Buchneuerscheinung: Erste große Monografie über den Jüdischen Friedhof Köln-Bocklemünd

„Der Gerechte lebt in seinem Glauben“ steht in hebräischen Buchstaben an der Front der warm leuchtenden, ziegelgedeckten Trauerhalle eines besonderen Bestattungsplatzes: Der Jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd wurde 1918 westlich des Westfriedhofs an der Venloer Straße/Ecke Militärring eingeweiht. Er ist der größte unter den sechs Begräbnisstätten der Synagogen-Gemeinde Köln im Stadtgebiet.

Die weiteren fünf befinden sich in Deutz, Deckstein, Ehrenfeld, Mülheim und Zündorf. Allein auf dem circa 52.000 Quadratmetern umfassenden Jüdischen Friedhof Köln-Bocklemünd, heute im Stadtteil Vogelsang gelegen, wird noch beerdigt. Wie auf allen jüdischen Friedhöfen bleiben auch die Gräber in diesem „Haus der Ewigkeit“ unbegrenzt bestehen.

Lokale jüdische Geschichte
Diesem Friedhof also widmet sich eine überaus beachtenswerte Publikation von Barbara Becker-Jákli. Ein weiteres Mal erweist sich die promovierte Historikerin, Jahrgang 1952, als exzellente Kennerin und Vermittlerin des historischen jüdischen Lebens in Köln. Becker-Jákli, die grundlegend auch zur evangelischen Historie in Köln geforscht und publiziert hat, ist seit fast 30 Jahren im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln mit der lokalen und regionalen jüdischen Geschichte befasst.

Augenmerk auf Lebensgeschichten
Wie mit ihrem 2012 ebenfalls im Emons-Verlag erschienenen Stadtführer „Das jüdische Köln. Geschichte und Gegenwart “ legt die Autorin mit dem neuen Band zugleich ein Geschichts-, Lese- und Bilderbuch vor. Und wie in dem früheren liegt im nun vorgestellten ein großes Augenmerk auf Lebensgeschichten. Gespickt ist er mit zahlreichen Reproduktionen von (teils erstmals veröffentlichten) historischen Fotos und Dokumenten sowie aktuellen Aufnahmen, mit Gesamt- und vielen Ausschnittskarten, die die Orientierung und das Aufsuchen beschriebener Grabstellen vor Ort erleichtern. Alles das vermittelt schon bei der Lektüre ein dichtes Bild von diesem jüdischen Begräbnisplatz.

Steinmetze, Bildhauer, Kunstschmiede
Vorangestellt sind kurze, dennoch sehr anschauliche, detaillierte, gut illustrierte Beiträge zunächst über die Geschichte der jüdischen Friedhöfe in Köln: Der älteste bekannte, auf den Anfang des 12. Jahrhunderts datierte lag außerhalb der Stadtmauer „Am Bonntor“, im heutigen Stadtteil Raderberg. 1936 wurde er für den Bau des Großmarktes aufgelassen. Des Weiteren nimmt die Autorin die Gesamtanlage des Jüdischen Friedhofs Köln-Bocklemünd in den Blick, seine Gebäude, Denkmale und Satzung. Sie macht mit ausgewählten Werkstätten bekannt, deren Mitarbeitende sich auf dem Friedhof unter anderem als Steinmetze, Bildhauer, Kunstschmiede verewigt haben. Sie erläutert die Entwicklung jüdischer Grabmale und Verwendung jüdischer Symbole. Ein umfangreiches Register erleichtert das Ermitteln von Personennamen, ein Glossar das Verständnis von Fachbegriffen.

Bescheidene Quellenlage bis 1945
Auf fast 300 der insgesamt 392 Seiten befasst sich Becker-Jákli konkret mit fast 100 der insgesamt 6800 Grabstellen des jüdischen Friedhofes. Darunter die Grabstätten der Familien Leonhard Tietz, Eliel und Weinberg sowie von Alphons Silbermann. Dabei beschreibt sie nicht nur den einfachen Grabstein bis hin zum monumentalen, repräsentativen Grabmal. Sie stellt auch, soweit möglich, diejenigen Menschen vor, deren Namen sich dort eingemeißelt finden. So verknüpft sie Bestattungskultur mit Biografien (auch deportierter, ermordeter oder emigrierter jüdischer KölnerInnen) und Familiengeschichte über mehrere Generationen, Lebensgeschichte mit Stadt-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man sich die bescheidene Quellenlage bis 1945 vor Augen führt. Sie rührt her von der weitgehenden Vernichtung der Akten der Synagogen-Gemeinde Köln während der NS-Zeit. Mit einem enormen Recherche-Aufwand im In- und Ausland hat Becker-Jákli zahlreiche Wissens-Lücken schließen beziehungsweise verringern können.

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Barbara Becker-Jákli, Der Jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd. Geschichte, Architektur und Biografien, unter Mitarbeit von Aaron Knappstein, herausgegeben vom NS-Dokumentationszentrum Köln, 392 Seiten mit circa 80 Schwarz-Weiß- und Farbabbildungen, Broschur, Köln: Emons Verlag 2016, 18,95 Euro (ISBN 978-3-95451-889-0).

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich