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Brücke zwischen Kirche und Alltag: Ordination von Prädikantin Christiane Meyer in der Thomaskirche

„Ich wünsche mir, Menschen dafür zu begeistern, Gott näher kennenzulernen, zu entdecken, dass die Bibel etwas mit ihrem Leben zu tun hat und eine Lebenskraft enthält, die mir im Alltag helfen kann“, erklärt Christiane Meyer. Superintendentin Susanne Beuth hat nun die Prädikantin in der Thomaskirche ordiniert.

Susanne Beuth sagte an Christiane Meyer gewandt: „Pfarrerin Esche, Pfarrer Rollbühler und Diakon Mittmann haben Sie in der langen Wartezeit auf den Prädikantenkurs schon einiges erproben lassen. Für die Gemeinde ist es fast nichts Besonderes mehr, dass Sie Gottesdienste halten, aber für Sie ist heute ein ganz besonderer Tag. Sie werden ordiniert.“ Sie erläuterte, dass man in der Rheinischen Kirche mit der gleichen Agende wie die jungen Pfarrerinnen und Pfarrer nach dem Ende ihrer Ausbildung ordiniert wird: „Wir sind überzeugt, dass gerade Menschen, die ihren Glauben authentisch mit einem außerkirchlichen Beruf verbinden, der Gemeinde eine besondere Chance bieten, eine andere Perspektive zu hören.“

Einsatz in einem Kinderheim in Rumänien

Christiane Meyer begann ihren Lebensweg mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Glauben bereits in ihrer Jugend. Nach dem Abitur zog sie zunächst in Betracht, Pfarrerin zu werden, entschied sich jedoch dagegen. Diese Entscheidung wurde geprägt durch ihre Erfahrungen im Religions- und Konfirmationsunterricht, wo sie auf einen Pfarrer traf, der wenig Begeisterung und Überzeugung vermittelte. Gleichzeitig wurde sie durch den Kantor ihrer Gemeinde inspiriert, der die Liturgie lebendig und emotional greifbar machte. So blieb das Bibellesen stets ein zentraler Bestandteil ihres spirituellen Lebens. Schon damals spürte sie den Wunsch zu predigen, zweifelte jedoch, ob ihr „junger“ Glaube dauerhaft genug sein würde, um daraus einen Beruf zu machen.

Stattdessen entschied sich Christiane Meyer für ein Studium der Sonderpädagogik in Köln. Dort fand sie in der Evangelischen Studierendengemeinde endlich den Raum für religiöse Gespräche und den Austausch über Glauben und Bibel, der ihr zuvor gefehlt hatte. Das Studium selbst gestaltete sich jedoch aufgrund überfüllter Seminare und organisatorischer Hürden schwierig und zog sich in die Länge. Ein einschneidender Wendepunkt war ihr Entschluss, gemeinsam mit einer Freundin einen Kurzeinsatz in einem Kinderheim in Rumänien zu absolvieren. Aus wenigen Wochen wurden zwei Jahre intensiver Arbeit, in denen sie für die Kinder und mit den Mitarbeitenden viel bewegen konnte. Diese Zeit prägte sie nachhaltig und ließ sie erfahren, dass es möglich ist, die Welt an einer Stelle spürbar zu verändern. Nach ihrer Rückkehr lebte sie mit dem Bewusstsein, im Überfluss zu leben, und betrachtete das alltägliche Privileg von warmem Wasser und unendlicher Warenauswahl in einem neuen Licht.

Ausbildung zur Krankenschwester

Da die Perspektiven ihres Studiums weiterhin wenig vielversprechend waren, entschied sich Christiane Meyer für eine Ausbildung zur Krankenschwester. In diesem Beruf ist sie bis heute tätig und begleitet Menschen in Leid und Freude, wobei ihr seelsorgliche Haltung oft hilfreich und tröstlich ist. Mit ihrer Familie fand sie schließlich in der Thomaskirche in Köln ihre geistliche Heimat. Hier wuchs auch ihre Tochter ganz selbstverständlich in die Gemeinde und den Glauben hinein.

Der Glaube und die Auseinandersetzung mit der Bibel blieben für Christiane Meyer stets zentral. Gespräche über die Bibel führen sie und ihre Familie inzwischen sogar am heimischen Frühstückstisch. Innerhalb der Gemeinde engagierte sie sich im Andachtskreis, der sie durch Impulse und vielfältige Gespräche beflügelte.

Schließlich absolvierte Christiane Meyer den Prädikantenkurs, der sie zur ehrenamtlichen Verkündigung befähigte. Ihre Berufung zur Verkündigung, zur Gestaltung von Gottesdiensten und zur Predigt verbindet sie auf authentische Weise mit ihrem beruflichen Alltag als Krankenschwester. Sie gehört zu den Menschen, die mit ihrem Glauben und ihrem Engagement eine Brücke zwischen Kirche und Alltag bauen und der Gemeinde dadurch neue Perspektiven eröffnen.

,Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.‘

Susanne Beuth erklärte bei der Ordination: „Im Rheinland sind wir überzeugt, dass der Auftrag derselbe ist, ob man ihn dann als Beruf oder begrenzt als Ehrenamt, mit den zeitlichen Möglichkeiten ausübt, die man einsetzen kann und möchte.“

Dieser Auftrag finde sich im Wort Jesu auf der Ordinationsurkunde gleichermaßen für Prädikantinnen und Prädikanten und Pfarrpersonen: Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch! „Er schärft uns mit dem Plural ein, dass wir in einer Gemeinschaft stehen, dass wir einander ergänzen und stärken sollen. Denn Stärkung brauchen wir wohl immer wieder bei diesem Auftrag“, so Susanne Beuth.

Nicht immer gehe es wie gewünscht. Nicht immer finde man Gehör. Zum Glauben gehöre auch der Zweifel: „Sind wir auf dem richtigen Weg? Was ist wichtig? Was können wir sein lassen – angesichts von immer neuen Krisen und Herausforderungen. Heute ringen wir als Kirche neu um die richtigen Antworten. Dass unser Ziel kein anderes sein kann als Frieden, sollte allen klar sein. Aber wie die Welt Frieden finden kann, bei dem die Waffen schweigen und Gerechtigkeit Schalom für alle möglich macht, das sehen wir noch nicht. Gut, dass die Ordinationsurkunde auch ein Versprechen Jesu enthält. Einer hat den langen Atem, einer trägt uns auch, wenn wir nicht wissen, wo der Weg ist: ,Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.'“

„Ich habe erlebt, dass Gott mir Kraft zum Durchhalten schenkt“: Ein Interview mit Christiane Meyer

Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von einem intensiven Glaubensweg, der immer wieder neue Wendungen genommen hat. Was hat Sie schlussendlich dazu bewogen, Prädikantin zu werden?

Christiane Meyer: Ja, es stimmt, meine Beziehung zu Gott hat mein Leben sehr intensiv geprägt. Ich glaube, dass es auch gar nicht anders möglich ist. Wenn ich Gott in mein Herz und in mein Leben lasse, dann verändert sich alles immer weiter (lächelt). Ich hatte schon mit Anfang 20 ein Berufungserlebnis beim Bibellesen. Damals war für mich klar, dass Gott mich in die Verkündigung ruft, aber mir war nicht klar, in welcher Weise. Ich war jung und unsicher und so habe ich erstmal keinen geistlichen Beruf gewählt. Mein Glaube ist mit den Jahren und den Erfahrungen, die ich mit Gott machen durfte, immer fester und tiefer geworden und als ich dann in der Thomaskirche anfing, als Liturgin in Gottesdiensten mitzuwirken – ausglöst durch eine Anfrage von Pfarrerin Eva Esche –, erwachte erneut in mir der große Drang mehr zu tun. Natürlich habe ich bei der Familie, auf der Arbeit und überall, wo ich war, auch von Gott und meinen Glaubenserfahrungen erzählt, aber der Drang, dies noch intensiver zu tun, wurde immer größer. Ich habe viel dafür gebetet und schließlich habe ich mit der Pfarrerin gesprochen. Die freute sich sehr und stellte mir die Möglichkeiten vor und ich entschied mich für die Zurüstung zur Prädikantin, weil ich dachte, dass dies am besten zu mir passen könnte. Die Zurüstung lässt sich gut mit dem Beruf vereinbaren, auch wenn es oft eine Herausforderung war, alles zu schaffen. Es geht beim Prädikantendienst auch um im Alltag und Beruf gelebten Glauben – da kann ich vieles zu sagen.

Was bedeutet diese Rolle für Sie persönlich?

Christiane Meyer: Die Rolle als Prädikantin bedeutet für mich persönlich, dass ich die Möglichkeit habe, mit Gottes Hilfe die Lebendigkeit, Aktualität und wunderbare Kraft von Gott selbst und seinem Wort – der Bibel – für andere etwas sichtbarer zu machen. So oft wird Glaube und Bibel als etwas Altes und Festgefahrenes und Verstaubtes erlebt. Ich wünsche mir, Menschen dafür zu begeistern, Gott näher kennenzulernen, zu entdecken, dass die Bibel etwas mit ihrem Leben zu tun hat und eine Lebenskraft enthält, die mir im Alltag helfen kann. In meiner Rolle als Prädikantin möchte ich gerne Menschen zur Seite stehen, diesen Gott besser kennenzulernen, ich möchte trösten, ermutigen und begeistern für ein Leben mit Gott und ich wünsche mir, dass Menschen erleben, dass Kirche eine wunderbare Gemeinschaft von Menschen ist, die im Glauben an Jesus Christus verbunden sind, und die sein Licht in unsere dunkle Welt bringen durch tätige Liebe zu allen Menschen.

Ihr Einsatz in einem rumänischen Kinderheim war ein prägendes Erlebnis. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht, die Sie bis heute begleiten, und wie haben sie Ihren Glauben gestärkt oder verändert?

Christiane Meyer: In dem rumänischen Kinderheim in Oravita habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen anderen Menschen Entsetzliches antun können und ich manchmal fassungslos davor stehe. Trotzdem kann ich mit meiner begrenzten Kraft mitten im Elend viel Gutes bewirken. Ich darf mich nicht von Mutlosigkeit lähmen lassen, sondern es hilft immer, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und anzupacken und mit aller Kraft zu helfen, damit Leiden gelindert wird.

Als Krankenschwester sind Sie oft ganz nah bei Menschen in schweren Zeiten. Wie fließt Ihre seelsorgliche Haltung in Ihren beruflichen Alltag ein, und wie beeinflusst Ihr Glaube Ihre Arbeit?

Christiane Meyer: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel Leichter ist, sich an fehlendes Wasser, Strom oder ein Leben in Armut zu gewöhnen als all den Luxus hier in Deutschland – den wir trotz der Armut, die es auch hier gibt, immer noch haben – auszuhalten. Die Erfahrung, dass jeden Tag Wasser und dann sogar noch warmes Wasser, so viele Lebensmittel, täglich Strom usw. nicht selbstverständlich ist, hat mich zutiefst dankbar gemacht und hilft mir heute, großzügig abzugeben von dem, was ich habe. Ich habe erlebt, dass Gott sich ganz besonders um die Armen und leidenden Menschen kümmert und dass ich viel Segen erfahre, wenn ich helfe, dort Leiden zu vermindern. Ich habe erlebt, dass Gott mir Kraft zum Durchhalten schenkt – auch in schwersten Situationen und dass es nötig ist, ganz wahrhaftig zu sein und nichts zu beschönigen. In meinem Beruf als Krankenschwester habe ich viele Möglichkeiten Menschen Gottes Liebe zu zeigen. Ich habe mit Menschen zu tun, die in schwierigen Situationen sind, die Ängste erleben durch ihre Krankheit und ein Gefühl des Ausgeliefertseins, die oft auch an der Schwelle des Todes stehen und natürlich habe ich auch mit Sterbenden zu tun. Menschen im Krankenhaus brauchen oft Hilfe bei Tätigkeiten, die sie vorher allein machen konnten. Wie ich auf andere zugehe, macht da einen großen Unterschied.

Was bedeutet das für Sie im Alltag?

Christiane Meyer: Als Christin sehe ich in jedem Menschen erst einmal einen von Gott geliebten Menschen und so begegne ich jedem Patienten wertschätzend und freundlich – egal, wie er/sie sich mir gegenüber verhält. Das macht oft einen Unterschied. Ich kann aggressives Verhalten als versteckte Angst sehen und trotz aller Herausforderungen mit Gottes Hilfe weiter freundlich bleiben. Jemandem mit Freundlichkeit und Geduld beim Waschen zu helfen, Schmerzen zu lindern, Trost in Angst vor einer Operation oder vor dem Tod zu geben, mit einer verwirrten Frau, die nicht schlafen kann, zu beten und zu erleben, dass sie danach die ganze Nacht schläft ohne Medikamente, bei schlimmen Diagnosen sich auch im Stress etwas Zeit zu nehmen und zuzuhören, da zu sein, das hilft so viel. Mein Glaube beeinflusst natürlich meine Arbeit ganz stark, denn ich lerne Menschen mit Gottes Augen zu sehen und auch die Schwierigen, Unangenehmen freundlich zu behandeln. Ich werde oft gefragt, wie ich das kann. Nicht aus mir selbst – nur aus Gottes Liebe heraus, die ich täglich erlebe. Ich habe einen Beruf, der es mir in so vielen Momenten ermöglicht, Gottes Liebe sichtbar zu machen. Für mich ist Glaube nichts Theoretisches. Glaube ist immer in jedem Moment im Leben, im Alltag relevant. Ich gehe betend durchs Leben, spreche innerlich mit Gott über die Menschen, denen ich begegne und alles, was ich tue, soll im Lichte der Liebe Gottes geschehen. Natürlich versage ich auch da oft genug. Doch ich lerne Tag für Tag und Gott begleitet mich.

Text: APK
Foto(s): Oliver Wachenfeld