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Brottrauben und bunte Bausteine: Erste Projekte von „Frauen 35+“ in Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch

Jugendliche und ältere Menschen sind oftmals richtig gut in die Gemeinde, deren Angebote und Aufgaben eingebunden, die „mittlere Generation“ aber, etwa zwischen 35 und 55 Jahren alt, ist in den vielen Gemeinden eher schwach vertreten. Dabei ist an Angeboten für sie, beispielsweise in der evangelischen Frauenarbeit, kein Mangel. Doch werden die Frauen, die diese Angebote annehmen, oder sich gar ehrenamtlich engagieren,immer älter: Beruf, Haushalt und Kinder fordern Zeit, für weitere regelmäßige Verpflichtungen bleibt da nicht viel. Diese Entwicklung ist ein Grund, warum Sabine Richarz, Frauenbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, den Auftrag erhielt, jüngere Frauen für die evangelische Frauenarbeit zu begeistern. Dafür rief sie „Frauen 35+“ ins Leben, eine Projektreihe, mit deren Hilffe Gemeinden niedrigschwellige Angebote für Frauen diesen Alters machen können. Eines davon heißt „Simplify your Konfirmation“ und soll Müttern künftiger Konfirmand/inn/en die Möglichkeit zum Austausch bieten.

Selbst gebackenes Abendmahlsbrot als „Kostprobe“
Um Frauen ihres Alters für die Gemeindearbeit zu begeistern, war für Antje Rinecker, Presbyterin der Andreaskirche in Schildgen, und Manguela Fokuhl, Presbyterin der Markuskirche in Porz-Eil , erst einmal Teig kneten angesagt: Gemeinsam mit den Müttern künftiger Konfirmandinnen und Konfirmanden aus ihren Gemeinden buken sie ein Brot, das beim ersten Abendmahl den Altar zieren sollte. Ob als kompakter Brotlaib oder als „Brottraube“ aus kleinen Brotkugeln – die Aktion kam bei Müttern und künftigen „Konfis“ gut an. „Die Frauen hatten plötzlich eine Beziehung zum Geschehen“ stellte Fokuhl fest, Rinecker erfuhr sogar, dass auch Söhne und Töchter die Brotback-Aktion ihrer Mütter toll fanden. Diese Aktion war jedoch nicht der einzige Grund, warum die beiden Presbyterinnen später die Mütter der Konfirmanden und Konfirmandinnen zu drei Abenden unter dem Motto „Gelebte Gastfreundschaft“ einluden: Ob es um Tipps für geschmackvolle Tischdekoration ging oder ernster wurde bei der Frage „wir sind geschieden – wie gehe ich damit um?“ – in der geselligen Runde konnten die Mütter alles ansprechen, was ihnen auf dem Herzen lag. Mit Fokuhl testeten die Frauen Rezepte von der Teigtasche bis zum „Reste-Salat“, Rinecker stellte bei den Müttern aus Schildgen eher das Bedürfnis fest, über die spirituelle Seite der Konfirmation zu sprechen. Ost- und westdeutsche oder afrikanische Frauen erzählten in der Porzer Gruppe von ihrer eigenen Konfirmation. Neben Austausch und praktischen Tipps wussten die Frauen die Wohlfühl-Atmosphäre und die Zwanglosigkeit des Angebots zu schätzen.

Ohne Pfarrer fällt manches leichter
Natürlich: „Elternabende für Mütter und Väter von Konfirmanden hatten wir in der Gemeinde schon vorher“ erinnert sich Rinecker. „Aber ich hatte den Eindruck, dass die Eltern da eher fürchteten, dass es zu persönlich werden könnte“. Ohne Pfarrer, unter Frauen, fiel es vielen Frauen sichtlich leichter, sich zu öffnen oder auf den ersten Blick banal scheinende Fragen wie „was zieht mein Sohn/meine Tochter zur Konfirmation an?“ loszuwerden. Die nächste Runde des Konfirmationskurses ist in beiden Gemeinden in Vorbereitung und sowohl Fokuhl als auch Rinecker können mittlerweile einiges an Tipps und Erfahrungen weitergeben. Fokuhl will die Gruppen auch für Väter öffnen, Rinecker will zumindest einen der Abende „gemischt“ anbieten.
Doch Früchte getragen hat die Aktion jetzt schon: In der entspannten Runde bot sich auch Gelegenheit, um Mithilfe für das nächste Gemeindefest zu bitten, oder auf Angebote aufmerksam zu machen; eine Mutter aus der Kirchengemeinde Köln-Porz will bei der nächsten Runde im Konfirmandeneltern-Seminar mithelfen.
Das erklärte Ziel, Frauen im aktiven, „mittleren“ Alter in die Gemeindearbeit einzubinden, wurde vor allem durch die Niedrigschwelligkeit des Angebots erreicht. „Zu drei Abenden konnten sich die Mütter gut aufraffen, eine regelmäßige Verpflichtung einmal wöchentlich wäre vielen zuviel gewesen“ vermutet Fokuhl. So aber haben viele Mütter die Treffen eher als kleine Auszeit vom Vorbereitungstrubel in der Konfirmationszeit gesehen.

Bunte Bausteine: „Frauen unterm Schirm“ ist zum Beispiel blau
Der Vorbereitungskurs für Mütter von Konfirmanden und Konfirmandinnen gehört zu den „gelben Bausteinen“ und bildet im Projekt „Frauen 35+“ das Teilstück „Gelebte Gastfreundschaft“.
Erfolgreich war auch der „blaue Projektbaustein“ – sein Name: „Frauen unterm Schirm“. Der wird nun schon seit einer Weile vom Bezirk Gnadenkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach getestet. Und das sieht so aus: Dort können sich Mütter mit Kindern in der evangelischen Kita zweimal wöchentlich vormittags treffen, nachdem sie ihren Nachwuchs verabschiedet haben. Können sich bei einer Tasse Kaffee niederlassen, andere Mütter kennen lernen oder mit Gemeindehelferin Dagmar Pelz plaudern. Ein blauer Sonnenschirm sorgt – wo es nötig ist – für optische Präsenz. In Bergisch Gladbach ist das nicht unbedingt nötig. Dort gibt es nicht nur ein Vordach vor der Kita, dort hat sich das Projekt schon so weit verselbständigt, dass aus der ersten Gruppe wieder neue Gruppen enstanden sind. In der Gruppe „unter’m Schirm“ treffen sich inzwischen ganz andere Mütter als zu Beginn – und alle haben wirklich Spaß an dem Projekt, wie Dagmar Pelz sehr anschaulich in dem sehenswerten Film erzählt, den Kalla Piel für Q1-tivi gedreht hat, zu sehen hier.
„Wenn man Frauen erreichen will, die keinen Bezug zur Gemeinde haben, ist man mit „Frauen unterm Schirm“ gut bedient“ so die Bilanz von Richarz. Auch der Supermarkt oder der Wochenmarkt könnten gute Standorte sein. In Bergisch Gladbach haben sich „unter´m Schirm“ bereits Frauen zu Folgeprojekten, zum Beispiel einer Kochgruppe, zusammengefunden.

Rot oder grün?
Den „roten Baustein“ namens „Kirche, Kultur, Kreativität – Frauen in Aktion“ testete die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Dünnwald mit einer Kurzfreizeit für Frauen. Unter dem Motto „Hautnah – mich spüren und von Gott berühren lassen“ drehte sich dort von der Bibelarbeit bis zur selbst gemachten Peeling-Seife alles um das sinnliche Thema „Haut“.
Sinnlich erfahrbar sein sollen auch die Elemente des „grünen Bausteins“, der in der Kirchengemeinde Köln-Höhenhaus erprobt wurde. Unter Titeln wie beispielsweise „Freude riechen“ oder „Glück schmecken“ fanden dort Kurzandachten mit Kräutern und Gewürzen, Essens- und Duftproben für Frauen statt.

Beziehungen über die Gemeindegrenzen hinweg
Um alle Bausteine auch künftig anbieten zu können, will Richarz alle bisher gesammelten Tipps, Materialien und Erfahrungen in Heftform publizieren. Neben dem Versuch, Frauen ohne kirchliche Bindung die Gemeinde als gastfreundlichen Ort zu vermitteln, zählte für Richarz auch die Stärkung der bereits aktiven Frauen: „Hier sind Beziehungen über die Gemeindegrenzen hinweg gewachsen“ war ihre Erfahrung. Diesen neuen Zusammenhalt will sie durch die Einrichtung eines losen Netzwerks, eventuell mit einer Internetplattform, und gelegentliche Treffen stärken.

Text: Annette v. Czarnowski
Foto(s): Czarnowski