung. Angedacht ist beides schon länger. 2006 erneuerte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln ihre Kritik am traurigen baulichen Zustand und der offenbar ins Stocken geratenen Planungen für eine angemessenere Aufmachung. Um die Angelegenheit stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern – insbesondere um das Projekt auf den zuständigen Ebenen, im Stadtrat und in der Verwaltung nochmals anzuschieben, bildete sich auf Initiative von ACK-Vorstandsmitglied Rainer Will und Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses in Köln, die Arbeitsgemeinschaft Baptisterium (ArgeBap). In der ArgeBap kooperieren außerdem das Metropolitankapitel der Hohen Domkirche zu Köln und der Evangelische Kirchenverband Köln und Region. Mitbegründer der ArgeBap ist neben dem früheren Stadtkonservator Ulrich Krings auch der evangelische Pfarrer und ACK-Vorstandsmitglied Martin Bock. Bock ist Leiter der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region und dessen Ökumenebeauftragter.

Aus Vortragsreihe wurde ein Buch


Öffentlichkeit für das Thema stellte die ArgeBap insbesondere mit einer Vortragsreihe her, die im Herbst 2007 und Frühjahr 2008 im Domforum stattfand. Dabei näherten sich Geisteswissenschaftler und Theologen dem Kölner Baptisterium aus verschiedenen Perspektiven: der Stadtgeschichte, der Archäologie, Kunstgeschichte, Stadtplanung und Theologie. Ergänzt um ein Vorwort von Bartscherer, einem Nachwort der Herausgeber und eine kurze Beschreibung der Problematik von Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, liegen nun sämtliche Vorträge als gebundenes Buch vor: „Das Baptisterium am Dom. Kölns erster Taufort“. Als Herausgeber fungieren Ulrich Krings und der katholische Theologe und Pädagoge Rainer Will in Kooperation mit der ACK und der Dombauverwaltung. Die Entstehung der Publikation des Kölner Greven Verlages wurde unterstützt unter anderem durch den Evangelischen Kirchenverband Köln und Region.

Renommierte Geisteswissenschaftler und Theologen als Autoren


In ihren zumeist illustrierten Beiträgen ordnen Althistoriker Werner Eck, Archäologe Sebastian Ristow, die Kunsthistoriker Günther Bindíng und Ulrich Krings das Kölner Baptisterium (religions-)historisch, bautypisch und thematisch ein. Sie arbeiten die Bedeutung des Ortes heraus, informieren verständlich über den Forschungsstand, nehmen (vorsichtige) Einschätzungen vor, knüpfen Bezüge. Dabei werden auch Tauforte in gegenwärtigen Kölner Kirchen vorgestellt, etwa in der evangelischen Trinitatiskirche (südliche Altstadt) und Lutherkirche (Nippes). Allein die Hälfte der zehn Hauptbeiträge stammt von Theologen. Ihr zentrales Thema ist die Taufe. Franz-Josef Nocke schreibt über deren Sinn und Bedeutung. Albert Gerhards zeichnet die Entwicklung der Taufliturgie nach. Michael Wolter untersucht die Taufe als Initiation im religionsgeschichtlichen Kontext. Rainer Will skizziert die Entwicklung ökumenischer Formen des Taufbewusstseins insbesondere am Beispiel der ACK in Köln. Martin Bock befasst sich mit der Taufe im ökumenischen Kontext.

Martin Bock: Taufe existentiell für die Christen


Für Bock, Ökumenebeauftragter des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, ist „Taufe nicht Thema einer Konfession, sondern der christlichen Kirche, der Ökumene schlechthin.“ Bei der Buchvorstellung betonte er, wie existentiell die Taufe für Christen sei. „Taufe hat immer auch einen Mehrwert gegenüber Kirche, wie sie sich entwickelt hat und wie sie sich heute darstellt. Kein Ritual hat eine solche verbindende Wirkung wie die Taufe. Sie verbindet den Menschen mit dem lebendigen Gott.“ Für Bock war die Taufe immer mehr als ein Ritual gewesen, an das er sich erinnere. „Jede Erinnerung an die Taufe bringt mich von einer kalten Erinnerung zu einer heißen Erinnerung.“ Laut Bock muss das Baptisterium in Köln zwingend als konfessionsübergreifender Tauferinnerungsort wieder entdeckt werden. „Es ist ein ökumenisches Gemeingut, das uns Christen zu unseren Anfängen zurückführt.“ Denn das Baptisterium stamme aus einer Zeit, in der die christliche Kirche noch ungeteilt, ohne Spaltung gewesen sei. „Auf diese alte Kirche bezieht sich die Reformation. Interessant ist, dass es den Reformatoren um eine Erinnerung an die alte Kirche ging als eine heiße Erinnerung.“ Vielleicht, sinniert Bock, könne man das Warten auf und das zuversichtliche Streben nach Fortschritt in der ökumenische Frage ein wenig mit der angestrebten Neugestaltung des Baptisteriumsareals vergleichen. „Dieser Ort erdet quasi die ökumenische Diskussion. Mehr als in der Taufe miteinander verbunden sein, können wir nicht.“

Wichtig: die Einsehbarkeit des Beckens


Die Autoren bleiben nicht bei der Erfassung der Dimensionen des Ortes. Darüber hinaus zeigen sie Möglichkeiten auf, wie er seiner Bedeutung gemäß zukünftig aussehen und genutzt werden könnte. So liefert Stadtplaner Bernd Streitberger, derzeit Baudezernent der Stadt Köln, eine Zusammenfassung zur Geschichte und zum Stand der Umgestaltungspläne. 2002 lud die Stadt Architekturbüros zu einem „nicht abschließend entschiedenen“ Werkstattverfahren ein. Gegenstand war die städtebauliche Aufwertung des Domumfeldes. Einen wesentlichen Aspekt bildete dabei der Bereich Dionysos-Hof und Baptisterium. Einer der favorisierten Vorschläge sieht den Rückbau der Überdeckung der Straße Am Domhof vor. Auf der unteren Ebene sollen die Nischen, Vor- und Rücksprünge beseitigt und ein Vorbereich eingerichtet werden, der von einer glatten Wand zur Straße hin begrenzt wird. In diese Wand sollen Schaufenster eingelassen werden, in denen Promenierende ausgestellte Objekte zur Geschichte des Baptisteriums, des Doms und der Stadt betrachten können. „Das ist sozusagen ein Straßenmuseum“, meint Dombaumeisterin Schock-Werner. Seit zehn Jahren kämpft sie mit für eine Veränderung dieser „grauenhaften Situation“. „In jeder anderen Stadt würde dieser Ort als eine archäologische Sensation gewürdigt.“ Vor dem eigentlichen Baptisterium stellt sie sich einen „großen, würdigen Raum vor, in dem Gruppen sich versammeln können bei Stadtführungen oder Taufgedächtnisfeiern“. Wichtig sei der ArgeBap auch die Einsehbarkeit des Beckens von außen, respektive oben, betont Schock-Werner.

Trotz Rückschlag ist die ArgeBap zuversichtlich


Die Chance zur Finanzierung des Projekts schien 2008/09 gekommen zu sein. Doch der diesbezüglich mit reichlich Zuversicht gestellte Antrag der Stadt im Rahmen des Förderprogramms des Bundesbauministeriums für Investitionen in nationale Weltkulturerbestätten blieb erfolglos. Nun hofft auch die ArgeBap, dass bei einer für 2010 angekündigten zusätzlichen Verteilung von Fördermitteln auch das Kölner Projekt bedacht wird. Bartscherer jedenfalls drängt darauf, dass das Juwel Baptisterium nicht nur gereinigt, sondern neu gefasst wird. Für Will ist es längst überfällig, dass die „lange vergessene, vernachlässigte“ Stätte ihrer Bedeutung für die Stadtgeschichte und als zentraler Taufgedächtnisort gerecht werden kann.

Ulrich Krings, Rainer Will (Hrsg.): Das Baptisterium am Dom. Kölns erster Taufort. 208 Seiten mit 85 einfarbigen Abb., gebunden, 29,90 Euro, Greven Verlag, Köln


Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich